Friedrich Wilhelm Jähns an Robert Musiol in Röhrsdorf
Berlin, Samstag, 30. November 1878

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Mein lieber Freund Musiol.

Anbei den Brief von Gobbi u. den Catalog von Aibl, den von Guidi, Florenz, bitte ich noch ein wenig behalten zu dürfen; ich schicke ihn aber sofort, wenn Sie ihn gebrauchen. Die Nachrichten von Gobbi sind wenig tröstlich, die von Kaldy gradezu verwirrend; was soll das sein mit den 12 Tacten h moll 4/4 Tact? H moll, 4/4 Tact, Eremit hat das Freisch.-Finale gar nicht, weder in der Orig. Part., noch in einer geschriebenen oder gedruckten Copie. O grausige Confusion! Noch zusätzliche Unthaten zu den Streich-Verbrechen? Wo sitzt mein Kopf?! – Ich habe manche schwere Arbeit geleistet bei meinem Weber-Berg. Aber diesen total zu Stein fast festgefrorenen Boden – das ist noch nicht dagewesen! Erst 76 Briefe Fragezetteln wegen der Aufführungen, dann 27 wegen der Eremiten-Kürzung. Seit Mitte Sept. grabe ich munter fort, aber jetzt sinkt mir etwas der Muth. Brauchbares Material verhältnißmäßig wenig zu Tage gefördert trotz 40 Antworten wegen der Aufführungen; 36 noch ganz unbeantwortet; trotz 23 Antworten wegen der Eremiten-Kürzung, aber dann auch da immer neue Räthsel. Ein allgemeines Resultat ist wohl in der Eremitensache gewonnen, dennoch ist noch mancherlei Unsicherheit. | In der Voraussetzung, daß Sie nicht allzusehr von meiner Schachtbauerei gelangweilt werden u. die Zeit daran setzen können, schicke ich meinen letzten Brief an Franz Abt in Brouillon mit, was freilich abscheulich genug aussieht; es ist die Antwort auf den 2ten Brief von Abt, der zu neuer Gräberei Veranlassung gegeben, obgleich diese letzte nur aus allgemeinen Interessen meinerseits an Weber’s Zuverlässigkeit bei seinen Aufzeichnungen fließt. Diese Brouillon bitte ich, mir schleunigstens gütigst zurück zu senden. – – Welche Unkenntniß von Weberschen Werken übrigens bei ganz bekannten Musikern in namhaften Stellungen zu Tage kommt, ist gradezu unerhört, Ganz ausdrücklich war bemerke ich aber, daß zu diesen Musikern Fr. Abt aber nicht gehört; das sind ganz andre Leute, die von Amtswegen den Freischütz auswendig können müßten u. — doch genug! — — Ich bin wieder 2 mal recht krank gewesen an meinem Steinleiden; es hat mich fürchterlich mitgenommen u. ich habe recht Tage der vollkommnen Verzagtheit gehabt. – Ob ich wohl die Arbeit noch beendigen werde?! Wie groß sie noch ist, fange ich jetzt erst an zu begreifen.

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Und dann hätte ich noch so manche andre Arbeit auf dem Herzen! —

Heut Vormitt. habe ich die Eroica von der Hochschule in der Probe für heut Abend ganz wunderbar herrlich ausführen gehört; wenn’s nicht so abgebraucht klänge, ich sagte „göttlich!“ denn vollkommen ist es wohl kaum möglich, sie zu geben. Eben so war neulich der Elias das Vollkommenste, was ich gehört, eine Aufführung, das die wie ein golden strahlender Stern unter meinen musikalischen Erlebnissen dasteht! Und doch habe ich ihn auch unter Mendelssohn’s eigner Leitung gehört. Aber solche Geiger! Ein volles Jahr hatte sich Orchester u. Stimmen damit beschäftigt. Aber wo war der Enthusiasmus bei denen, die zuhörten? Bei Allen, nur nicht bei denenentre nouz soit dit – die darüber schrieben, denn sie alle wären gern Professoren an der Hochschule u. sind es nicht. Nur Dorn allein machte dabei eine ergreifende Ausnahme, was ihn mir aufs Neue sehr werth gemacht hat. — Der Enthusiasmus ist dagegen in colossalem Verbrauch für die Patti! – Und die „Diva“! Etelka? – Vergessen liegt sie im Sande! U. s. w

Leben Sie wohl mit den Ihrigen und denken Sie meiner in alter Liebe, Ihres
treuen alten F. W. Jähns

Apparat

Zusammenfassung

klagt darüber, dass von seinen Fragebogen-Anfragen noch immer 36 unbeantwortet sind und trotz 23 Antworten wegen der Eremiten-Frage immer neue Rätsel zutage treten; stellt wieder wegen seiner gesundheitlichen Befindlichkeit die Vollendung des Nachtrags in Frage; es folgen Eindrücke von Konzerterlebnissen

Incipit

Anbei den Brief von Gobbi u. den Catalog von Aibl

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 995 (J 72)

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „gar“über der Zeile hinzugefügt
  • „aber“durchgestrichen
  • „dann“über der Zeile hinzugefügt
  • „da“durchgestrichen
  • „war“durchgestrichen
  • „aber“durchgestrichen
  • „das“durchgestrichen
  • „die“über der Zeile hinzugefügt
  • „mir“über der Zeile hinzugefügt
  • „… – Und die Diva !“dreifach unterstrichen

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