Aufführungsbesprechung Paris: „Oberon“ von Carl Maria von Weber ab 25. Mai 1830 (Teil 3/3)
(Forts. v. Nro. 144.) Bei einem ernsten Studium, einer größeren Aufmerksamkeit auf sich selbst, und dem festen Willen, sich von besagtem Fehler zu befreien, kann Mad. Schmidt nur bedeutend gewinnen; und daß sie im Stande sey, zarter und mit mehr Ausdruck zu singen, als sie es gewöhnlich thut, hat sie an diesem Abende stellenweise deutlich bewiesen. – Möge dieser freundlich gegebene Rath von Mad. Schmidt berücksichtigt werden, und gewiß wird sie uns einst Dank für unsere Offenheit wissen, und nicht für Tadelsicht halten, was uns nur Wahrheit scheint, und wir bloß zu ihrem eigenen Besten niederschreiben!
Das Ensemble dieser Vorstellung ließ, wie in der Regel jede erste, so manches zu wünschen übrig, was dem Effekt hie und da geschadet hat, und so war es nöthig, diese Oper ein zweitesmal zu hören, um ein festes Urtheil über sie auszusprechen. Die Costümes und Dekorationen sind reich, elegant, und von gutem Geschmack; die letzte Dekoration, welche einen schönen Feenpallast vorstellt, ist von sehr guter Wirkung, und ebenfalls von dem wackeren Aachener Dekorateur, Hrn. Mühldorffer gemalt. Diese sowohl, als auch jene des ersten Aktes, von der ich oben sprach, hat die Direktion eigends, und zwar mit vielen Kosten, aus Aachen hierher kommen lassen; man ersieht hieraus, daß sie weder Mühe, noch Geld spart, um sich den Parisern angenehm zu machen.
Die zweite Vorstellung des Oberon fand Donnerstag, den 27. Mai, statt, und ob sie gleich, einige Fehler im Orchester ausgenommen, ein besseres Ensemble bildete, als die erste; so war dennoch der Effekt hier keineswegs brillanter als dort, sondern vielmehr lauer als zwei Tage früher. Die Ouvertüre, der Rezia große Scene des zweiten Akts, die Arie der Mad. Schmidt, und das heitere Duett zwischen ihr und Hrn. Wieser, nebst dem Chor aus Euryanthe, der hier wiederholt werden mußte, indeß man den originellen Schlußchor des ersten Aktes fast mit Stillschweigen überging, waren diejenigen Tonstücke, die den meisten Beifall erhielten; alle anden, ¦ selbst die des Hüon, welche Hr. Haitzinger dießmal ruhiger und schöner sang, als am ersten Abende, wurden nur wenig ausgezeichnet. Hieraus geht nicht nur hervor, daß das Publikum ein sehr capricieuses Wesen ist, sondern auch, daß die Partitur des Oberon, bei vielen Schönheiten, auch eine Menge von Ideen und Gesangstellen enthält, die dem Komponisten allerdings zum Ruhme gereichen könne, dem ungeachtet aber den Totaleindruck auf die Masse der Zuhörer, worauf der Musiker besondere Rücksicht zu nehmen hat, wenn er ganz durchgreifen will, verfehlen. Die Parthie des Hüon scheint uns in vielen Stellen undankbar, und selbst die der Rezia ist es hie und da. Rechnet man hiezu noch, daß in der ganzen Oper gar kein großes kräftiges Ensemblestück vorkommt; so ist es auch nicht zu verwundern, wenn dieses Werk den Erwartungen, die man sich davon machte, nur halb entsprach, und um so weniger, da das Gedicht nicht interessirt, und in Frankreich der Text zum völligen Gelingen einer Oper eine Hauptrolle spielen muß.
Sonnabend, den 28. Mai, ward Oberon ebenfalls wiederholt. Mad. Fischer, welche seit 3 Wochen unwohl und gar nicht bei Stimme war, mußte an diesem Abende die Rolle der Rezia übernehmen, weil Mad. Schröder-Devrient seit der letzten Vorstellung sehr angegriffen, und nicht zu singen im Stande war. Obgleich selbst noch leidend und schwach, brachte Mad. Fischer dennoch dieses Opfer, weil sonst das Theater an diesem Tage hätte geschlossen bleiben müssen; sie hat sich wirklich über alle Erwartung gut aus diese[r] gefährlichen Unternehmung gezogen, und sang die Arie und das Duett des ersten Aktes sowohl, als auch die große Scene des zweiten Aktes nebst den Ensemblestücken recht brav und mit vielem Feuer; bloß beim Finale des ersten Aktes, das äusserst zart und leicht gesungen werden muß, wurde man gewahr, daß Mad. Fischer noch leidend und etwas heiser wahr, und das Publikum konnte nur für das ihm gebrachte Opfer dankbar seyn, und war es in der That, wie es solches der Rezia durch öftere Beifallsbezeugungen bewies, die ihr auch mit Recht und hier in doppelter Hinsicht gebührten. Bei einem zweiten Auftreten im Oberon, wo Mad. Fischer sich wahrscheinlich von ihrer Unpäßlichkeit ganz erholt haben wird, läßt sich erwarten, daß sie noch besser reussiren werde, als an jenem Abende, wo sie im Gefühle ihres Unwohlseyns, und nachdem sie beinahe vier Wochen hindurch ganz von der Bühne entfernt gewesen war, doppelt ängstlich seyn mußte, als gewöhnlich. Hr. Haitzinger sah sich bei dieser Vorstellung für seine Bemühungen, die Rolle des Hüon in ein immer vortheilhafteres Licht zu stellen, belohnter als früher, und erhielt öftern Applaus. Mad. Schmidt und Hr. Wieser gefielen wie gewöhnlich, und der Jägerchor aus Euryanthe mußte auch hier wiederholt werden.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung „Oberon“ von Carl Maria von Weber in Paris
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Hesperus. Encyclopädische Zeitschrift für gebildete Leser, Bd. 45, Nr. 145 (18. Juni 1830), S. 578