Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim (Winter 1811–1812)
Aus Mannheim.
Auf unserm Theater bemerkte man seit geraumer Zeit einen Stillstand, nicht nur ziemlichen Mangel an neuen Stücken und Opern, sondern auch eine geringere Frequenz fremder Künstler und Gastrollen. Von neuen Stücken hatten wir seit einem halben Jahre erst Kotzebue’s Quäcker, die alten Liebschaften, Max Helfenstein, neue Frauenschule*; den falschen Stanislaus*, von Prof. Weisenbach; den Brautkranz*, der Lügner und sein Sohn*, von Collin d’Harville. Von Steigentesch, Wer sucht findet*; die Ueberlisteten* nach dem Französischen, Jephta’s Tochter*, von Robert und Göthe’s neue Bearbeitung seines Götz von Berlichingen* (Mscpt.) von neuen Opern: Kotzebues Feodora*, mit Musik vom hiesigen Kapellmeister Ritter, das Thal von Barzelonetta* von demselben Komponisten, zwei allerliebste Kompositionen. Dann von Ebendemselben: Alexander in Indien, große Oper, welche aber gegen die vorerwähnten kleinen sehr zurücksteht, und Mehuls Jakob und seine Söhne (Joseph)*. Von fremden Künstlern sahen wir, auf der Bühne nächst Iffland* Herrn Gern d. Sohn*, von Berlin (auch Sänger); Mdselle Frank* die jüngere, vom Carlsruher Hoftheater, und einen Herrn Schauspieler Rode*; Herr Liberati*, Tenorist vom Nassau-Usingschen Hoftheater, gibt eben jetzt hier Gastrollen mit mäßigem Beifall. – Herr Metzger*, Königl. Baierscher Hofmusikus, auch wieder ein Kind unserer Stadt, erfreute uns vor kurzem mit einem Konzerte, worin er sich als auszeichnungswerther Virtuose auf der Flöte zeigte, er kömmt über Stutgart und Carlsruhe und geht über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg an den Ort seiner Anstellung zurück. Früher machte Herr Lang*, ebenfalls Hofmusikus von München mit einem Fagott-Konzerte wenig Glück, sowohl in pecuniärer als in artistischer Hinsicht. – Die diesjährigen abonnirten Winterkonzerte* stechen gegen die der letztern Jahre sehr zu ihrem Vortheile ab. Gränzenlose Vernachlässigung von Seiten der Unternehmer hatte das Institut der Auflösung nahe gebracht. Die auffallend abnehmende Theilnahme des zwar langmüthigen aber endlich doch geduldsmüden Publikums, machte nachgerade die Nothwendigkeit größerer Thätigkeit einleuchtend, und nun beeifert man sich, das seit mehreren Jahren Versäumte nachzuholen. Wir hörten bis jetzt außer einigen Wiederholungen älterer Werke, Rombergs Glocke*, Himmels Vaterunser, Dessen Gedächtnißcantate auf Friedrich Wilhelm*, Beethovens Sinfonien aus C moll und B dur*, und die von Eberl aus D dur*, welche sämmtliche Stücke hier entweder noch gar nicht, oder nur erst im Museum gehört worden waren. Auch das Museum hat im Laufe dieses Winters einige dankenswerthe Genüsse gewährt, die bedeutendsten waren: Haydn’s Jahreszeiten* und Carl Maria von Weber’s musikalisches Deklamatorium: Der erste Ton (Bonn, bei Simmrock)*, von welchem mehrere öffentliche Blätter*, vorzüglich auch die allg. musik. Zeitung* schon so oft mit einstimmigem Lobe gesprochen haben.
Von neuer Kirchenmusik hörten wir Cherubini’s berühmte dreistimmige Messe*, dann eine vom Regensburger Schauspiel- und Musikdirektor Walter*, Bruder unsers hiesigen als trefflichen Tenoristen so achtungswerthen Dillettanten Walter.
Apparat
Generalvermerk
Zuschreibung: zu G. Webers Texten in Jg. 12 der Zeitung für die elegante Welt vgl. Weber-Studien, Bd. 4/1, Vorwort, S. 43ff.
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 28 (08. Februar 1812), Sp. 224
Einzelstellenerläuterung
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„Quäcker , die … , neue Frauenschule“Die Quäker, Die alten Liebschaften, Max Helfenstein und Die neue Frauenschule von August von Kotzebue; Erstaufführungen in Mannheim: 16. Januar 1812, 22. Dezember 1811, 10. November 1811 bzw. 13. Oktober 1811.
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„den falschen Stanislaus“Der falsche Stanislaus von Matthias Georg Lambrecht nach Duval; EA Mannheim: 22. Dezember 1811.
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„Wer sucht findet“Wer sucht, der findet auch, was er nicht sucht von Ernst August von Steigentesch wurde am 4. August 1811 zum ersten und einzigen Mal in Mannheim gegeben; vgl. 1811-V-56.
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„die Ueberlisteten“Die Überlisteten nach Bellin de La Liborlière von Franz August Kurländer; EA Mannheim: 12. September 1811.
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„neue Bearbeitung seines Götz von Berlichingen“Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand. Dramatisirt, Bühnenbearbeitung des Götz von Berlichingen von Johann Wolfgang von Goethe vom Verfasser; EA Mannheim: 11. August 1811 (der alten Fassung am 17. Februar 1786); zu dieser neuen Bearbeitung vgl. Kom. 1811-V-59.
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„Jakob und seine Söhne (Joseph)“Jakob und seine Söhne (Joseph) von Etienne Nicolas Méhul; EA Mannheim: 1. September 1811; vgl. 1811-V-63.
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„Mdselle Frank“Julie Frank trat am 3. November 1811 als Myrrha in Das unterbrochene Opferfest von Peter Winter in Mannheim auf.
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„Herrn Schauspieler Rode“Matthias Rohde trat in Mannheim am 17. September 1811 als Fips in Die gefährliche Nachbarschaft von August von Kotzebue, als Sperling in Die Unglücklichen von Kotzebue und als Thomas in Das Geheimnis (Le secret) von Jean-Pierre Solié sowie am 19. September als Hausmeister in Das Neusonntagskind von Wenzel Müller auf.
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„Herr Liberati“August Liberati trat in Mannheim in drei Opern von Wolfgang Amadeus Mozart auf; am 26. Januar 1812 als Titus in der gleichnamigen Oper (La clemenza di Tito), am 2. Februar als Tamino in der Zauberflöte und am 4. Februar 1812 in der Titelrolle des Don Giovanni; vgl. 1812-V-21 (Teil 1).
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„Herr Metzger“Karl Theodor Metzger aus München gab am 24. Januar 1812 ein Konzert in Mannheim; vgl. den Konzertzettel und 1812-V-21 (Teil 4).
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„Herr Lang“Das Konzert des königlich bayerischen Kammermusikus Franz Xaver Lang fand laut Ankündigung im Badischen Magazin, Jg. 1, Nr. 205 (29. Oktober 1811), S. 820, am 1. November 1811 statt.
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„Rombergs Glocke“Andreas Rombergs Das Lied von der Glocke op. 25 wurde im vierten Winterkonzert am 10. Januar 1812 gegeben; vgl. 1812-V-21 (Teil 3).
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„Himmels Vaterunser , … auf Friedrich Wilhelm“Friedrich Heinrich Himmels Vaterunser wurde im zweiten Konzert am 13. Dezember 1811 gegeben, seine Trauer-Cantate auf den Tod von Friedrich Wilhelm II. von Preußen am 15. November 1811 im ersten; vgl. 1811-V-92 bzw. 1811-V-79 und 1812-V-21 (Teil 1 und 2).
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„Beethovens Sinfonien aus … und B dur“Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 wurde im dritten Konzert am 25. Dezember 1811 gegeben, seine Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 am 15. November 1811 im ersten; vgl. 1811-V-79 bzw. 1811-V-96 und 1812-V-21.
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„die von Eberl aus D dur“Anton Eberls Sinfonie Nr. 2 d-Moll wurde im vierten Konzert am 10. Januar 1812 gegeben; vgl. den Konzertzettel.
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„Haydn’s Jahreszeiten“Joseph Haydns Jahreszeiten wurden am 31. Dezember 1811 im Mannheimer Museum aufgeführt; vgl. Anhang 3.
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„Carl Maria von … bei Simmrock )“C. M. v. Webers Der erste Ton (JV 58), Text von Friedrich Rochlitz, wurde am 30. November 1811 im Mannheimer Museum wiederholt; vgl. 1811-V-87 (Teil 1). Die bei Simrock erschienenen Drucke (Klavierauszug und Orchesterstimmen) waren angezeigt in: AMZ, Jg. 13 (1811), Intelligenzblatt 10. Es handelt sich um folgende Drucke: Der Erste Ton | GEDICHT VON ROCHLITZ, | mit | Musik zur Declamation | von | Carl Maria von Weber. | Clavierauszug. | Preis 3 Francs. | BONN bei N. Simrock. | Proprieté de l’Editeur. Deposée à la Bibliothèque Imperiale. [PN 779] und: Orchester-Stimmen | zum | Ersten Ton, | GEDICHT VON ROCHLITZ; | mit Musik zur Declamation, | Componirt und seinem Freund | Franz Danzi | aus Achtung und Lieb, zu geeignet von | CARL MARIA VON WEBER. | Preis 9 Francs. | BONN bei N. Simrock. | Proprieté l’Editeur. Deposée à la Bibliothèque Imperiale. [PN 791].
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„mehrere öffentliche Blätter“Vgl. die Berichte von G. Weber im Badischen Magazin (1811-V-87 Teil 1), von C. M. v. Weber im Morgenblatt (1811-V-20), von August Harder in: Der Freimüthige oder Unterhaltungsblatt für gebildete unbefangene Leser, Jg. 9, Nr. 20 (28. Januar 1812), S. 80, sowie Berichte im Journal des Luxus und der Moden, Jg. 26, Nr. 6 (Juni 1811), S. 368, und in der Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 13 (18. Januar 1812), Sp. 102.
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„allg. musik. Zeitung“Vgl. die Berichte in der AMZ von G. Weber (1810-V-06), von Gänsbacher (1812-V-02) und Jg. 14, Nr. 5 (29. Januar 1812), Sp. 77–80 von Friedrich Rochlitz. Bereits in Jg. 10, Nr. 35 (25. Mai 1808), Sp. 556–557 hatte Franz Danzi auf das Werk hingewiesen.
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„Cherubini’s berühmte dreistimmige Messe“Wann Luigi Cherubinis Messe F-Dur für drei Stimmen in Mannheim aufgeführt wurde, war nicht zu ermitteln.
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„eine vom Regensburger … und Musikdirektor Walter“Welche der sechs Messen von Ignaz Walter in Mannheim aufgeführt wurde, war nicht zu ermitteln.