Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Prag (Fragment)
Berlin, Freitag, 20. März 1812
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[größerer Textverlust am Anfang]
Daß [Textverlust]
du weißt [Textverlust]
habe, aber es ist [Textverlust]
alles HauptInterreßante [Textverlust]
wandelt und dich bald treffen muß. [Textverlust]
wenn sich der Brief vielleicht noch findet. Wegen des Noth und HülfBüchleinsT kannst du ruhig sein. wie könnte man bey so wenig Zeit an dieses denken, und deine Anstalten mir die Notizen zu verschaffen sind gut*. vielleicht gehe ich sogar selbst künftigen Winter nach Wien, da es mit meiner Petersburger Reise wohl aus ist. O du armer Jörgel! das war eine schlechte Expedition. Die Zeiten werden immer schlechter, und die Menschen. das ist das übelste dabey, denn was ich mich beym Lesen deines Briefes über den KapellMstr:* Sekretär, Fürst pp geärgert habe, kannst du gar nicht glauben. Tröste dich übrigens. du hast doch deine Arbeit nun gehört und dabey gewiß wieder gelernt*. ist denn Müller nicht mehr bey Esterhazi? ich dachte er wäre blos auf Urlaub in München? Meine Silvana hat doch überall [Textverlust?] Malheur. also nach Treitschke[s] Äußerungen komt sie in Wien nicht aufs Theater. ich glaube nicht daß der Abu Haßan schon in Wien ist. biete ihn dem Treitschke in meinem Nahmen an, für 5 Carolin in Golde /: ich weis jezt Euren Cours nicht :/ besorge dann die Copie und sie‡ bezahle sie davon. auf deiner Oper ruht auch der Fluch, man muß sehen sie in Mannheim pp unterzubringen. Das Salieri ein Hund ist wie die übrigen, wußt ich lange. und dem Musje Weigel gönne ich seine gefallne Opera* von Herzen. Ach! laß dich umarmen, edle Seele! bey dem Engagement des hübschen Mädchens dachtest du an meinen Zustand! das‡ soll dir hoch gelohnet werden. Uebrigens da wir eben auf diesem Kapitel sind, so grüße meinen lieben Jung 100000mal von mir, sage ihm |
[Textverlust] herzlich
[Textverlust] das Buch von
[Textverlust] abschreiben. wo möglich
[Textverlust] auch noch an Liebich schreiben. glaubst du da߇ Er /: nach dem was du mir geschrieben :/ noch Lust [hat] eine Oper von mir schreiben zu laßen? Nun zu meinem Referat. in Weimar gieng es uns sehr gut, wir spielten 2 mal bey der Großfürstin* und einmal wurde ein HofConcert wegen uns arrangirt* welches noch nie geschehen war. d: 5t Februar kamen wir in Dresden an. ich Hundekrank, hatte mich erkältet und ein Rheumatismus sich mir auf die Brust geworfen. ein paar Tage im Bett halfen wieder auf. nach 1000 und Millionen Umständen gaben wir unser Concert d: 14t welches sehr mittelmäßig ausfiel, troz der ungeheuren Recomandationen die wir hatten. die Leute sind gar zu arm, und schmuzzig. Das angenehmste Haus war das Neumannsche, deßen Bekanntschaft ich auch Jung verdankte. d: 18t kam es zu der Hohen Ehre daß wir beym König spielten, und zwar in Dresden im Kabinette welches ein Unerhörter Fall ist*. worauf wir mit ein paar niedlichen goldenen Dosen abgespeißt wurdenT, und d: 19t nach Berlin abreißten, wo wir d: 20t wohlbehalten ankamen. d: 22t reiste Bärmann nach Stettin ab zu seinen Eltern*. da unser Concert |
[Textverlust] [...]schoben war. ich arrangirte unter
[Textverlust] alles, und d: 15t März war unser
[Textverlust] [...]lich voll und höllischer Beyfall*.
[Textverlust] in der Zeitung aufgefodert ein 2tes zu
[Textverlust: geben,] dieses wird d: 25t losgelaßen. d: 28t
[Textverlust: reist] mein lieber Bärm: ab nach München, und
[ich bl]eibe hier bis Ende Aprill und suche meine [Sil]vana, die schon ausgeschrieben ist, aufs Theater zu bringen. dann gehe ich nach Gotha, und wenn es geht, im Herbst nach Prag. nach Hamburg ist es mir zu spät, und ist auch jezt nicht rathsam da etwas zu unternehmen da der Sommer vor der Thüre ist. in Gotha lebe ich umsonst, und kann fleißig arbeiten.
Die Silvana ist vor mehreren Monaten hier schon einmal probiert worden, unter Rhigini. da ging es aber so confus, daß Sie alle es für verrüktes Zeug erklärtenT. ich lachte darüber, und nun mein Concert vorbey ist, liegt mir das ganze Orchester zerschmettert zu Füßen. aber so geht es überall, wenn man nicht selbst, oder ein Freund zugegen ist. Ich wohne bey Beers Eltern im Hause, sehr angenehm, aber im Ganzen behagt es mir hier nicht. die Menschen sind kalt, voller Maul und kein Herz. wahre Rezensenten Seelen. alles bekrittelnd pp.
Hiebey folgt ein ◯ von Billig. MeyerBeer ist jezt in Würzburg und wird in einigen Tagen in München eintreffen um da seine Oper Jephta auf die Bühne zu bringen. ich war auf dem Punkte mich mit dem guten Jungen etwas zu broulliren. er ist so saumselig und nachläßig im Schreiben, sogar in Geschäftssachen. da schrieb ich ihm denn ein derbes ernstes Wort, und das nahmen der junge Herr übel. nun hoffe ich aber ist alles wieder im gehörigen Gleise. |
Von Weber wirst du wohl [Textverlust]
wißen daß seine Frau mit einem J[ungen] [Textverlust]
niedergekommen ist.
in Weimar habe ich die Bekanntschaft Be[rtuchs] [ge-]macht, der das Journal des Luxus und [der Moden] herausgiebt und auch noch andere Zeitschriften* [Er] wird an dich schreiben, und dich um einige Notizen über Prag bitten. Schreibe mir doch ob es dabey bleibt, daß ihr künftigen Sommer Prag verlaßt. Empfehle mich deinem lieben Hause aufs bestmöglichste. so auch Graf Clam dem du sagen kannst daß seine Brille seit Prag meine Nase nicht verlaßen hätte. — Graf Pachta Tomaschek pp: daß Mad: Brede nach Wien geht, thut mir sehr leid. empfiehl mich I‡hr und Mad: Löwe. ich habe nicht vergeßen wegen München und nun Punktum. ich habe genug geschrieben.
schreibe mir recht
bald wieder. und vergiß nicht deinen dich ewig liebenden
W:
Berlin d: 20t März 1812.
ich wohne:
Spandauer Strasse
No:72.
Apparat
Zusammenfassung
betrifft Aufführung verschiedener Kompositionen Gänsbachers und Webers; Bericht über Aufenthalt in Weimar, Dresden und Berlin; Reisepläne
Incipit
„... Wegen des Noth- und Hülfsbüchlein kannst Du ruhig sein, wie könnte“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bibliothek (A-Wgm)
Signatur: Weber an Gänsbacher 16Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- am oberen Rand durch Abriss eines größeren Abschnitts stark beschädigt, dadurch Textverluste auf beiden Bl.
- auf der letzten Briefseite unten Vermerk von F. W. Jähns mit Tinte: „Eigenhändig von C. Maria v. Weber.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Nohl 1867, S. 212–214 (Nr. 17) (unvollständig)
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„sie“durchgestrichen
-
„s“„ß“ überschrieben mit „s“
-
„ß“„s“ überschrieben mit „ß“
-
„I“„i“ überschrieben mit „I“
Einzelstellenerläuterung
-
„… und dabey gewiß wieder gelernt“Zu Gänsbachers Besuch in Eisenstadt ab 11. Februar 1812 und dortigen Proben und Aufführungen einiger seiner kirchenmusikalischen Werke (u. a. Requiem, Messe, Litanei) vgl. Gänsbacher, Denkwürdigkeiten, S. 43.
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„… 2 mal bey der Großfürstin“Laut Tagebuch am 29. und 31. Januar 1812.
-
„… welches ein Unerhörter Fall ist“Im Dresdner Hoftagebuch (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand 10006 Oberhofmarschallamt, O 04, Nr. 209) findet sich der Vermerk: „Mittags, nach der Tafel geruhten Ihro Maj[estä]ten zween Bayerℓ Musiker, auf dem Piano-forte, und auf der Clarinette, anzuhören.“ Zu den musikalischen Darbietungen vgl. das Tagebuch.
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„… Stettin ab zu seinen Eltern“In Stettin war offenbar auch Baermanns Bruder Franz als „Compotoirschreiber“ tätig; vgl. B. Müller in Weberiana 32 (2022), S. 71.
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„… lich voll und höllischer Beyfall“Zum Konzert im Berliner Schauspielhaus vgl. die Tagebuchnotizen, die Anzeigen und die Besprechungen.
-
„… und auch noch andere Zeitschriften“Das Journal des Luxus und der Moden wurde gemeinschaftlich von Vater und Sohn Bertuch herausgegeben. Die Tagebuchnotizen von Carl Maria von Weber und Carl Bertuch von Ende Januar (27./28. Januar 1812) deuten darauf hin, dass hier der Sohn gemeint ist, mit dem Weber später auch brieflich diesbezüglich in Kontakt trat. Vater Bertuch ist in Webers Tagebuch erstmals am 23. November 1812 eindeutig dokumentiert.