Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
Darmstadt, Dienstag, 21. August 1810

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S: Wohlgebohren

dem Herrn Licentiat

Weber

zu

Mannheim

Liebster Bruder

Kaum bin ich 2 Tage in dem verfluchten Darmstadt, so glaube ich schon eine Ewigkeit da zu hausen, auch verfolgt mich das Mißgeschik wie ich mich hier sehen laße, aus meinem Concert wird wohl nichts*, Vogler sagt, daß jezt alles zu sehr mit dem Theater beschäftigt wäre*, und mit einem Wort, ich merke, daß er nicht die Courage hat, bey Hofe ordentlich anzuklopfen, und so entgeht mir eine beträchtliche Einnahme, die ich jezt sehr gut hätte brauchen können.      Viele Briefe habe ich hier vorgefunden, unter andern von Gänsbacher, der glüklich angelangt ist*, und euch alle 1000 male grüßt; und von der bekannten Hand*, die auch deine Briefe von der Redaktion der Musikal: Zeitung schreibt, worin sie H: Rochliz entschuldigt der gar zu viel zu thun hätte, selbst eine Correspondenz anzuknüpfen, pp und übrigens verflucht höflich und demüthig.       Beer empfiehlt sich dir bestens, und ist mit Feuer eifer für unsern Harmonischen Bund entzündet, dieser Tage werde ich dir die Statuten schikken um deine Meinung und Kritik darüber ergehen zu laßen. Schikke mir doch deine Sonate gleich*, ich habe vergeßen sie mit zu nehmen, Beer will die Recension gleich machen*.      Unser GroßPapa grüßt dich und deine Frau, ich habe ihm den Polimeter gezeicht*, mit der gehörigen Vorrede, und er fand ihn recht schön, und sagte es mit den Worten, recht schön gedacht, ist recht viel Genie darin. — Freuen kannst du dich darüber, aber besauf dich nur nicht. — ich habe noch manches in Mannheim vergeßen z: B: die Wäsche, und eine Wäscherin die noch eine alte Foderung von 1 ƒ 30 xr glaube ich, machte, sey doch so gut beydes zu bezahlen.      Vogler hat das Haus der Frau von Hertling gekauft* und zieht diese Woche hinein. ich gehe dieser Tage auf einen Tag nach Frankfurt um zu sehen wie es da aussieht*.

     an dein liebes Weibchen, an Bruder Dusch und die Houtschen, Hertlingschen pp pp ppp. alles alles mögliche. ewig dein
Weber.

Apparat

Zusammenfassung

teilt mit, dass Konzertplan für Darmstadt gescheitert sei; betrifft die Statuten des Harmonischen Vereins; plant Reise nach Frankfurt

Incipit

Kaum bin ich zwei Tage in dem verfluchten Darmstadt, so glaube ich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub)
    Signatur: Frederick R. Koch Foundation

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: R 1 DARMSTADT
    • Siegelrest
    • om oberen Briefrand Vermerk von Gottfried Weber: „10 aug 21 | beantw. 24. aug. 10“

    Provenienz

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Caecilia Bd. 15 (1833), S. 39–41
    • Bollert/Lemke 1972, S. 13

Textkonstitution

  • „und“durchgestrichen
  • „und“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „meinem Concert wird wohl nichts“ Schon Ende April scheiterte ein Konzertplan Webers in Darmstadt, vgl. Brief Webers an Gottfried Weber vom 10. April 1810.
  • „mit dem Theater beschäftigt wäre“ In einem Brief Meyerbeers an Gänsbacher von Ende September heißt es u. a.: „Was das neue Theater betrifft so haben wir die besten Hoffnungen, daß es bald – noch nicht eröffnet werden wird, denn der Großherzog hat bis jetzt vom ‚Titus‘ erst 200 Proben (bei Gott keine Übertreibung) gemacht. Freund Weber behauptet indeß daß ehe die 400 voll sind, man schon an die Vorstellungen denken wird“; vgl. Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 75. Die Eröffnungsvorstellung im renovierten Haus fand am 26. Oktober 1810 mit Mozarts Titus statt.
  • „angelangt ist“ Gänsbacher brach am 19. Juli in Darmstadt auf und reiste über Frankfurt, Aschaffenburg, Würzburg und Bayreuth nach Franzensbrunn, wo er am 26. Juli bei seinen Gönnern, Graf und Gräfin Firmian, eintraf.
  • „von der bekannten Hand“Am 19. August ist im Tagebuch auch ein Brief von der Musikalischen Zeitung vermerkt.
  • „… mir doch deine Sonate gleich“Das Manuskript der Sonate erhielt Weber laut Tagebuch am 27. August 1810 gemeinsam mit Gottfried Webers Brief vom 24. August und sandte es per Brief vom 28. September an diesen zurück. Exemplare der gedruckten Ausgabe hatte er laut Brief vom 23. September offenbar während seines Frankfurt-Aufenthalts bekommen.
  • „die Recension gleich machen“Aus dieser Bemerkung geht hervor, dass Meyerbeer die genannte Klaviersonate Gottfried Webers rezensieren wollte; laut dem Brief Webers an Gottfried Weber vom 30. August 1810 war eine ausführliche Fassung der Rezension für die AmZ bestimmt, eine kürzere sollte im Morgenblatt für gebildete Stände erscheinen. Nach dem Brief Webers an Gottfried Weber vom 23. September 1810 war die Rezension Ende September fertig und sollte abgesandt werden; vgl. hierzu auch die spöttische Anmerkung Gottfried Webers in seinem Brief an Meyerbeer vom 2. Oktober 1810, (Becker, Meyerbeer I, S. 76.) Eine Rezension Meyerbeers war jedoch bisher nicht nachweisbar. Offenbar kam es in diesem Zusammenhang zu Streitigkeiten zwischen Gottfried Weber und der Redaktion der AmZ. In dem Brief Webers an Gottfried Weber vom 6. Juni 1811 rät Weber seinem Namensvetter: „Suche dich doch wieder mit denen Hunden zu versöhnen.“ Zum weiteren vgl. auch den Brief Webers an Gottfried Weber vom 8. Juli 1811 (demnach müsste dem Morgenblatt eine Rezension vorgelegen haben, die aber nicht abgedruckt wurde). Schließlich entschloss sich Carl Maria von Weber selbst eine Rezension zu schreiben (vgl. Brief Webers an Gottfried Weber vom 11. September 1811, Brief Webers an Gottfried Weber vom 29. November 1811), die laut Tagebuch aber erst am 11. Februar 1812 vollendet wurde. Mit seinem Brief an Friedrich Rochlitz vom 14. Februar 1812 übersandte Weber diese Besprechung an die AmZ und bat zugleich um rasche Veröffentlichung. Die Rezension erschien am 11. März 1812 (Sp. 179).
  • „Polimeter gezeicht“ 4. Lied aus dem ersten der drei Hefte 12 vierstimmige Gesänge für 2 Soprane, Tenor und Bass mit begleitendem Pfte., von Gottfried Weber, die als mit op. 16 bei Gombart in Augsburg erschienen (PN 535–537) und den Zusatz tragen Dem Herrn Abt Vogler gewidmet. Weber hatte wohl nicht zufällig dieses wesentlich auf harmonischen Wirkungen beruhende Stück gewählt, das Gottfried Weber später auch in seiner Theorie der Tonsetzkunst als Beispiel abdruckte (vgl. 3. Auflage, Mainz 1830–1832, Bd. 2, S. 177–182).
  • „Haus der Frau von Hertling gekauft“ Vogler erwarb im Juli 1810 das Hertlingsche Haus am Mathildenplatz 1 und bezog es im August; vgl. Karl Esselborn, Carl Maria von Weber und Darmstadt, in: Darmstädter Blätter für Theater und Kunst, Heft 35/36 (24. Mai / 1. Juni 1926), S. 209.
  • „… sehen wie es da aussieht“Gemeint sind offenbar die Vorbereitungen der Silvana-Uraufführung.

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