Carl Maria von Weber und Giacomo Meyerbeer an Gottfried Weber in Mannheim
Darmstadt, Mittwoch, 30. Januar 1811
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Lieber Bruder!
Hiebey 2 Aufsäze*, wovon ich mir über den einen eine offene Meinung ausbitte. findest du ihn gut so laß alle 2 abschreiben und ad acta legen, und schikke mir sie aber gleich wieder. künftigen Mittwoch d: 6t Februar ist endlich mein Concert bestimmt*. der Grosherzog kömmt hinein nebst seiner Gemahel, daher ich hoffe daß es gut wird. die Schönberger singt darinn mit der Tochter vom KonzertMstr Mangold die ebenfalls eine herrliche Altstimme hat ein Duett, welches ich componirt habe, in einem so verflucht italienischen Styl, daß man glauben sollte es wäre von Cimadora, oder Farinelli pp es gefällt aber höllisch. der Haßan ist ganz fertig und heute nach Stuttgart versandt worden*, vielleicht wird er auch hier gegeben*. Warum schreibst du denn gar nicht du fauler Hund?, Papa Vogler hat eine kleine Oper* componirt ein Hundsschlechter Text, der ihm aber vom Großherzog geschikt wurde, nun er die Musik fertig, und überreicht hatte, überhäuft man ihn mit Lobsprüchen, bedauerte aber — — wie er einen so schlechten Text hätte wählen können. — che tené wu dé cé?* ist das nicht um des Teufels zu werden? doch hat dieses die gute Folge, daß jezt der Samori gegeben wird*. da mußt du herüber reisen*. Wenn du oder Dusch doch zu meinem Concert* kommen könntest. welche Freude wäre mir das. Was macht die liebe Frau Baas? und’s Biwele, und die Hute? schreibe mir doch ausführlich wie es bey euch | aussieht. ein paar Tage nach meinem Concert krazze ich ab in die weite Welt, es thut Noth daß ich einmal aus diesem Magischen Kreise herauskomme. vergiß nicht auf den ersten Ton*. der Beer will auch noch was krazzen darum laß ich Plaz.
Glaubst Du etwa daß ich wieder so ein Narr sein werde, dir zu schreiben, damit du mich unter Melos Brief wieder äffen kannst und schreiben, an Philodikaios schreibe ich morgen ausführlich, welcher Morgen aber niemals erscheint? Nein mein Herr einmal hat man mich wohl zum besten, aber dann hat es auch ein Ende. Ich schreibe Dir also auch nur heute um Dir zu schreiben daß ich Dir nicht mehr schreibe. Im Ernste aber laß wieder einmal ein vernünftiges Wort von Dir hören. Von mir ist nichts neues zu erzählen, außer daß ich fleißig bin. das bedeutenste was ich seit unserer Trenung gemacht habe ist ein SingeQuartett* und ein Klavierkonzert Das letztere ist bis auf ein paar Paßagen fertig. frag 1 mal den Melos wie es ihm gefällt, der kennt es.
[Nachschrift Webers:] a propos von Papas Oper erwähne gegen Niemand etwas. ich habe auch heute an Solomé geschrieben*. hiebey auch noch eine Rezension von Philodikaios*, auch zurükzuschikken
Apparat
Verfasst von
Zusammenfassung
übersendet 2 Aufsätze zur Begutachtung; am 6. Februar sei sein Konzert in Darmstadt angesetzt; Hassan sei nach Stuttgart gesandt; Voglers neue Oper wegen Text abgelehnt, dadurch Samori auf dem Plan; nach Konzert Abreise geplant; Zusatz von Meyerbeer bittet um Post; hat Quartett und Konzert komponiert
Incipit
„Hiebey 2 Aufsäze, wovon ich mir über den einen eine offene Meinung“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Frederick R. Koch Foundation
Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- auf der ersten Briefseite oben von fremder Hand: „Darmstadt Anfang Februar | 1811“ sowie die Zählung „XIII“
- zusätzliche Unterstreichungen von fremder Hand
Provenienz
- Stargardt Kat. 630 (1983), Nr. 1005
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Bollert/Lemke 1972, S. 22–23 (unter „Anfang Febr. 1811“)
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tV: MMW I, S. 242–243
Einzelstellenerläuterung
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„2 Aufsäze“Laut Tagebuch der Aufsatz über Mannheim und die Rezension der Klaviervariationen von Gänsbacher. Bei der dort ebenfalls erwähnten Rezension der Lieder Gänsbachers handelt es sich wohl um die kurze Anzeige Meyerbeers, die im Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 169 (16. Juli 1811), S. 676 ungezeichnet erschien; vgl. auch Webers Nachschrift bzw. Brief an Gänsbacher vom 27. Februar 1811.
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„endlich mein Concert bestimmt“Weber hatte schon im Brief an Gottfried Weber vom 21. August 1810 und vom 1. November 1810 von seinen Darmstädter Konzertplänen gesprochen, die erst am 6. Februar 1811 verwirklicht werden konnten; vgl. Anzeige über ein Konzert von C. M. v. Weber in Darmstadt (Februar 1811). Vgl. dazu auch Brief von Weber an Gänsbacher vom 27. Februar 1811.
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„auch hier gegeben“Obwohl Weber sich hier und im Tagebuch am 24. Januar 1811 optimistisch über die Möglichkeiten einer Aufführung des Abu Hassan äußert, wurde die Oper in Darmstadt erst am 29. Januar 1815 gegeben. Über die Gründe ist nichts bekannt. Vgl. Hermann Knispel, Das Großherzogliche Hoftheater zu Darmstadt von 1810–1890, Darmstadt 1891, Bd. 2, S. 310.
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„eine kleine Oper“Vgl. Brief an Johann Gänsbacher vom 13. Januar 1811.
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„che tené wu dé cé?“Für: que tenez vous de ce.
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„Samori gegeben wird“Voglers heroisch-komische Oper in 2 Akten Samori wurde in Darmstadt erstmals am 30. Juni gegeben. Vgl. den kurzen ungezeichneten Bericht in: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 110 (10. Juli 1811), S. 440, der von Gottfried Weber verfasst wurde (vgl. Brief an Gottfried Weber vom 19. Juli 1811 bzw. Aufführungsbesprechung Darmstadt: „Samori“), sowie den Bericht in: Privilegirte gemeinnützige Unterhaltungs-Blätter (Hamburg), Jg. 6, Nr. 44 (20. Juli 1811), Sp. 351 (Korrespondenz-Nachrichten aus Darmstadt); vgl. Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 606, Anm. 119, 3.
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„mußt du herüber reisen“Gottfried Weber kam tatsächlich zur Aufführung des Samori nach Darmstadt, vgl. Brief an Gänsbacher vom 27. Juni 1811.
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„du oder Dusch … zu meinem Concert“Beide besuchten Weber in Darmstadt vom 6.-10. Februar, vgl. Tagebuch.
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„ersten Ton“Zur Frage einer Rezension von Webers Der erste Ton vgl. Brief an Seraphine von Bloksberg (Gottfried Weber) vom 8. Januar 1811.
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„SingeQuartett“Möglicherweise eines der Geistlichen Lieder von Klopstock, die bei C. F. Peters in Leipzig erschienen.
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„… auch heute an Solomé geschrieben“Fraglich, ob an Clary und/oder Henriette Solomé in Mannheim oder an Anton Solomé, der sich zu diesem Zeitpunkt wohl in München aufhielt.
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„Rezension von Philodikaios“Vermutlich Meyerbeers kurze Rezension der bei Kühnel erschienenen Lieder Gänsbachers.