Gedicht des Dresdner Liederkreises an Ferdinand Freiherrn von Biedenfeld
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Die Mitglieder des Liederkreises zu Dresden
an den
Freyherrn von Biedenfeld zu Wien *)
Wenn die Macht der stillen TräumeManchmahl sich nach Außen drängte,Und wie Blüthen ihre Keime,Dann der Lippen Fessel sprengte,Wollte wohl in LiedestönenAhnungsvoll sie wiederklingen,Und das innre Weh’n des SchönenAus in treuer Liebe singen.Dann erklang die Harfe leise,Schüchtern von der Hand berühret,Lauter dann zu hoherm Preise,Wenn der Geist emporgeführet,Bis zum ungemeßnen vollenWeihe Chor in Fest-AccordenAlle Töne jubelnd schwollen,Wenn die Seele frey geworden.Und was so im WechselkranzeSich geformt des Liedes Sohne,Ode, Hymne und Romanze,Lied, Idyll, Sonett, Canzone,Blieb erst heimisch still verborgenIn des Sängers kleiner Halle,Daß, gleich Memnons Bild am Morgen*,Es nur ihm verständlich halle:Aber dann belauscht die KlängeWohl ein Wesen, das ihm theuer,Wünscht, daß andern auch er sängeDas Gespräch der goldnen Leyer,Und es treten die GebildeAus des Hauses stiller Schwelle,Und es rauscht durch die GefildeNun schon perlend Well’ an Welle.Und vom Strom herbeygezogenKommen näher andre Sänger,Lied zu Lied wird eingesogen,Einsam steht kein Ton nun länger,Wiederklang in andrer SeelenGibt auch neue Klänge wieder,Und so, sonder Zwang und Wählen,Bildet sich der Kreis der Lieder.Nicht nach außen abgeschlossenIst sein geistiges Gestalten;Wo der Dichtkunst Blüthen sprossen,Ist der Keim dazu enthalten;Wo der Zweige viel erscheinen,Drängt es, sich zu nah’n, schon leise,Wo zu Lauben sie sich einenBilden sich von selbst die Kreise.Darum Herzensdank dem Gruße,Der die Blüthe, Feyerstunden*– Nicht verwelkend im Genusse, –Unsern Kränzen eingebunden,Ihm auch, der sie uns gegeben,Tönt die Seele aus Accorden,Und, so durch der Dichtkunst Leben,Ist er schon der Unsre worden.Theodor Hell. Therese von Winkel. Friedrich Kind. Arthur vom Nordstern. Friedrich Kuhn. Karl Förster. Karl August Böttiger. C. Maria von Weber. Eduard Gehe. Ludwig Brannd. Hermann. Hasse. [Originale Fußnoten]
- *) Als Antwort auf die Zueignung des ersten Bandes der Feyerstunden.*
Apparat
Verfasst von
Zusammenfassung
ein Gedicht des Dresdner Liederkreises an Ferdinand Freiherrn von Biedenfeld als Dank für die Widmung und sein Gedicht in den Feierstunden; zu den Unterzeichnern (also Mitautoren?) gehört auch Weber
Generalvermerk
Webers Autorschaft an dem Gedicht ist durch seine Unterzeichnung zwar gesichert, welchen Anteil er allerdings daran hat, bleibt unklar (vgl. dazu auch die Hinweise zum Gedicht des Liederkreises an Streckfuß vom Mai 1820)
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 14, Nr. 137 (15. November 1821), S. 546
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… des ersten Bandes der Feyerstunden.“Feierstunden: Eine Schrift für edle Unterhaltung in zwanglosen Bänden, hg. von Ferdinand Freiherrn v. Biedenfeld und Christoph Kuffner, Bd. 1. Mit den Bildnissen von J. v. Hammer und Fr. Kind, Brünn 1821; auf Bl. 2r die Widmung: „Den | Mitgliedern | des | Liederkreises | zu | Dresden | zum Zeichen inniger Verehrung | und | Freundschaft | gewidmet.“
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„… gleich Memnons Bild am Morgen“Memnon, der Hohe König der Äthiopier. Nach ihm bezeichneten die Griechen und Römer fälschlicherweise die Memnonkolosse bei Theben in Ägypten, die den Pharao Amenophis III. (mit dem Beinamen Meiamoun, d. h. »der von Ammon Geliebte«) darstellen. So lange die obere Hälfte desselben, durch ein Erdbeben abgeworfen, am Boden lag, gab das Bild Morgens bei Sonnen-Aufgang einen klingenden Ton von sich, der sich durch einen Luftzug, welcher im Augenblick des größten Temperatur-Unterschieds zwischen der äußern und der in den Poren des Steins eingeschlossenen Luft durch die letzteren hindurchstrich, natürlich erklärt, von den Alten aber ins Gebiet des Wunderbaren gezogen und namentlich als ein wehmütiger Gruß, den der gefallene Sohn seiner Mutter Aurora darbringe, gedeutet wurde.
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„… Der die Blüthe, Feyerstunden“Vgl. Kommentar zur Fußnote.