Dosen, Ringe und Medaillen – fürstliche Geschenke an Weber
Von vielen Musikern des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts sind ähnliche Klagen überliefert: Hatten sie sich an einem Hof im Konzert hören lassen oder einem Regenten bzw. Mitgliedern von dessen Familie ein Werk gewidmet, so wurden sie meist mit wertvollen Geschenken bedacht: goldenen Tabatièren (meist kurz als „Dosen“ bezeichnet), Schmuckstücken oder Medaillen mit einem Porträt des Donators. Diese ehren- und meist sehr wertvollen Gaben ließen sich aber nur schwer und oft unter größerem Wertverlust (sozusagen zum „Materialpreis“) wieder veräußern, waren für den Beschenkten also weniger praktikabel als die sehr viel selteneren Geldgeschenke, die man an vielen Höfen offenbar als unpassend erachtete. Auch Weber erlebte dies immer wieder und reagierte entsprechend. Fühlte er sich als junger, aufstrebender Künstler noch außerordentlich geehrt, trug er doch bereits im November 1812, als er von der weimarischen Erbprinzessin, Großfürstin Maria Pawlowna einen kostbaren Ring zum Geschenk erhielt, in sein Tagebuch ein: „Geld wäre mir freylich lieber gewesen, so habe ich viele baare Auslagen umsonst gehabt. den Ring trage ich nicht und darf und will ihn auch nicht verkaufen.“ Immerhin hatte die Großfürstin dafür gesorgt, dass auch Webers Hotelrechnung in Weimar beglichen wurde, aber seine Reisekosten nach Weimar und zurück sowie die Ausgaben für zwei Werkabschriften, darunter ein aufwändig in Maroquinleder gebundenes Widmungsexemplar seiner ersten Klaviersonate, belasteten seinen Etat, während der Ring zwar einen materiellen Zugewinn bedeutete, die Reisekasse aber nicht füllte. Ganz ähnlich bei Webers Bemühungen, Kapital aus seiner 1815 komponierten Kantate Kampf und Sieg zu schlagen: Weber ließ zahllose Abschriften der Komposition anfertigen und an mehrere Herrscherhäuser versenden, aber wenn er überhaupt eine Reaktion erhielt, dann waren dies meist huldvolle Dankesbriefe samt Tabaksdosen, während der Komponist die Kopisten- und Buchbinderkosten sozusagen als Verlust zu verbuchen hatte. Kein Wunder also, dass Weber lediglich, wie er seiner Braut Caroline Brandt schrieb mit seiner „gewöhnlichen DosenFreude“ reagierte. In einem anderen Brief an sie quittierte er den Ertrag: „viel Ehre und hübsche Doserln“, während ihn die Verbreitung des Werks „baares Geld [ge]kostet“ habe. In einem Brief an die nunmehrige Ehefrau Caroline von Weber vom Oktober 1820 aus Kopenhagen vermutete Weber als Geschenk des dänischen Hofes: „wahrscheinlich wieder eine Dose zu den vielen andern – Geld wäre mir fast lieber. am besten, das lezte in der Erstern“. Zwei Tage später ergänzte er im selben Schreiben nach der Übergabe: „Richtig: eine goldne Dose, und damit Puntum. sie ist zwar sehr schön, aber was thue ich mit all denen Dingern“.
Auch wenn Weber 1812 im Falle des Ringes einen Verkauf noch ausschloss, so trennte er sich doch von den meisten der Ehrengeschenke, die er über die Jahre zusammentrug. Nachfolgend sind alle durch Tagebuchnotizen und Briefe Webers bekannten Informationen zu fürstlichen Geschenken an ihn und deren Verbleib zusammengetragen1.
Webers Reisejahre
Während der drei Jahre nach der Landesverweisung aus Württemberg (Februar 1810) knüpfte Weber auf seinen Reisen durch Süd- und Mitteldeutschland teils enge persönliche Kontakte zu verschiedenen Höfen, darunter Baden, Hessen-Darmstadt, Bayern, Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Weimar. In Darmstadt erwies sich 1811 der Großherzog als besonders spendabel und ließ dem jungen Musiker, der ihm am 14. Januar das Autograph seiner Oper Abu Hassan gewidmet hatte und am 29. Januar der Großherzogin seinen Klavierauszug der Vogler-Oper Der Admiral dedizierte, am 2. Februar 1811 440 Gulden in bar anweisen – einer der seltenen Ausnahmefälle (vgl. die Tagebuchnotizen). Auch die badische Prinzessin Stephanie ließ Weber 66 Gulden zukommen (vgl. den Tagebucheintrag vom 5. Januar 1811), vermutlich als Gegenleistung für musikalische Darbietungen, wohl aber auch als Entschädigung für die erhoffte, nicht zustande gekommene Anstellung Webers in Mannheim2. Ansonsten waren Ehrengeschenke die Regel:
1811 hielt sich Weber besonders lange in München auf und wurde auch der königlichen Familie vorgestellt. Der bayerischen Königin Karoline überreichte er laut Tagebuch am 26. November 1811 eine Widmungskopie mit drei italienischen Canzonetten und drei italienischen Duetten. Beide Zyklen wurden 1814/15 (als Canzonetten op. 29 und Duette op. 303) ebenfalls mit Widmungen an die Königin publiziert. Wohl als Gegengabe für die Widmungsabschrift erhielt Weber laut Tagebuch am 30. November 1811 eine goldene Medaille, die laut Beschreibung im Brief an den Freund Gottfried Weber vom 29./30. November 1811 auf der einen Seite ein Bildnis der Königin zeigte, auf der anderen die Aufschrift „Zum Andenken“.
Wichtige Reisestationen des Jahres 1812 waren u. a. Dresden, Weimar und Gotha. Alle drei Städte gehörten zu den Zielen der gemeinsamen Konzertreise mit dem Klarinettisten Heinrich Baermann. Am 18. Februar wurden beide Künstler in Dresden zum Konzertieren ins Schloss gebeten; das Publikum bestand ausschließlich aus dem Königspaar und dessen Tochter Prinzessin Auguste. Hier erhielt Weber laut Tagebuch die erste dokumentierte goldene Tabatière4. Von der laut Brief „niedlichen goldenen“ Dose trennte sich Weber offenbar im Januar 1818; sie dürfte identisch sein mit jener „einfache[n] goldne[n] Dose von S: M. dem Könige“, die Weber laut Tagebuch am 17. Januar 1818 verkaufte (zusammen mit einer weiteren goldenen Dose für 105 rh.).
In Weimar pflegte Weber 1812 besonders engen Kontakt zur Erbprinzessin, der Großfürstin Maria Pawlowna; er erteilte ihr KlavierlektionenT, musizierte häufiger bei ihr und wurde u. a. um eine Kopie seiner Silvana-Variationen gebeten, die er laut Tagebuch am 13. September bezahlte und am 17. September nach Weimar sandte, gemeinsam mit der bereits erwähnten Widmungskopie seiner Klaviersonate Nr. 1. Noch im Dezember d. J. erschien die gedruckte Ausgabe dieser Sonate, ebenso mit einer Widmung an die Großfürstin. Die Widmungsträgerin bedankte sich wohl hauptsächlich für dieses Werk (laut Webers Brief an F. Rochlitz vom 28. November offenbar aber auch für den damit verbundenen Klavierunterricht) mit einem wertvollen Ring, den sie Weber laut Tagebuch am 5. November überreichen lies: „ein Rußischer aquamarin mit Brillanten“. Möglicherweise war der Ring allerdings defekt (oder wurde kurz darauf beschädigt), denn im Tagebuch sind am 10. November Auslagen notiert, um „den ausgesprengten Stein im Ring festzumachen“. Das Schmuckstück ließ Weber 1817 zu einem Brautgeschenk für seine Verlobte Caroline Brandt umarbeiten, laut Tagebuch zu einem „Collier mit goldener Kette“, wie er am 23. August bei Bezahlung des Goldschmieds vermerkte.
Länger als die Besuche in Weimar dauerten 1812 Webers Aufenthalte in Gotha, wo der Komponist sowohl zu Herzog August als auch zu dessen jüngerem Bruder Prinz Friedrich eine enge persönliche Verbindung aufbaute. Bereits im Januar, als Gotha kurzzeitig eine Station der Konzertreise mit Baermann war, wurden beide Musiker reich beschenkt. Im Tagebuch findet sich am 25. Januar der Vermerk, beide Musiker hätten von Prinz Friedrich je einen „hübschen antiken Ring“ erhalten; am eigentlichen Abreisetag, dem 26. Januar, liest man ebd., Weber und Baermann hätten vom Herzog nochmals „viele Antiken, und ein Ringchen“ bekommen. Besonders eng gestalteten sich die Beziehungen im Spätsommer und Herbst 1812, als Weber für längere Zeit nach Gotha eingeladen wurde. Er beteiligte sich nicht nur als Pianist an Hofkonzerten, sondern komponierte auch für die beiden herzoglichen Brüder, u. a. Bläserarrangements von Liedern des Herzogs und eine Konzertarie für den Prinzen. Sein in Gotha vollendetes zweites Klavierkonzert widmete Weber im Erstdruck von 1814 dem Herzog (ob diese Widmung allerdings bereits 1812 vereinbart wurde, ist unklar). Bei der Abreise von Gotha am 20. Dezember 1812 erhielt der Komponist vom Prinzen Friedrich laut Tagebuch „einen schönen Diamant als BrustNadel“ (laut Brief an die Berliner Freunde ein schöner „Solitär“). Der Herzog bedankte sich erst 1813; er übersandte eine goldene Dose, die laut Tagebuch am 8. August d. J. in Prag ankam. Der Versand per Post verursachte Weber nicht nur hohe Portokosten, sondern auch einige Scherereien, denn der Bitte um zollfreie Abfertigung wurde offenbar nach einigen „Laufereyen“ nicht entsprochen (vgl. die Tagebucheinträge vom 9. und 20. August sowie 26. und 29. September), so dass laut Tagebuch am 5. Oktober 1813 Zollgebühren von 17 f. 6 xr. zu zahlen waren, bevor Weber die Tabaksdose endlich ausgehändigt wurde. Möglicherweise hängt auch die am 2. März 1814 im Tagebuch festgehaltene Tax-Nachzahlung noch damit zusammen. Glaubt man den Tagebucheinträgen, so war diese goldene Dose eine der wenigen, die Weber in späteren Jahren nicht verkaufte; sie ist noch am 29. April 1823 im Tagebuch erwähnt: An diesem Tag brachte er der Dichterin Cäcilie von Werthern „die goldene Dose mit dem Bild des Herzogs von Gotha zum copiren“.
Webers Prager Jahre
Die Ehrengaben der Prager Jahre hängen direkt oder mittelbar mit dem München-Besuch des Jahres 1815 zusammen. Dort erhielt Weber gemeinsam mit dem befreundeten Klarinettisten Baermann am 3. August 1815 eine Einladung von Napoleons Stiefsohn aus erster Ehe, dem vormaligen italienischen Vizekönig Eugène de Beauharnais, zur Feier des Namenstags von dessen Ehefrau Auguste, geb. Prinzessin von Bayern, zu musizieren. Zum Dank für seine künstlerische Mitwirkung erhielt Weber laut Tagebuch genau eine Woche später einen Brillantring mit der Chiffre E. Diesen Ring behielt Weber knapp zehn Jahre, bevor er ihn laut Tagebuch am 28. März 1825 für 40 rh. an den Dresdner Juwelier Samuel Kaim verkaufte.
In München fasste Weber auch den Entschluss, eine große Kantate zur Feier des Sieges der alliierten Truppen über das Heer Napoleons am 18. Juni 1815 bei Belle Alliance und Waterloo zu komponieren. Er begann die Arbeit an Kampf und Sieg noch in der bayerischen Hauptstadt, fertiggestellt und uraufgeführt wurde das Werk im Dezember d. J. in Prag. Um die anlassgebundene Komposition einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, fasste Weber den Entschluss, Kopien an mehrere Landesherren zu senden. An seinen Freund Gottfried Weber schrieb er am 17. September 1816: „Meine Kantate habe ich wie frische Häringe in die ganze Welt versendet. an 14 Potentaten. [...] die Auslagen sind aber auch teuflisch und laufen bis jezt schon über 700 ƒ[.] ein baares Präsent käme mir daher sehr gelegen.“ Die hier erwähnte Zahl der Monarchen ist nicht ganz exakt; laut Tagebuch wurden zwischen April und Oktober 1816 lediglich zwölf Widmungsexemplare versandt: am 7. April an den österreichischen Kaiser, am 9. April an den preußischen König, am 16. April an den englischen Prinzregenten, am 30. April an den sächsischen König, am 9. Mai an den niederländischen König und den bayerischen König, am 20. Mai an den dänischen Statthalter in Schleswig und Holstein Landgraf Carl von Hessen, den dänischen König, den Großherzog von Toscana und den österreichischen Erzherzog Rudolph, am 11. September an den Großherzog von Hessen und bei Rhein und schließlich nach dem 6. Oktober 1816 an den russischen Zaren. Der Wunsch nach finanziellen Zuwendungen sollte sich aber nur im Fall zweier Exemplare erfüllen: Der Großherzog von Hessen-Darmstadt übersandte 6 Carolin in bar (vgl. die Quittung und den Tagebucheintrag vom 16. November 1816), jener von Toscana 150 f. W. W. (vgl. den Tagebucheintrag vom 31. März 1817). Fünf weitere Monarchen entschieden sich für eine goldene Medaille bzw. eine Tabaksdose als Äquivalent: Der preußische König ließ Weber die große goldene Medaille (wohl mit seinem Porträt) übersenden; sie kam laut Tagebuch am 5. Mai 1816 in Prag an. Der Empfang einer „sehr schöne[n] goldene[n] Dose“ des sächsischen Königs ist am 7. Juni 1816 im Tagebuch festgehalten, eine Tabatière des niederländischen Königs am 27. Juni und schließlich eine des bayerischen Königs am 23. Dezember 1816. Die niederländische Tabaksdose war laut Brief an Caroline von Weber vom 29. Juni 1816 mit „2 Engeln von Raphael“ (eventuell die heute noch besonders beliebten Putti vom unteren Bildrand der Sixtinischen Madonna?) geschmückt, die bayerische laut Brief vom 24. Dezember 1816 mit „musikalischen [also wohl musizierenden] Engeln“. Alle drei Tabatièren wurden von Weber (gemeinsam mit vier weiteren Dosen, s. u.) am 22. September 1824 für insgesamt 626 rh. an Fridrich Wolff aus Berlin verkauft. Der entsprechende Wechsel wurde von Wolff allerdings nicht ausgezahlt, sondern laut Tagebuch am 14. Februar 1825 auf den Dresdner Juwelier Kaim übertragen, der Weber nur 200 rh. in bar aushändigte und ihm als Ausgleich für die fehlenden ca. 420 rh. eine andere „goldene Dose mit Brillanten“ anbot. Diese eingetauschte Dose veräußerte Weber schließlich laut Tagebuch am 31. Januar 1826 für 350 rh. an den Kämmerer von Reitzenstein. Die vermutlich wertvollste Tabaksdose erhielt Weber laut Tagebuch am 5. September 1816 vom österreichischen Kaiser, verziert laut Prager Zeitung „mit dem allerhöchsten Namenszug in Brillianten“ (im Tagebuch spricht Weber nur von der „Chiffre“ des Kaisers); sie wurde von Weber später offenbar nicht verkauft5.
Webers Dresdner Jahre
Die meisten Ehrengeschenke, die Weber zwischen 1817 und 1826 erhielt, kamen von der sächsischen Königsfamilie, nur zwei sind mit auswärtigen Reisen verbunden. 1820 unternahm der Komponist seine letzte große Konzerttournee, die ihn bis nach Kopenhagen führte. Dabei spielte er am 4. Oktober vor der dänischen Königsfamilie in deren Sommersitz Frederiksberg im Hofkonzert. Zwei Tage später fuhr er nochmals nach Frederiksberg; dort wurde ihm laut Tagebuch vom Hofmarschall eine goldene Dose als Geschenk des Königs überreicht. Auch die Reise nach Wien 1823 hatte einen ähnlichen Ertrag: Nach der Uraufführung der Oper Euryanthe erhielt Weber am 1. November eine Audienz bei Kaiser Franz I., der ihm die angetragene Dedikation des Klavierauszugs gestattete. Nach Erscheinen des gedruckten Auszugs bedankte sich der Kaiser mit der Schenkung einer weiteren Tabatière (zusätzlich zu jener von 1816, s. o.), die Weber am ersten Weihnachtstag 1823 erhielt, wie er im Tagebuch notierte. Im Dankbrief spricht Weber von einer „goldnen und emaillirten Dose mit einer Landschaft“6. Beide Dosen, die des dänischen Königs und die des österreichischen Kaisers, gehörten zu den sieben Stücken, die Weber laut Tagebuch am 22. September 1824 an F. Wolff veräußerte (s. o.).
Die sächsische Königsfamilie bedachte Weber nur dann mit wertvollen Geschenken, wenn er sich – nach ihrem Dafürhalten – außerhalb seiner eigentlichen dienstlichen Verpflichtungen als Hofkapellmeister besonders auszeichnete, in der Regel also, wenn er Mitgliedern der Familie größere Kompositionen zueignete oder sich in anderer Weise durch besondere Dienste um die Musikpflege am Hof verdient machte. Freilich wurden längst nicht alle Huldigungskompositionen entsprechend honoriert, so äußerte sich Weber im Brief an F. Rochlitz vom 30. Januar 1819 enttäuscht, dass seine Missa sancta Nr. 2 in G-Dur vom Hof „hingenommen [wurde] wie ein pflichtschuldigst hingegebenes Stük leeres FließPapier“. Am 4. August 1818, einen Tag nach der Aufführung der Namenstagskantate für die Königin, wurde Weber laut Tagebuch zwar von den Majestäten „mit Güte und Dank“ überhäuft, es sollte allerdings bei diesen immateriellen Zufriedenheitsbeweisen bleiben, vermutlich weil Weber bereits im April d. J. beschenkt worden war (s. u.). Teils fühlte sich Weber gegenüber seinem dienstälteren Kollegen Morlacchi zurückgesetzt, etwa als dieser, wie dem Brief an Rochlitz vom 12. Februar 1820 zu entnehmen, für seine Hochzeitskantate Amore e destino eine goldene Dose erhielt, während Weber für seine Hochzeitskomposition L’Accoglienza 1817 leer ausgegangen war. Die Diensttagebücher des für die Beschaffung und Vergabe der Geschenke ab Ende 1822 zuständigen Kämmerers von Reitzenstein enthalten allerdings ein Indiz, dass man die Gleichbehandlung beider Hofkapellmeister durchaus im Auge behielt: Als Morlacchi 1823 beim Besuch des bayerischen Königspaars in Dresden von der bayerischen Königin einen Ring erhielt, wurde Weber vom sächsischen König zum Ausgleich eine „Busennadel“ geschenkt7. Besagte Diensttagebücher des Kämmerers liefern interessante Hinweise zur Praxis der Geschenkauswahl, vor allem aber genaue Wertangaben. Erstaunlich ist, dass der Kämmerer nicht nur für die Vergabe der Geschenke zuständig war, sondern gelegentlich auch mit Genehmigung des Königs einen Rückkauf abwickeln durfte, so dass der Beschenkte im Nachhinein doch noch zu Bargeld kam8.
Das erste Geschenk als Hofkapellmeister in Dresden erhielt Weber laut Tagebuch am 13. April 1818: einen Ring mit Saphir und Brillanten; damit wurde ihm für die dem König zugeeignete Es-Dur-Messe gedankt. Den Wert gab Weber im Brief an J. Gänsbacher vom 24. August 1818 mit 200 # an. Verkauft wurde der Ring laut Tagebuch am 15. September 1823 für 400 rh. an den Kämmerer von Reitzenstein, der dafür am Vortag die Genehmigung des Königs eingeholt hatte9.
Auch die Kantate, die Weber zum Geburtstag der Schwester des Königs, Maria Amalia Anna von Zweibrücken, geschrieben hatte, wurde mit einem Geschenk honoriert. Die Aufführung fand am 26. September 1821 statt; am selben Tag überreichte der Komponist der Herzogin die Widmungspartitur. Am 3. Oktober erhielt er dafür laut Tagebuch eine „goldene Dose mit Ihrer Chiffre“. Diese Dose gehörte zu jenen, die Weber, wie ebenso dem Tagebuch zu entnehmen ist, am 22. September 1824 an F. Wolff verkaufte (s. o.).
Nach Webers Beteiligung an der musikalischen Ausgestaltung der Hochzeit des Prinzen Johann mit Amalie Auguste von Bayern bewilligte der König für die Komposition der Festspielmusik am 4. Dezember 1822 einen Ring mit einem Rubin pale im Wert von 190 rh. als Geschenk (Morlacchi erhielt für seine Hochzeitskantate einen Amethyst-Ring für 180 rh.)10. Weber erhielt seinen Ring laut Tagebuch zwei Tage später und schenkte ihn zu Weihnachten seiner Frau Caroline, laut Tagebuch für ihr „Collier“ (fraglich, ob das bereits 1817 als Brautschmuck genannte; s. o.).
Während des Dresden-Besuchs des bayerischen Königspaars im April 1823 fanden zwei Hofkonzerte statt, an denen Weber beteiligt warT, am 20. April trat er u. a. als Solist seines Konzertstücks auf. Sein Vorgesetzter von Könneritz wies anschließend darauf hin, dass es „deßen Dienstsache [...] nicht sey, selbst Concerte zu geben“ (demzufolge gehörte nur das Dirigieren der Hofkonzerte und ggf. auch das Akkompagnieren zu den Amtspflichten, nicht aber Auftritte als Solist), weshalb der König am 29. Mai eine mit Brillanten besetzte „Busennadel“ im Wert von 300 rh. auswählte11, die Weber laut Tagebuch am 5. Juni ausgehändigt wurde.
Das Konzertstück widmete Weber noch im selben Jahr der sächsischen Prinzessin Auguste; der Erstdruck mit der entsprechenden Dedikation erschien im Sommer 1823 bei Peters in Leipzig. Zum Dank erhielt der Komponist eine „schöne goldene Dose“, deren Empfang er am 1. August im Tagebuch festhielt; Kämmerer von Reitzenstein notierte in seinem Diensttagebuch eine „gld: ema[i]ll:[ierte] Dose“ im Wert von 120 rh.12 Diese Tabatière gehörte wie jene, die Weber 1821 von Maria Amalia Anna, der Tante der Prinzessin, erhalten hatte, zu den sieben am 22. September 1824 an F. Wolff verkauften Objekten.
1824/25 übernahm Weber zeitweise musikalische Lektionen der Prinzessin Amalie, einer Cousine von Prinzessin Auguste. Dieser UnterrichtT gehörte nicht zu Webers Amtspflichten als Hofkapellmeister und wurde daher separat vergütet, allerdings nicht durch Geldzahlungen, sondern durch Geschenke: Im Tagebuch ist am 28. September 1824 eine „Busennadel [mit einem] Kranz von Brillanten“ erwähnt, am 31. Dezember 1825 eine „silberne Kaffeekanne und [ein] Fruchtkorb“.
Das letzte Geschenk des sächsischen Königs an Weber stand wiederum mit einem großen Hoffest in Verbindung, der Hochzeit des Prinzen Maximilian im November 1825. Weber komponierte dazu eine Huldigungseinlage in die Oper Olympia und erhielt dafür einen Ring mit einem Chrysopras und Brillant-Besatz im Wert von 310 rh., Morlacchi für seine größer dimensionierte Hochzeitskantate einen ähnlichen, gleichwertigen Ring13. Weber wurde sein Ring laut Tagebuch am 13. November ausgehändigt; er verkaufte ihn gute zwei Monate später, am 31. Januar 1826, für 300 rh. wiederum an Reitzenstein (gemeinsam mit der von Kaim erhaltenen Dose für 350 rh., s. o.), wohl zur Finanzierung seiner bevorstehenden Reise nach London und dem damit zusammenhängenden Kauf einer Kutsche samt Zubehör für 400 rh. am 2. FebruarT.
Einzelnachweise
- 1Nicht einbezogen sind in die nachfolgende Betrachtung Geschenke von bürgerlichen Freunden und Bekannten, die im Falle der Bankiersfamilien Beer und Benedict oftmals den fürstlichen Gaben kaum nachstanden. Zu besonders wertvollen Geschenken der Beers vgl. u. a. die Tagebucheintragungen vom 25. Februar 1815, 16. Juni 1816, 14. August 1816 und 24. Dezember 1825, zu solchen der Benedicts jene vom 27. Dezember 1821 und 13. Januar 1823. Zudem übersandte B. Livius Weber laut Tagebuch im August 1825 eine goldene Dose.
- 2Vgl. den Brief an Johann Gänsbacher vom 7. Dezember 1810.
- 3Zu Irritationen um die Zählung vgl. den Themenkommentar zu den WerkverzeichnissenT.
- 4Wohl diese „Dose“ ließ Weber laut Tagebuch am 9. April 1813 in Wien „punzieren“.
- 5Die goldene „Dose mit Brillanten“, die Weber laut Tagebuch am 26. April 1825 für einen geplanten Verkauf in Leipzig dem Bankier Kaskel übergab, dürfte wohl eher die am 14. Februar 1825 von Kaim eingetauschte Dose gewesen sein (vorausgesetzt, der Verkauf kam nicht zustande), als die vom Kaiser erhaltene Tabatière.
- 6Die Auswahl der goldenen Dose, die über die österreichische Gesandtschaft in Dresden zugestellt wurde, oblag per Beschluss vom 27. November 1823 dem Kanzleidirektor des Oberstkämmerer-Amts Johann Vesque von Püttlingen (d. Ä., 1760-1829); der Wert betrug 360 f C. M.; vgl. Österreichisches Staatsarchiv Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, OKäA B, Karton 200, in Nr. 1351/1823 und 1449/1823.
- 7Vgl. Ortrun Landmann in Weberiana 27, S. 14.
- 8Ebd., S. 15.
- 9Ebd., S. 15.
- 10Ebd., S. 13.
- 11Ebd., S. 14.
- 12Ebd., S. 15.
- 13Ebd., S. 17.