Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
Gießen, Mittwoch, 20. Februar 1811
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Du siehst daß ich endlich aus diesem ZauberKreise heraus bin, und wahrlich ich fühle mich so verwaist als wie ein MutterSöhnchen das‡ zum erstenmal die liebe Mama verläßt. den 14t machte ich mich schwer von meinem guten alten Vogler los, und gieng nach Frankfurt, wo ich noch Briefe abgab*, und von Bethmann, Mezler pp* so gut aufgenommen wurde, daß ich mich beinah überreden ließ noch ein paar Tage zu bleiben, da aber mein Concert hier auf d: 20t bestimmt war, muste ich doch mich entschließen d: 18t abzureisen. Hier wurde ich überall vortrefflich aufgenommen, aber mein Concert kann erst d: 22t sein*. d: 23t reise ich dann ab nach Würzburg, dahin bitte ich dich mir post restant zu schreiben. du kannst gar nicht glauben mit welcher Sehnsucht ich auf einen Brief von dir warte. ein komischer Streich ist mir hier paßirt, wie ich von dem Polizei Direktor die Erlaubniß haben will, verlangt der Kerl meine Attestate ob ich was könnte, und ob ich einen Paß habe pp kurz examinirt mich wie einen Vagabunden. ich sagte ihm aber so derbe Sachen, daß er zulezt ganz verlegen wurde, und dann gieng ich zu dem General Wittgenstein und bekam von dem die Erlaubniß. der H: geheime Rath von Stein fragte mich angelegentlich nach dir und deinem Flötenspiel[.] er kennt dich noch von Wezlar aus*. ich hätte ihm freylich sagen können daß du die Flöte noch mit großer Vollkommenheit tractirst, wie du mir erst kürzlich in rührenden Tönen, auf dem Zaminer seiner Flöte bewiesen, aber ich that es nicht, sondern begnügte mich dich generaliter zu loben. Wie lange ist denn Beer bei Euch geblieben?*, nicht wahr der kam schnell? in Wien komt eine sehr schöne TheaterZeitung heraus, Sie heißt. Thalia*, ein Abendblatt, den Freunden der dramatischen Muse geweiht. – es giebt Sie ein gewißer Castelli heraus, der auch schon mehrere Stükke geschrieben hat, Wohlbrük gab mir seine Adreße, hier ist sie zu beliebigem Gebrauch. Ignace de Castelli Officier de compte. abzugeben im Landhaus in der Ständischen Buchhaltung in Wien. ich werde ihm diese Tage schreiben*. soll ich eurer erwähnen oder nicht? deinen Aufsaz über das Recitativ habe ich in der Musik: Z: gelesen, du siehst also daß man wieder loß gehen kann*. ist denn noch nichts von Gänsbacher gekommen?* nun schreibe mir nur erst viel, und aus|führlich, was die Frau Baas macht, unds Biwele, und Houths, und Dusch, und Solomé p p p p p. von mir bekomst von jeder Station einen rechtschaffen referirenden Brief. — ich glaube nicht daß bey meinem hiesigen Concert was zu hohlen sein wird, denke dir das höchste Entrée ist 36 xr dabey wird man nicht fett. item wenn ich nur keinen Schaden dabey habe*.
nun lebe wohl lieber Bruder ich umarme dich in Gedanken 1000mal. ewig dein treuster Weber.
Apparat
Zusammenfassung
erster Bericht nach Abreise von Darmstadt; Reise über Frankfurt/Main, Gießen (Konzert); erwähnt Passkontrolle, Aktivitäten des Vereins, Gottfrieds Aufsatz über das Rezitativ
Incipit
„Du siehst daß ich endlich aus diesem ZauberKreise heraus bin“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Frederick R. Koch Foundation
Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- am oberen rechten Rand der Rectoseite von der Hand Gottfried Webers: „beantw. 2t Mz 1811“
- auf der Briefseite oben von fremder Hand die Zählung „XIV“
Provenienz
- Stargardt Kat. 630 (1983), Nr. 1005
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Bollert/Lemke 1972, S. 23–24
-
tV: MMW I, S. 246–247
Textkonstitution
-
„s“„ß“ überschrieben mit „s“
Einzelstellenerläuterung
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„Briefe abgab“Diese Empfehlungsbriefe für Weber sind nicht erhalten.
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„Concert kann erst … 22 t sein“Zu den Organisationsschwierigkeiten, die die Verschiebung bewirkten, vgl. weiter unten. Das Programm des Konzerts am 22. Februar 1811 ist abgbeildet bei M. S. Viertel, Weber im Konzertsaal, in: Carl Maria von Weber. Werk und Wirkung im 19. Jahrhundert. Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel 1986, Kiel 1986,S. 37.
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„von Wezlar aus“Gottfried Weber war von November 1801 bis zum 1. April 1802 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar, vgl. Philipp Weber, Unsere Familie, S. 27.
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„Thalia“„Thalia | Ein Abendblatt; | Den Freunden der dramatischen Muse geweiht. | Herausgegeben | von | I. F. Castelli. | 2ter Band | 1811. | Wien und Triest in der Geistringer’schen Buchhandlung.“ Castelli gab die seit 4. Juli 1810 erscheinende Zeitschrift jedoch nach Nr. 78 des 2. Jahrgangs (28. September 1811) ab. Die Redaktion übernahm ab Dezember 1811 Joseph Ritter von Seyfried.
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„ihm diese Tage schreiben“Ein Brief an Castelli ist zwar 1811 im Tagebuch nicht verzeichnet, eine kurze, nicht signierte Anzeige der Frankfurter Silvana-Aufführung in Nr. 28 vom 6. April 1811, S. 112, lässt aber vermuten, dass der Verein schon bald Kontakte zur Redaktion der Thalia knüpfte.
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„daß man wieder loß gehen kann“Diese Bemerkung bezieht sich vermutlich auf das gestörte Verhältnis zwischen Gottfried Weber und der Redaktion der AmZ, vgl. Brief an Gottfried Weber vom 21. August 1810.
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„noch nichts von Gänsbacher gekommen?“Die Brüder warteten dringend auf eine Nachricht wegen der mit dem Brief vom 7. September 1810 versandten Statuten des Harmonischen Vereins, vgl. Gottfried Weber an Johann Gänsbacher Darmstadt, 9. Februar 1811 und Brief an Johann Baptist Gänsbacher vom 27. Februar 1811.