Aufführungsbesprechung Weimar: „Oberon“ von Carl Maria von Weber, Mitte Juni 1828
NACHRICHTEN.
Weimar. Mitte Juni 1828. Im May und in der ersten Hälfte des Juni gab man im Hoftheater die Belagerung von Corinth, die weisse Dame, den Maurer (worin Hr. Räder*, Sohn des bekannten braven Tenoristen, Hrn. Räders, in Breslau, in der Rolle des Schlossers nicht ohne Beyfall als Gast auftrat,) Oberon viermal, Sieben Mädchen in Uniform, das Hausgesinde, Macbeth, die Bürger in Wien, und Staberls Reiseabentheuer. Mit Oberon sollte am 15ten Juni die Bühne vor den Sommerferien geschlossen werden, diese letzte Vorstellung konnte aber nicht Statt finden, weil an demselben Nachmittage die traurige Nachricht von dem am 14 Juni Abends in Graditz bey Torgau erfolgten unerwarteten Tode unseres Landesherrn, des Grossherzogs Carl August K. H. durch Courier hier eintraf.
Das einzige Neue in dem genannten Zeitraume war Oberon von C. M. von Weber. Diese Oper war mit Garderobe und Dekorationen ungewöhnlich reich ausgestattet, und mit der höchsten Sorgfalt einstudirt. Die Gesangpartieen hatten Dem. Schmidt (Rezia), Mad. Eberwein (Fatime), Dem. Breul* (Puck), Hr. Moltke (Hüon), Hr. Laroche (Scherasmin), Hr. Stromeier d. j. (Oberon) und führten sie sehr lobenswerth aus. Auch die zahlreichen und zum Theil schwierigen Chöre wurden sehr gut gesungen. Die Oper gefiel, machte aber doch nicht so ausserordentliches Glück, wie vor Jahren der Freyschütz, der nach Re|ferentens Meinung auch wohl überall den Oberon überleben wird. Nach der ausführlichen gediegenen Beurtheilung der Musik von Rochlitz (S. diese Zeitung 1827. Nr. 15. 16.), und der, ganz besonders den Text berücksichtigenden gründlichen Recension von Gehe in der Zeitung für die elegante Welt 1828. Nr. 86‡ u. ff. hält es der Referent sehr überflüssig, sich über beydes weitläufig auszusprechen, glaubt aber bemerken zu dürfen, dass man es grösstentheils dem Texte zur Last legen müsse, wenn die Musik in mehren Sätzen nicht sowohl als völlig ausgeführt, sondern vielmehr als Skizze und Andeutung erscheint und daher keinen Totaleffect hervorzubringen im Stande ist, da die verschiedenen Scenen nur nothdürftig in einander greifen, und in solcher Menge vorhanden sind, dass zwar das Auge seine volle Befriedigung findet, der Componist aber nur selten vermag, seiner Musik die nöthige Ausdehnung und Bedeutung zu geben. Das Ganze ist nicht Eins, sondern ein hübscher Gukekasten, der eine grosse Anzahl lieblicher Bilder schauen lässt, zu denen meist herrliche einzelne Musikstücke ertönen – man gukt ein paar Mal mit Freuden hinein, bekommt das Ding aber bald satt, da man davon zwar angenehm unterhalten, nicht aber im Innern tief ergriffen wird. Wenn demungeachtet diese Oper anderwärts ein ganz ausserordentliches Glück macht, so möchte man darüber fast mehr trauern, als sich freuen, weil es ein sicheres Zeichen ist, dass die meisten Einzelnen, die zusammen ein Publicum ausmachen, sich leicht mit etwas Ausserwesentlichem abfinden lassen, wenn es nur den äussern Sinn ergötzlich anspricht. Man deute diese Klagen nicht als Tadel des früh vollendeten Meisters, dessen hohen Genius und grosse Kenntniss der Referent so innig und freudig anerkennt, als irgend Einer.
[…]
Apparat
Zusammenfassung
Oberon-Rezension aus Weimar
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Überlieferung
-
Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 30, Nr. 35 (27. August 1828), Sp. 574–575