Carl Maria von Weber an Anton Bernhard Fürstenau in Dresden
Bremen, Montag, 4. September 1820
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Schon lange mein lieber Freund hätte ich an Sie schreiben sollen, und an dem Wollen fehlte es wahrlich nicht, und auch nicht an der Errinnerung an Sie, denn an jedem Orte hatte ich Ursache mich Ihrer Vorsorge und der Erleichterungen zu erfreuen die mir durch Ihre Freundschaft wurden. Wie es mir im Ganzen ergangen werden Sie wol von Freund Roth und Fräul: Biernazka erfahren haben. Speziell noch folgendes. Dr: Heinroth, Oesterlein, und Bremer nahmen sich ungemein gefällig*. Ritmüller leidet auch an den Augen und hatte kein Pianof: fertig. ich spielte auf Dr: Heinroths trefflichem Krämerschen*.
In Hanover gieng es mir sehr schlim, alles war weg, wir beide krank*, elendes Wetter. H: Weidner schikte ich Ihren Brief*, er hat sich aber gar nicht sehen laßen. Vielleicht war er auch verreißt. Von da giengs nach Bremen wo ich nur 1 Tag blieb, mein Concert anordnete und d: 23t Aug: nach Oldenburg reiste. der Herzog war in Jever, die Prinzeßin hatte den Friesel. das waren böse aussichten. Von Ihrem H: Bruder erfuhr ich daß Sie krank wären; welche trübe Nachrichten! doch Gott lob alles ordnete sich wieder. an Beaulina, Cordes, und Bach habe ich sehr liebe Menschen kennen lernen, und wir haben was ehrliches musizirt*. d: 26t war ich über eine Stunde beim Erbprinzen*, und denselben Abend kam der Herzog zurük. d: 29t gab ich Concert, das für Oldenburg und die Jahrszeit sehr voll war. das Orchester ist aber in traurigem Zustande. Jansen sang mir. Fr. v: Beaulieu war heiser. d: 30t spielte ich bei Hofe ganz allein, nachdem ich d: 29t Morgens beinah eine Stunde beim Herzoge gewesen war. Es ist ein geistvoller liebenswürdiger Herr, und der ganze Hof benahm sich überaus artig und zuvorkomend. Herr Kammermusikus Meineke benahm sich sehr sonderbar. Er gab mir sein Instrument nicht. ich spielte auf Cordes sehr schönem Pianoforte, welches sehr viel Effekt machte. | Amtmann Jaspers ist noch immer das alte sehr fidele aber auch gefällige Haus. Herr Buße ist jezt schon von frühem Morgen an besoffen, und ein ekkelhafter Kerl. H: Köhlers Bekanntschaft habe ich allerdings auch gemacht. aber Ihre Warnung nicht vergeßen. Mad: Köhl Valesi ist entlaßen mit einem Reisegeld von 200 rh: Sie haben sich sehr unruhig betragen. – –
Ihren lieben Bruder habe ich recht wohl aussehend verlaßen, mit Vernügen habe ich vom Hauptmann von Stein sehr viel Gutes von seinem Fleiße und Betragen gehört. ich habe ihm auf seinen Wunsch drey Fried: dor ausgezahlt*. Mit großer Freude habe ich aber gesehen in welchem guten ehrenvollen Andenken Sie hier und überall stehen. Mit Achtung und Liebe gedenkt man Ihrer und Ihrer lieben Familie, und es ist mir dieß ein so wohlthuendes, als ich leider so oft von Künstlern ganz anders muß sprechen hören.
Vorgestern habe ich nun hier Concert bei vollem Saale, troz des entsezlichen Regens, gegeben. das Orchester unter Ochernals Leitung ist recht brav. Wie wohl wird es mir aber thun einmal wieder unsre Kapelle zu hören. An meinem Concert Tage hier war mir der Empfang Ihres lieben Briefes vom 11t August, der über Göttingen und Hanover hierher spaziert ist, ein erfreuliches Geschenk. Halten Sie sich nur recht gut, damit ich wegen Ihrer Gesundheit ruhig sein kann. die Neuigkeiten die Sie mir schreiben, unterhalten mich sehr, und ich bin einestheils froh nicht darein verwikkelt zu sein. Was soll ich zu der schönen Rezension sagen?!!!! die ist von Fräulein v: Winkel. |
Ueber solch wahnsinniges Zeug muß man sich nicht ärgern, dazu ist die ganze Sache zu schlecht.
Ich habe Heute an‡ Ihren lieben Onkel in Eutin geschrieben. ich reise Morgen nach Hamburg und denke d: 9t oder 10t in Eutin zu sein. Wollen Sie mir nach Hamburg Post restant schreiben wird es mich sehr freuen, von da werden mir die Briefe nachgeschikt.
Ganze Säkke voll Grüße bringe ich Ihnen mit.
Meine Frau grüßt mit mir Ihre liebe
Mutter und Schwester* herzlichst, und ich bin mit
wahrer
Freundschaft
Ihr
CMvWeber
Bremen d: 4t Sept: 1820.
Bullingers waren sehr freundschaftlich und billig gegen uns.
Grüßen Sie mir meine liebe Kapelle recht herzlich und freundlich.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über Reise und zahlreiche Personen, mit denen er durch Fürstenaus Empfehlung in Kontakt kam, in Hannover, Bremen und insbesondere Oldenburg; Zusammentreffen mit Fürstenaus Bruder; Konzert in Bremen; über eine Rezension der Therese aus dem Winkel; er reise am folgenden Tag nach Hamburg und hoffe, am 9. oder 10. September in Eutin zu sein
Incipit
„Schon lange mein lieber Freund hätte ich an Sie“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Philadelphia (US), Historical Society of Pennsylvania Library (US-PHhs), Simon Gratz Autograph Collection, Musicians + Composers
Signatur: Case 13, Box 17Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
Provenienz
- Liepmannssohn, Kat. 174 o.J., Nr. 2206a
- Liepmannssohn 39. AV (Nov. 1911), Nr. 795
- Liepmannssohn, 38. AV (Mai 1909), Nr. 925
- Liepmannssohn, Kat. 163 o.J., Nr. 862
- Liepmannssohn, Kat. 155 (1904), Nr. 675
- Liepmannssohn, 15./16. 10. 1894, Nr. 598
- Liepmannssohn, 18./19. 11. 1889, Nr. 228
- Bertling, R. (Dresden) LK 11, Nr. 107
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Adolph Kohut, Carl Maria von Weber als Humorist. Mit einem bisher ungedruckten Brief Weber’s, in: Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, Berlin, Bd. 39, Nr. 9 (28. Februar 1891), S. 131–133 [Brief auf S.133 unter Weglassung des vorletzten Absatzes]
-
Adolph Kohut: Carl Maria von Weber als Humorist. Mit einem ungedruckten Brief des Komponisten, in: Rheinische Musik- u. Theater-Zeitung, Köln, Jg. 6, Nr. 15/16 (22. Juli 1905), S. 344–347 [Brief auf S. 345–346 unter Weglassung des vorletzten Absatzes]
Themenkommentare
Textkonstitution
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„an“„von“ durchgestrichen und ersetzt mit „an“
Einzelstellenerläuterung
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„… Bremer nahmen sich ungemein gefällig“Zu den Treffen mit J. A. G. Heinroth und F. Oesterley vgl. Webers Tagebuchnotizen vom 13. bis 15. August 1820. In F. Bremers Gasthof Zur Stadt London stiegen Webers vom 11. bis 18. August 1820 ab.
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„… war weg, wir beide krank“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 18. bis 20. August 1820.
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„… Weidner schikte ich Ihren Brief“Empfehlungsbrief Fürstenaus für Weber an Carl Weidner, Verbleib unbekannt.
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„… wir haben was ehrliches musizirt“Zu den Treffen mit W. E. von Beaulieu-Marconnay, J. F. Cordes und F. A. von Bach vgl. die Tagebuchnotizen vom 25. bis 28. August 1820.
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„… über eine Stunde beim Erbprinzen“Zu dessen Charakterisierung vgl. den Tagebucheintrag.
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„… Wunsch drey Fried: dor ausgezahlt“Vgl. die Tagebuchnotiz vom 30. August 1820.
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„… Ihre liebe Mutter und Schwester“Fraglich, ob die Schwester Maria Anna Josephine oder die Halbschwester Theresa Augusta Fürstenau gemeint.