Aufführungsbesprechung München, Redoutensaal: Konzert von Carl Maria von Weber am 11. November 1811
München, den 14. Nov. Man muß nur nicht verzagen, lieber Freund, es kommen doch noch zuweilen Stunden, wo wir unsre Sehnsucht nach dem Genuß des Schönen recht nach Herzenslust befriedigen können. Und wie sollte es auch in einer Hauptstadt daran fehlen, welche das in ganz Deutschland berühmteste Orchester besitzt? Aber eben das ist es, was unsern Geschmack so sehr verwöhnt. Nur ein Conzert, worin sich durchgehends Meister von gleicher Stärke hören lassen, und Compositionen von gleichem Werthe aufgeführt werden, kann unser Interesse gewinnen. Eigentlich soll jedes Conzert so eingerichtet seyn, daß man im Ganzen nur Vortreffliches höre und billig könnte das am 11. Nov. von Herrn Carl Maria von Weber im königl. Redoutensaale aufgeführte große Vocal- und Instrumental-Conzert als Muster aufgestellt werden, wie man zu Werke gehen müsse, um gleich dem Zusammen-Stimmen der Instrumente ein harmonisches Zusammenwirken des Conzertgebers mit den Mitgliedern des Orchesters zu Stande zu bringen.
Der ausgezeichnete Ruf, den sich Hr. C. M. v. Weber in der musikalischen Welt durch sein kraftvolles Spiel und seine genialen Compositionen erworben, foderte die vorzüglichsten Meister der königl. Kapelle auf, es an nichts, was der Kunst möglich ist, fehlen zu lassen, um das von ihm veranstaltete Conzert dadurch recht interessant und glänzend zu machen.
Um Dir einen deutlichen Begriff von dem Ganzen zu machen, ist es nöthig, Dir sowohl die Meister, die sich an diesem für uns so genußreichen Abende hören ließen, als auch die Stücke zu nennen, welche von ihnen gespielt worden sind.
Ich habe noch keine Ouverture gehört, die prachtvoller und majestätischer gewesen wäre, als die Hr. C. M. v. Weber zur Oper, der Beherrscher der Geister, komponirte. Sie wurde diesen Abend mit einem Feuer und einer Pünkt¦lichkeit gegeben, daß man mit Gefallen wahrnehmen konnte, wie der ungeheure Sturm und Drang der aus verschiedenen Instrumenten sich durchkreuzenden Töne nur Einem mächtigen Beherrscher gehorche.
Eine Arie aus der Oper Atalia, gleichfalls von Hrn. C. M. v. Weber komponirt und von Mad. Regina Lang mit so bezaubernder Stimme und so kräftigem Ausdrucke vorgetragen, daß uns nichts mehr zu wünschen übrig blieb, athmete voll unaussprechlicher Empfindung.
Man behauptet für Gewißheit, diese verdienstvolle Künstlerin wolle die hiesige Bühne verlassen, und ist darüber um so bestürzter, als man ihr begeistertes Spiel als Myrha noch nicht vergessen hat, die sie erst vor Kurzem noch spielte – noch nicht vergessen hat! Was sag ich? wer könnte das Opferfest wiedersehn, worin er sie einmal gehört hat, ohne nicht jedesmal durch das Spiel einer an ihre Stelle getretenen Sänterin an die eigentliche Myrha erinnert zu werden?
Das von Hrn. C. M. v. Weber auf dem Forte-Piano vorgetragene und von ihm selbst verfaßte Conzert riß bis zur Bewunderung hin. Die beyden ersten Stücke, etwas ruhiger und gemessener in ihrem Gange, unterschieden sich von dem Rondo, das der Verf. erst einige Tage vor der Aufführung vollendete, durch den feurigen Erguß, der das letztere, angeregt durch eine kühnere Idee, belebte.
Die Composition des von den Hrn. Bärmann und Wilhelm Schönche gespielten Clarinet-Conzerts verdankt dem schönen Vortrage dieser beyden Künstler den Effekt, den es machte. Hrn. Schönche gereicht es zu großem Ruhme, als angehender Künstler an der Seite eines so anerkannten Meisters, wie Hr. Bärmann ist, mit Beyfall aufgetreten zu seyn, so wie es auch als ein rühmliches Beyspiel des letztern aufgestellt zu werden verdient, das emporstrebende Talent auf diese Weise öffentlich ermuntert zu haben.
In dem vortrefflichen, von Hrn. Weichselbaumer und Mittermayer gesungenen Duette, schien es uns, die angenehme Bemerkung gemacht zu haben, daß ersterer seine Stimme mehr als gewöhnlich herausließ. Hr. Mittermayr gewann durch seinen volltönenden und ausdrucksvollen Gesang, wie gewöhnlich, allgemeinen Beyfall.
Hr. Direktor Fränzl und Hr. Konzertmeister Moralt wetteiferten mit allem Aufwande ihres Kunst-Vermögens mit einander, und erregten dadurch die gespannteste Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer. Das reitzende Rondo, in welches das bekannte Thema aus den beyden Füchsen so glücklich hineinverwebt war, ließ uns des vortrefflichen Kanabichs Verlust auf’s Neue bedauern.
Hr. C. M. v. Weber gab noch eine Phantasie auf dem Forto‡-Piano, wozu er von Ihrer Majestät der Königin, die zugleich mit Ihren königl. Hoheiten dem Kronprinzen, der Kronprinzessin und dem Prinzen Karl diesem Conzert beyzuwohnen geruhte, als Thema die Arie aus Jakob und seinen Söhnen: „Ich war ein Jüngling noch an Jahren“ erhielt, welche er im Augenblicke in die lieblichsten Variationen einzukleiden, und mit bewunderungswürdiger Fertigkeit des Spieles vorzutragen wußte.
Die Versammlung der Zuhörer war eben so zahlreich als glänzend und der Beyfall eben so rauschend, als ausgezeichnet schön das Conzert war.
Hans Psalter.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung München, kleiner Redoutensaal: Konzert von Carl Maria von Weber am 11. November 1811. Es wurden u. a. gegeben: Ouvertüre zum „Beherrscher der Geister“, eine Arie aus „Atalia“, ein Klavier- und ein Klarinettenkonzert von Carl Maria von Weber.
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Gesellschaftsblatt für gebildete Stände, Jg. 1, Nr. 91 (16. November 1811), Sp. 735–736