Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Prag
Leipzig, Dienstag, 31. Dezember 1811
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- 1812-01-06: von Gänsbacher
S: Wohlgebohren
Herrn Johann Gänsbacher
berühmten Compositeur
in
Prag.
Abzugeben im
Hause, bey S: Exellenz
H: Graf von Firmian.
Sey nicht böse daß ich dir noch nicht geschrieben habe, aber es war beynah unmöglich einen Augenblik Zeit zu finden, und 2tens wollte ich dir auch gerne etwas bestimmtes schreiben. d: 24t kamen wir über höchst elende Wege, und vom Sturm halb umgebracht in Dresden an. ich suchte vor allem Mieksch* auf, und erfuhr daß der Hof erst d: 5t Januar zurükkömt*, und dann natürlich auch die ersten Tage nicht gleich etwas zu machen ist. Wir entschloßen uns also schnell diese Zeit zu benuzzen und unterdeßen Leipzig Gotha und Weimar zu schlachten. Wir gaben daher nur den Brief an Abbe O’Kelly von Wrtby, und den vom Graf Morzin* ab, und reisten d: 26t nach Leipzig ab wo wir d: 27t früh anlangten. daß wir nun diese paar Tage nicht zu Athem kommen konnten ehe alle unsre Briefe an die langweiligen Nullenkrämer* abgegeben waren, kannst du denken, nun ist unser Concert auf d: 14t hier bestimmt*, da der Teufel noch so einen Klavierhund, einen jungen Buben aus Braunschweig, Mühlenfeldt herbey geführt hat der den 7t sein Concert herunterreißt*. Mit Kühnel habe ich gesprochen, er grüßt dich und will nachsehen wohin die Exempl: geschikt worden wären*, denn er glaubt sie an dich abgesendtet zu haben. besonders freute er sich von Unserm Freunde Dr: Jung etwas zu hören, dem ich bitte nebst Unsern herzlichsten Empfehlungen beyliegende Zeilen zu geben. Kühnel hat einiges von mir zum Verlegen verlangt, vielleicht sticht er die zarte Overture aus D moll*. Ans Centrum* habe ich heute geschrieben und von dir berichtet, auch deines Requiems erwähnt. auch hier habe ich schon Kabale gegen dich gemacht, und schlecht von dir gesprochen. mache nur vor allem daß ich die Partitur der Silvana und die Textbücher der beyden Opern schnell abgeschrieben bekomme*. bis d: 16 bleiben wir hier da kannst du mir noch hieher antworten. ich logire bey Herrn Küstner im Hotel de Baviere. Wie sehr der Aufenthalt in dem ledernen Leipzig gegen unser liebes gastfreies und herzliches Prag absticht, kannst du dir denken, und stündlich denken wir an euch zurük. Mein Trost ist daß mir hier Zeit genug bleiben wird, rükständige Briefe und Aufsäzze zu schreiben. Hast du die Aufsäze Spedirt? schikke mir doch die Prager Zeitung 3 mal wo was über unser Concert steht*. An alle Bekannte unsre besten Grüße, besonders aber empfiel uns dem Andenken deines vortrefflichen Hauses, deßen freundschaftliche Aufnahme wir nie vergeßen werden, und von dem ich nun recht gut deine feste Anhänglichkeit an dasßelbe zu begreiffen weis. alles Schöne auch an Liebich, Graf Pachta, Clams pppppppp:
Leb wohl und schreibe bald und oft. von hier gehts nach Gotha. Post restant und dann Weimar. Vale et me amas. Ewig dein Weber. |
Apparat
Zusammenfassung
über seine Konzertreise mit Baermann nach Leipzig; Kontakt mit Kühnel; Vereinsangelegenheiten
Incipit
„Sey nicht böse daß ich dir noch nicht geschrieben habe“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Archiv (A-Wgm)
Signatur: Weber an Gänsbacher 13 u. 14Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- am rechten Rand der Adressenseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändig von Carl Maria v. Weber.“
- Beilage (= Nr. 14), 1 Bl. (1 b. S.): Scherzkanon
- am unteren Rand der Beilage Bemerkung von F. W. Jähns (Tinte): „Zum Briefe an Gänsbacher vom 31. Dez. 1811“ sowie „Ganz eigenhändig von C. Maria v. Weber.“
- am linken Rand der Versoseite der Beilage von der Hand Gänsbachers: „beantwortt d 6t Jänner | 12.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Nohl 1867, S. 209–210
-
MMW I, S. 316–318 (mit wenigen Auslassungen)
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„… “Nachschrift auf beiliegendem Blatt:
Einzelstellenerläuterung
-
„Mieksch“Vgl. Tagebuch 25. Dezember.
-
„… d: 5 t Januar zurükkömt“Das sächsische Königspaar war mit Prinzessin Augusta am 16. September 1811 nach Warschau abgereist, „um alldort dem abzuhaltenden Reichstage beyzuwohnen“, und kehrte am 4. Januar 1812 nach Dresden zurück; vgl. die Dresdner Hoftagebücher (Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10006 Oberhofmarschallamt O 04, Nr. 208 von 1811 und Nr. 209 von 1812).
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„den 7 t sein Concert herunterreißt“Vgl. Tagebuch 7. Januar 1812 und die Konzertanzeige in der Leipziger Zeitung, Nr. 2 (2. Januar 1812), S. 24.
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„die Exempl: geschikt worden wären“Gänsbacher hatte mehrere Werke bei Kühnel veröffentlicht, vgl. Denkwürdigkeiten, S. 27 bzw. S. 32.
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„… D moll . Ans Centrum“Gemeint ist Gottfried Weber in Mannheim; vgl. Themenkommentar zum Harmonischen VereinT.
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„Partitur der Silvana … schnell abgeschrieben bekomme“Weber hatte dem Prager Theaterdirektor Johann Karl Liebich laut Tagebuch am 9. Dezember 1811 die Textbücher seiner beiden Opern Silvana und Abu Hassan übergeben, wurde mit ihm am 21. Dezember handelseinig und erhielt einen Tag später für beide Werke 1500 fl. Offensichtlich sollten von diesen Exemplaren Abschriften angefertigt werden, damit Weber die Werke erneut anbieten konnte. Laut Tagebuch erhielt Weber am 10. Januar 1812 in Leipzig durch Gänsbacher Buch und Musik zu Abu Hassan, am 1. April 1812 in Berlin Partitur und Buch zu Silvana.
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„Prager Zeitung 3 … unser Concert steht“Vgl. Kaiserliche Königliche privilegirte Prager Oberpostamtszeitung, Jg. 1811, Nr. 153 (23. Dezember 1811), S. 607 sowie die weiteren Aufführungsbesprechungen.