Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Prag (oder Brunnersdorf)
Darmstadt, Sonntag, 13. Januar 1811

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S: Wohlgebohren

dem Herrn Johann Gänsbacher,

Compositeur

zu erfragen bey S: Exellenz dem H:

Grafen von Firmian

zu

Prag.

oder Brunnersdorf. in

Böhmen.

Bester Bruder!

Deinen lieben Brief vom 12 Xb vorigen Jahres habe ich d: 7t Januar hier in Darmstadt von Beer richtig erhalten. und hoffentlich wirst du unterdeßen auch meinen Brief mit der wichtigen Innlage von Mannheim aus vom 7t Xb erhalten haben, Giusto und ich warten sehnlichst auf Antwort* darauf. dem guten Salzburg geht es auch schlimm*, alles nimmt ab, und deine Beschreibung* hat mich ganz wieder in meine JugendZeiten* zurük geführt hätte ich doch jezt da an deiner Seite wandeln können, und dir so manches Lieblings Pläzchen zeigen dürfen. wegen meiner Silvana willst du mit Liebich sprechen?* das wird mir sehr lieb sein, du darfst nur deshalb an Geh: Sekretär Hiemer in Stuttgart schreiben, der hat die Spedition der Oper über sich, es ist ein Dichter, und wird sich sehr freuen was von dir zu hören, denn er kennt dich schon durch meine Briefe, ich werde ihm auch vorläufig davon schreiben*. daß keine Zeitschrift in Oestreich* ist, die in welcher du wirken könntest, ist freylich in einer Hinsicht unangenehm, aber in andrer doch wieder nicht, da dann unser Ruf von Außen hinein komt, zeige mir nur sogleich an welche Blätter am gelesensten in Wien und Prag sind.      Gott gebe daß deine Oper bald gegeben wird und vom Publikum so aufgenommen wird als sie es verdient*, meine herzlichsten Wünsche begleiten sie.      was du mir über die Vestalin schriebst habe ich als Notiz in die Elegante Zeitung geschikt*. du must dich aber direct mit dem Morgenblatt und der Eleganten Zeitung in Verbindung sezzen*, die übrigen Dinge, von dir z: B: schikst du an den Central Punkt* wo es weiter besorgt wird.      nun habe ich deinen Brief beantwortet nun referire ich wieder meine LebensGeschichte. d: 7t Xb habe ich dir geschrieben, d: 8t Componirte ich ein herrliches Abschiedslied was Dusch für mich gedichtet hatte, was ganz vortrefflich, und mir aus der Seele geschrieben ist. die Gräfin Benzel /: die Gattin des bekannten Verfaßer des goldenen Kalbes :/* eine herrliche Frau überredete mich nach Carlsruhe zu gehen, weil dort die Königin von Bayern sich jezt befände, ich faßte kurzen Entschluß*, wurde mit Briefen beladen*, und d: 12t dahin ab. ich wurde mit großer Auszeichnung da empfangen, fand aber beynah keinen Tag um ein Concert geben zu können, weil eben wegen Anwesenheit der Königin täglich etwas los war*. bey der Königin spielte ich auch nicht, Sie ließ mir aber sagen* Sie freue sich, mich in München zu hören, daß war mir denn sehr lieb, und endlich trat mir das Museum einen Ball-Tag ab, so daß ich den 21t mein Concert zu Stande brachte*, was recht gut ausfiel, und ich mit Beyfall überschüttet wurde. d: 23t gieng ich zurük nach Mannheim, und wurde da so bombardirt noch ein Concert zu geben, daß ich [mich] endlich dazu entschloß, ich bat die Musiker und ihre Mitwirkung, alle versprachen es, und ich kündigte nun mein Concert an, hatte eine herrliche Subscription und aller Anschein zu einer guten Einnahme war vorhanden, als auf einmal das Orchester sich anderst besann /: auf Kabalen des H: Ritters :/ und mir schrifftlich erklärte, so lange Ihre Concerte dauerten, hätten sie ein Gesez welches Ihnen verböte einen Fremden Künstler zu unterstüzzen. ich nicht faul, ließ daß in die Zeitung sezzen* auf eine freie Art, daß die Herrn ihr Wort zurük genommen h[ätten], welches viel Aufsehen, machte, aber was half es mich, ich war um eine schöne Einnahme geprellt. |

ein paar Tage darauf kommen die H: Kreuzer und Leppich mit Ihrem Panmelodion* und siehe da, die geben Concert*, daß ich dazu nicht still schweigen werde*, kannst du denken, und da giebts es vielleicht eine kleine Fehde. d: 31t spielte ich noch im Museum*, und d: 6t Januar reißte ich wieder ab nach Darmstadt, nachdem mich mein Abschied in Mannheim sehr geschmerzt hatte. Täglich haben wir von dir gesprochen, schreibe doch auch an Giusto. hier habe ich nun meinen Abu Haßan ganz vollendet*, und will ihn Morgen dem Großherzog überreichen*, den ich ihm dedicire, dann will [ich] noch Concert geben*, und dann fort in alle Welt. Papa will mich zwar nicht gerne gehen laßen*, aber ich kann meine schönste Zeit nicht so verträumen. er componirt auch an einer kleinen Oper*, einem elenden Sujet das ihm der Großherzog gegeben hat. und wird glab glaube in ein paar Tagen fertig. er, grüßt dich herzlichst. die Choräle* sind endlich angekommen, und recht schön gestochen. ich habe auch zugleich erhalten was von dir bey Kühnel erschienen ist*, und es bereits zur Rezension vertheilt*.

lebe wohl, innig dein treuster Freund. Melos. antworte bald und schik die Briefe an Giusto.

Apparat

Zusammenfassung

verweist Gänsbacher wegen Silvana an Hiemer; bittet ihn mitzuteilen, welches die gelesensten Blätter in Wien sind; hat G.’s Spontini-Artikel an die Elegante Zeitung geschickt; berichtet über eigene Tätigkeit zwischen 8. Dez. / 13. Jan. (Reise nach Karlsruhe; Konzert ebd.; Schwierigkeiten mit Konzert in Mannheim; Vollendung Abu Hassan; Voglers neue Oper)

Incipit

Deinen lieben Brief vom 12 Xb vorigen Jahres habe ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (D), Gesellschaft der Musikfreunde, Archiv (A-Wgm)
    Signatur: Weber an Gänsbacher 7

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: R. 1. DARMSTADT.
    • am linken unteren Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändig von C. Maria v. Weber.(Melos der Pseudo-Name Weber’s.)“
    • neben der Adresse Postzusatz: „frei Gr[en]z[e]

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl (Musiker-Briefe) 1867, S. 192–194 (Nr. 7)

Textkonstitution

  • „das“über der Zeile hinzugefügt
  • d„s“ überschrieben mit „d
  • „die“überschrieben
  • „und Pragüber der Zeile hinzugefügt
  • s„S“ überschrieben mit „s
  • s„ß“ überschrieben mit „s
  • „glab“durchgestrichen
  • „… d: 13 t Januar 1811.“Datum von Weber seitenverkehrt in der linken oberen Ecke von Bl. 1v notiert (im Schreibvorgang mit der ebenfalls in umgekehrter Schreibrichtung in der unteren Blatthälfte notierten Adresse)

Einzelstellenerläuterung

  • „warten sehnlichst auf Antwort“Die Antwort blieb zunächst aus. Am 9. Februar verfassten die Vereinsbrüder Gottfried Weber, Meyerbeer, Alexander von Dusch und Carl Maria von Weber daher ein dringendes Mahnschreiben in Form eines gemeinsamen Circulars, vgl. Brief an Gänsbacher. Erst im Circular Brief an Johann Gänsbacher vom 27. Februar 1811 bedankt sich Carl Maria für Gänsbachers Antwort, die er laut Tagebuch am 24. Februar erhalten hatte.
  • „… Salzburg geht es auch schlimm“Das bis 1805 selbständige Erzbistum (bzw. ab 1803 Kurfürstentum) Salzburg ging zunächst an Österreich, dann 1810 an Bayern. Die Stadt hatte damit nicht nur an Bedeutung verloren, sondern war auch mehrfach (1800, 1805, 1809) von napoleonischen Truppen geplündert worden.
  • „deine Beschreibung“Laut Brief an Johann Gänsbacher vom 7. Dezember 1810 hatte Weber einen Brief Gänsbachers vom 17. Oktober 1810 von Salzburg aus erhalten, wo am 1. November eine Messe Gänsbachers aufgeführt wurde. In den Denkwürdigkeiten ist diese Reise nicht erwähnt.
  • „meine JugendZeiten“Weber hatte sich in den Jahren 1794/95, 1797/98 sowie 1801/02 in Salzburg aufgehalten.
  • „wegen meiner Silvana … mit Liebich sprechen?“Im Dezember 1811 verhandelte Weber bei seinem Besuch in Prag dann selbst mit dem Intendanten des Theaters Johann Karl Liebich, und verkaufte ihm neben der Silvana auch den Abu Hassan (vgl. Tagebuch 7., 9., 21. und 22. Dezember 1811); vgl. hierzu auch Brief an Johann Gänsbacher vom 31. Dezember 1811.
  • „vorläufig davon schreiben“Webers nächster Brief an Hiemer ist im Tagebuch am 30. Januar 1811 verzeichnet; Briefe Webers an Hiemer sind nicht erhalten.
  • „keine Zeitschrift in Oestreich“Vgl. Brief an Seraphine von Bloksberg vom 8. Januar 1811.
  • „deine Oper bald … ie es verdient“Zu einer Aufführung in Wien kam es nicht, vgl. den Kommentar zum Brief an Johann Gänsbacher vom 9. Oktober 1810.
  • „Notiz in die Elegante Zeitung geschikt“Vgl. auch den Brief an Gottfried Weber vom 8. Januar 1811.
  • „Morgenblatt und der … in Verbindung sezzen“Morgenblatt für gebildete Stände, hg. von Johann Friedrich Cotta in Tübingen bzw. Zeitung für die elegante Welt, hg. von August Mahlmann in Leipzig.
  • „Central Punkt“Laut Satzung des Harmonischen Vereins § 3 bei Gottfried Weber in Mannheim (vgl. Brief an Gänsbacher vom 7. Dezember 1810).
  • „Verfaßer des goldenen Kalbes :/“Ernst Christian Graf von Benzel-Sternau, Das goldene Kalb. Eine Biographie, Gotha 1802–1804.
  • „… befände, ich faßte kurzen Entschluß“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 10. und 11. Dezember 1810.
  • „mit Briefen beladen“Die Empfehlungsbriefe nach Karlsruhe waren nicht nachzuweisen.
  • „täglich etwas los war“Vorbereitet wurden die Aufführungen von Ferdinando Paërs Achilles (dramma erioco in 2 Akten, Aufführung am 18. Dezember) und Joseph Weigls Oper in 3 Akten Die Schweizer Familie (vgl. Tagebuch 14. Dezember), am 14. Dezember war ein Konzert im Museum (vgl. auch Tagebuch).
  • „Sie ließ mir aber sagen“Vgl. Tagebuch 15.–17. Dezember 1810.
  • „den 21 t … zu Stande brachte“Zu Webers Konzert in Karlsruhe am 21. Dezember 1810, bei dem u. a. die Ouvertüre zu Silvana erklang, vgl. Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 11 (12. Januar 1811), S. 44 (s. Korrespondenz-Nachrichten aus Karlsruhe).
  • undrecte „um“.
  • „ließ daß in die Zeitung sezzen“Vgl. Tagebuch 28. Dezember 1810 und Anzeige in der Schreibtafel von Mannheim.
  • „Panmelodion“In der AmZ, Jg. 12, Nr. 31 (2. Mai 1810), Sp. 487–489 wird erstmals auf das von Franz Leppich gebaute „Panmelodicon“ hingewiesen. Der Rezensent schreibt: „Dieses Instrument, welches aus einer metallnen, durch ein Schwungrad gedrehten, kegelförmig zulaufenden Walze besteht, womit metallene, in einem rechten Winkel gebogene Stäbe, mittelst leiser Behandlung der Tastatur in Berührung gebracht werden, lässt an Zartheit, Lieblichkeit und Reinheit der Töne alle dergleichen bis jetzt uns bekannte Instrumente zurück. Man kann den Ton bis zu namhafter Stärke anwachsen und nach Belieben abnehmen lassen. Ohne etwas an dem Instrumente zu verändern, hängt es von der Willkühr des Spielenden ab, die Orgel, die Harmonica, die Clarinette, den Fagott, und das Waldhorn nachzuahmen. [...] Es hat fünf volle Octaven, von C der grossen Octav, bis viermal gestrichen C.“ Der Rezensent vermutet weiter, daß das Instrument mit der von Rieffelsen erfundenen „Melodica“ identisch sei. Vgl. auch J. F. Bleyer, Panmelodicon des Herrn Leppich aus Wien, in: AmZ, Jg. 13, Nr. 8 (20. Februar 1811), Sp. 142–145 (mit Abbildung in Beylage Nr. 8), die Berichtigung von L. S. D. Mutzenbecher in: AmZ, Jg. 13, Nr. 16 (17. April 1811), Sp. 278–280 sowie den Aufsatz von Gottfried Weber in: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 6 (6. März 1811) S. 11–12 und Nr. 7 (7. März), S. 25–26 (s. Gottfried Weber: Leppichs Panmelodicon). Curt Sachs (Real-Lexikon der Musikinstrumente, Berlin 1913, S. 289) klassifiziert das Panmelodikon als Reibidiophon.
  • „… siehe da, die geben Concert“Das Konzert von Leppich und Kreutzer fand am 7. Januar 1811 statt; vgl. Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim, 3. März 1811 und Brief an Gottfried Weber vom 8. Januar 1811. Weber besichtigte das Panmelodikon noch kurz vor seiner Abreise am 5. Januar lt. Tagebuch.
  • „nicht still schweigen werde“Vgl. Städtecharakteristik: Mannheim.
  • „d: 31 t … noch im Museum“Weber spielte zusammen mit Alexander von Dusch Cello-Variationen von Anton Eberl. Im selben Konzert erklang ein 12stimger Chor Webers (vermutlich der Geisterchor aus seinem Rübezahl; vgl. Tagebuch 31. Dezember 1810).
  • „Abu Haßan ganz vollendet“Laut Tagebuch am 12. Januar 1811 vollendet (mit der Ouvertüre).
  • „Morgen dem Großherzog überreichen“Weber übersandte Ludewig I. von Hessen-Darmstadt die Partitur zusammen mit einem Widmungsschreiben; vgl. auch Tagebuch 14. Januar 1811.
  • „Concert geben“Webers Konzert in Darmstadt fand erst am 6. Februar statt, vgl. Anzeige über ein Konzert von C. M. v. Weber in Darmstadt (Februar 1811), Brief an Gottfried Weber vom 30. Januar 1811 und Brief an Johann Gänsbacher vom 27. Februar 1811.
  • „Papa will mich … gerne gehen laßen“Georg Joseph Vogler versuchte, seine Schüler für seine Orgelbaupläne einzusetzen. Nachdem ihm dies mit Gänsbacher misslungen war, hoffte er offensichtlich Weber und später Meyerbeer dafür gewinnen zu können; vgl. Denkwürdigkeiten, S. 31–32 und 39, Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 117.
  • „kleinen Oper“Am 1. Januar hatte Vogler Ludewig mitgeteilt, dass die Musik zur Operette: der Admiral fertig sei und die Partitur in etwa 14 Tagen vorliege. Weber besorgte den Klavierauszug dieses Werkes, vgl. Brief an Ludewig I. vom 14. Januar 1811.
  • „die Choräle“Die von Kühnel hg. Bach-Choräle in Voglers Umarbeitung mit Webers Zergliederung, vgl. Brief an Ambrosius Kühnel vom 9. Januar 1811.
  • „was von dir … Kühnel erschienen ist“Vgl. den Kommentar zum Brief an Ambrosius Kühnel vom 28. November 1810.
  • „zur Rezension vertheilt“Vgl. Brief an Seraphine von Bloksberg vom 8. Januar 1811, dort ist eine geplante Rezension von Dusch genannt. Weber selbst veröffentlichte in der AmZ eine kurze Anzeige über die Variationen op. 9. Meyerbeer besprach im Morgenblatt die Sechs Lieder mit Begleitung der Guitarre.

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