Aufführungsbesprechung Leipzig, Gewandhaus: Konzert von Heinrich Joseph Baermann und Carl Maria von Weber am 14. Januar 1812
Aus Leipzig.
Eine ausgezeichnete Erwähnung verdient das Concert der Herren Carl Maria v. Weber und Heinrich Bärmann, das sie am 14. Januar im Saale des hiesigen Gewandhauses gaben, und das allen Freunden der Musik einen wahrhaft entzückenden Genuß gewährte. – Fast alles, was wir in diesem Concert hörten, war von Herrn v. Webers eigener Composition, in welcher durchgängig ein origineller und genialer Geist wehte, und wo sich der eben so fein denkende als tief empfindende Componist auf eine für Kenner und Liebhaber gleich erfreuliche und anziehende Weise aussprach. Unverkennbar ist Herr v. Weber einer der wenigen neuern Componisten, die mit eben soviel Talent als Einsicht eine eigene Bahn sich brechen, und in deren Arbeiten man bei der Originalität doch auch zugleich die Gesetze des Wahren und Schönen so trefflich beobachtet findet, daß man sich gern gesteht: nur dies ist der einzig richtige Weg, um zur hohen Stufe eines classischen Componisten zu gelangen.
¦Aber auch Herr Bärmann ist einer der ausgezeichnetesten Künstler. Sein wunderschöner Ton, mit dem er, bei einem höchst ausdrucksvollen Vortrage, sich aller Herzen zu bemeistern weiß, seine große Fertigkeit, Sicherheit und Gewandheit, und vor allem der Geist, mit dem er die vorzutragende Composition in ihrem eigenthümlichen Charakter aufzufassen und darzustellen weiß, sichert ihm einen der ersten Plätze unter den bedeutendsten Virtuosen, und gewiß wird ihn niemand hören, ohne durch sein herrliches Spiel bezaubert zu werden.
Die Anordnung des Concerts war folgende: Eine Ouvertüre von Herrn v. Weber zu der Oper: Der Beherrscher der Geister, machte auf eine eben so imposante als würdige Weise den Anfang. Ein Stück von schauerlich ergreifender Wirkung. Hierauf folgte eine Scene und Arie aus Armida von Righini, die von Demoiselle Henriette Schicht sehr brav vorgetragen wurde. Das nun folgende Clarinetten-Concert, wieder von Herrn v. Webers Composition, bildete ein schönes Ganzes, und obwohl abweichend von der gewöhnlichen Form, herrschte doch in dieser Composition ein so treffliches Verhältniß, daß man deutlich sah, die Originalität dieses Componisten sei nicht, wie die gewöhnliche der Neuern, eine blos mühsam herausgekünstelte, die dann so leicht eine gänzlich verschrobene wird, sondern eine wahrhaft geniale. Herr Bärmann spielte dieses herrliche Concert mit einem hinreißend schönen Vortrage, und leicht erkannte man in ihm den denkenden und gefühlvollen Künstler, der seinen wahrhaft entzückenden Ton und große Fertigkeit blos zu würdigen Zwecken anwendet, und lieber ein schönes Ganzes geben, als in gewöhnlichen Virtuosen-Sprüngen und Schwierigkeiten auf Momente schimmern will. Der herzlichste und allgemeinste Beifall wird ihn dafür aber auch überall, so wie hier, belohnen.
Das Pianoforte-Concert, von Hrn. v. Weber componirt und gespielt, war ebenfalls eine vortreffliche Composition, die, durch einen meisterhaften Vortrag belebt, einen herrlichen Genuß gewährte. Vorzüglich ansprechend waren das schöne einfache und gesangreiche Adagio, und der letzte Satz mit seiner herrlichen Gradation. Und so war auch die Musik zu dem ersten Ton – einem Gedicht von Friedrich Rochlitz – voll großer und überraschender Schönheiten, und vorzüglich riß die feurige, meisterhafte Fuge mit einem unwiderstehlichen Feuer alles mit sich fort, und beschloß auf eine würdige Art dieses genußreiche Concert.
Beide treffliche Männer setzten von hier ihre Reise weiter fort. Möge doch ja kein Freund des wahren Schönen es versäumen, diese würdigen Künstler zu hören, wenn er Gelegenheit dazu hat: Ref. ist gewiß, sich den Dank eines jeden zu verdienen, den er auf diesen herrlichen Genuß aufmerksam gemacht hat.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Leipzig, Gewandhaus: Konzert von Heinrich Joseph Baermann und Carl Maria von Weber am 14. Januar 1812, darin u. a. 2. Konzert für Klarinette Es-Dur (WeV N.13), Ouvertüre zum „Beherrscher der Geister“ (WeV M.5), 1. Klavierkonzert (WeV N.9), Kantate „Der erste Ton“ (WeV B.2)
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Der Freimüthige oder Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser, Jg. 9, Nr. 20 (28. Januar 1812), Sp. 80