Aufführungsbesprechung: Konzert von C. M. v. Weber am 30. Mai 1810 in Heidelberg
Herr Karl Maria von Weber, aus Eutin, hat uns gestern durch ein großes Vokal- und Instrumental-Konzert einen unaussprechlich genußreichen Abend gegeben. Die Zahl der ambulirenden Künstler ist dermalen Legion, und auch Heidelberg wird oft genug heimgesucht von diesen kunstübenden Männern und Frauen, welche, mit obrigkeitlicher Bewilligung, auf ihre Genialität, den Preis eines Guldens setzen für jede Person, die der fleißige Zettelträger ihnen zuführt. Aber bey dem größern Theile dieser Leute geht nicht die Kunst nach Brot, sondern der Hunger, welcher leider oft genug mit der angekündigten Genialität in einem umgekehrten Verhältnisse stehet. Desto erfreulicher muß aber auch die Erscheinung eines jungen Mannes seyn, der, mit der Bescheidenheit des ächten Verdienstes auftretend, jede Erwartung übertrifft.
Hr. von Weber ist ganz unstreitig einer der ersten Klavierspieler; allein wenn vielleicht einige andere Virtuosen die kaum begreifliche Fertigkeit mit ihm theilen mögen, so übertrifft er wenigstens alle, welche ich bis jetzt gehört habe, in Rücksicht einer wahrhaft genialen Zartheit der Behandlung seines Instrumentes. In der zahlreichen Versammlung, die der Künstler mit freudigem Staunen erfüllte, mußte jeder es sich gestehen, die Natur und das Wesen dieses vielgeübten Instrumentes von einer neuen Seite kennen gelernt zu haben; ich verstand erst jetzt völlig das Wort des verewigten Kapellmeisters Schulz, in dessen Gegenwart eine auf ihr musikalisches Talent stolzierende Dame sich auf dem Klaviere hören ließ: "Wundersame Finger!" sagte er mir ins Ohr; aber, mein Freund, es ist ganz etwas anders, wenn der Genius die Tasten berührt!" –
Wie der Künstler eins ist mit seinem Kunstwerke – das wird ganz besonders durch Hrn. von Webers Kompositionen anschaulich, aus denen die heilige Sprache des Gefühls in orpheischen Lauten tönt. Wahrlich dieser Künstler befindet sich auf einer Höhe, die ihm eine Stelle neben den ersten Meistern unsrer Zeit gibt. –
Hr. von Dusch, ein junger Akademiker, spielte Variationen für Violoncell mit vielen Beyfalle. Mlle. Frank, von der Mannheimer Schaubühne, verherrlichte den schönen Abend mit ihrem trefflichen Gesange. Diese junge Künsterlinn hat seit 1 ½ Jahren, in welchen ich sie nicht hörte, gar große Fortschritte gemacht. Die vielversprechenden Anlagen haben sich zu einer schönen Blüte entfaltet, und wer das Schöne dem Prachtvollen vorziehet, der kann es nicht bedauern, daß Demois. Frank nicht auf Trillerey und Ueberwindung künstlerischer Schwierigkeiten Anspruch macht, sondern die Macht des Gesanges in edler Einfalt übt.
Apparat
Zusammenfassung
Konzertbesprechung
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 4, Nr. 144 (16. Juni 1810), S. 576