Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher
Prag, Montag, 18. März 1816

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Mein geliebter Bruder!

Habe herzlichen Dank für deinen warme innige Theilnahme aussprechenden Brief vom 16t Febr: den ich gestern im Theater von Haupt: Rumpelm: erhielt. ich gieng mit lezterem zu Convalina in der Hoffnung bey einem Glase Wein recht viel von dir erfahren und plaudern zu können, und erfuhr aber nicht viel. jezt ist das übelste bey der Sache daß er heute Mittag schon wieder abreißt, und ich also keinen einzigen deiner Wünsche erfüllen kann; wegen dem Miserere werde ich doch sehen was zu thun ist, aber KonzertMusik habe ich gar nichts was ich dir schikken könnte. – ich war schon im Begriff an dich zu schreiben, da du so lange keiner Seele ein Zeichen deines Lebens gegeben hast, und wir alle befürchteten zu möchtest krank sein. du kannst also denken wie doppelt erfreulich die Gewißheit vom Gegentheile mir kam.      Heute Mittag wird deine Gesundheit getrunken. und deinen Brief an die P: gebe ich auch heute ab. Sie frug schon lange nach dir und war böse über dein Nicht antworten. die gute M: hat sich der Kinder wegen, auf allen Bällen und Gesellschaften herumtreiben müßen, zu ihrem großen Verdruß. in ein paar Tagen geht sie nach Hradek zurük, worüber sie ganz selig ist. ich werde also auf lange Zeit von ihr Abschied nehmen müßen, da Sie weder mehr herein kommt noch ich hinaus. im Clamschen HausTheater, hat man die Maria Stuart mit ungeheurem Pomp, und Brillanten gegeben, 3 mal zum Besten der barmherzigen Brüder, die dadurch 10000 ƒ bekommen haben*. P: Maria Stuart, Gräfin Schlik, Elisabeth pp. im Ganzen recht brav. an Bemerkungen allerley Art fehlte es nicht, daß diese 2 Damen die Rollen übernommen hatten in denen so manches beziehende liegt. item, es waren schöne Anzüge zu produziren und das ist ja die Hauptsache.

Wir haben einen neuen Theater Präsidenten an dem Fürsten Lobkowitz bekomen*, der gleich damit anfieng mir scharf zuzusezzen daß ich bleiben sollte*. ich komme nun auf mich zu sprechen.      O theurer Bruder wie nöthig wäre mir jezt deine Gegenwart, um mich aufrecht zu erhalten und zu trösten, wenn aller Kummer über mich einstürmt. Aber ich werde fest sein wie ein Mann. Von allen Seiten bestürmt man mich. am peinlichsten ist aber nur die von Linas und Liebichs Seite. Lezterer sieht nun wahrscheinlich ein was er verliehrt und ist ganz trostlos, obwohl er zu gleicher Zeit wieder in mancher Aufmerksamkeit gegen mich fehlt.      Z. B: d: 14t dieses gab ich zu meinem Benefiz Fidelio von Beethoven, und machte eine elende Einnahme. 13 Logen waren leer, 140 gesperrte Sizze übrig, pp nun ist mein Benefiçe mit 1000 ƒ garantirt, Er hat den SchlußZettel mit 538 ƒ bekomen, und thut doch nichts dergl: — ja ja so ist es.      Seit einigen Tagen habe ich besonders bey Lina so viel Kummer gehabt, daß ich ganz krank und angegriffen bin. Sie scheint immer noch die geheime Hoffnung genährt zu haben, daß ich bliebe, obwohl ich glaubte daß Sie eben so wie ich von der Nothwendigkeit überzeugt wäre daß ich fort müße. nun habe ich zu meinem großen Verdruße gesehen, daß ihre Ansicht von der hohen Kunst, sich auch nicht über die gewöhnliche Erbärmlichkeit erhebt, die die Kunst nur als Mittel sich Suppe und Braten und Hemden zu verschaffen ansieht.      aber das hielft alles nichts, ich glaube wohl daß mich dieses halbe Jahr noch so viel kosten kann daß ich darüber halb zu Grunde gehe, denn so ein täglich nagender Verdruß ist das schreklichste, aber ich bleibe meiner Ueberzeugung getreu. — Was du mir hierüber sagst ist nur allzuwahr, aber nur | der Gedanke an die Möglichkeit, daß es doch vielleicht anderß sein könnte, und ich dann ein schönes Herz zerstörte, beängstigt mich. ich überlaße der Zeit und der Vorsehung da oben alles. —

von Berlin ist sonderbarer weise keine Antwort mehr auf meinen Brief gekommenT. – meinetwegen.      frey will ich hinaus in die Welt mich stüzend auf eigene Kraft.

Wie rührt mich deine Sorgfalt und Liebe, theurer Bruder, mit der du meine Sachen verbreitest. habe innigen Dank dafür, dergleichen Freuden sind die lichten Augenblikke meines Lebens. Könnte ich nur für dich auch wirksamer sein.      Schleßinger hat in seinem lezten Briefe wieder nach deinen Arbeiten gefragt, da er nun mehrere Arbeiten erhalten hat. ich habe ihm sogleich wieder darüber geschrieben und hoffe nun endlich dieses zur Ordnung zu bringen.

Den Klavierauszug meiner Cantate verlegt hier der Buchhändler Cramer. Hier lege ich dir abermals einen Aufsaz von mir bey, nebst Text* meine Cantate betreffend, auch ein Zeitungsblatt*. Wenn du kannst so verbreite es ein wenig.      Es geht mir übrigens recht unglüklich, stelle dir vor daß ich noch kein einziges Exemplar absenden konnte, aus Mangel an Kopisten.      endlich wurde vor 8 Tagen eines fertig, und nun! verdarb es mir der Buchbinder ich soll alles nur auf dem schwierigsten Wege erlangen.

Nun wirst du wohl wieder die Freude haben Gäns Bärmann und die Harlas auf der Durchreise zu sehen*. Küße Si[e] in meinem Namen aufs innigste.      in Jahr und Tag lieber Bruder hoffe ich dich auch zu umarmen.

Jezt studire ich die Athalia von Poisl ein.

Jezt muß ich schließen geliebter Hansel. Laße mich nicht mehr so lange auf Antwort warten, und behalte lieb deinen armen so sehr des Trostes bedürftigen, ewig treuen Bruder vWeber.

Jungh war krank, an seinem Athemholen, er hat 14 Tage das Zimmer gehütet.      Kleinwächters sind wohl, Liebich, Lina pp grüßen alle herzlichst.

Apparat

Zusammenfassung

plaudert über gesellschaftliche Aktivitäten gemeinsamer Prager Bekannter; teilt mit, dass er von verschiedenen Seiten bestürmt werde, Prag, entgegen seinem Plan, nicht zu verlassen; betr. Caroline; habe aus Berlin (bezüglich seiner Anstellung dort) keine Antwort bekommen; betr. Verlag von Kompositionen Gänsbachers bei Schlesinger; betr. Versendung der Sieges-Kantate an verschiedene hohe Häupter

Incipit

Habe herzlichen Dank für deinen warme innige Theilnahme

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher Nr. 38

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am unteren Rand der Versoseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändig von C. M. v. Weber.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl 1867, S. 251–253 (Nr. 37)

Textkonstitution

  • Gänsdurchgestrichen
  • „Gäns“unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • zurecte „du“.
  • „… dadurch 10000 ƒ bekommen haben“Weber besuchte laut Tagebuch die Aufführung am 12. März 1816.
  • „… an dem Fürsten Lobkowitz bekomen“Zur Theateraufsichts-Kommission vgl. die BemerkungenT zur Geschichte des Theaters.
  • „… zuzusezzen daß ich bleiben sollte“Vermutlich bei dem im Tagebuch genannten Treffen am 11. März 1816 (ggf. auch am 14. März).
  • 14trecte „13t“.
  • „… von mir bey, nebst Text“Textdruck: „Kampf und Sieg.| Kantate | zur | Feyer der Vernichtung des Feindes | im Juny 1815 | bei Belle-Alliance und Waterloo.| Gedichtet | von | Wohlbrück. | In Musik gesetzt | von | Carl Maria von Weber“.
  • „… Cantate betreffend, auch ein Zeitungsblatt“Möglicherweise die Besprechung der Kantaten-Aufführung am 22. Dezember 1815 aus der Prager Zeitung vom 4. Februar 1816. Laut Tagebuch legte Weber außerdem Briefe von J. Duschek und M. A. A. Gräfin Desfour bei.
  • „… auf der Durchreise zu sehen“Rückkehr des Künstlerpaars aus Venedig nach München, wo die Harlas am 22. April 1816 erstmals nach ihrer Reise wieder im Theater auftrat; vgl. Weber-Studien, Bd. 3, S. 370.

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