Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 24. bis 28. Oktober 1818
Sonnabend, am 24. Oktbr. Sargino, Oper in 2 Akten, Musik von Pär. Mad. Campi, erste Sängerin der K. K. Hof-Opern, erfreute uns in der Rolle des jungen Sargin, und zeigte uns (obgleich sie nicht mehr in der Blüte ihrer Jahre ist), daß sie nicht als vorüberrauschendes glänzendes Meteor eine Zeitlang blendet, sondern als wahre gediegene Künstlerin auch jetzt noch ihren großen Ruf vollkommen rechtfertigt, den sie früher sich erworben, und stets in gleichem Maße behauptet hat. Ihre Stimme ist, ohne ausgezeichnet stark und voll zu seyn, doch keineswegs schwach, noch dünn. Sie hat einen Umfang von a bis zum dreigestrichenen d, ziemlich in gleicher Stärke. Nur in den mittlern Tönen, wo sie von der Bruststimme zur Kopfstimme übergeht, wird sie etwas ungleich; ihre Höhe ist rein, stark und klingend. Ihre Intonation ist rein und fest, und sie hat ihre Stimme vollkommen in der Gewalt. Ohne ihr Organ zu widernatürlichen, dem reinen Gesange, der zum Herzen gehen soll, widerstrebenden Künsteleien zu zwingen, zeigte sie uns doch große Fertigkeit und Gewandtheit. Rouladen und Laufer jeder Art, singt sie deutlich und mit Leichtigkeit; ihr Triller ist schön, mit ganzem wie mit halben Ton (ein Vorzug, der immer seltener wird), ihr Vortrag ist brillant und in cantablen Sätzen voll Ausdruck und Gefühl. Nur wenig folgt sie der italienischen (und jetzt auch deutschen) Sitte: Verzierungen anzubringen, wo sie eigentlich nicht hingehören; doch da die Melodieen der italienischen Componisten größtentheils schon dafür eingerichtet sind, so geht es hier (wenn es nicht übertrieben wird,) eher an, als bei Werken von Mozart, Weigl und andern deutschen Meistern. Mad. C. accentuirt und declamirt sehr richtig, daher auch ihr Recitativ (wo sie sich nur noch hier und da unnöthiger Manieren enthalten sollte,) vortrefflich ist. – Dies ist es, was ich von Mad. C., so weit ich sie aus dieser einen Darstellung (leider, die Einzige, deren wir uns von ihr zu erfreuen hatten,) zu beurtheilen vermag, als Sängerin im Allgemeinen mit Ueberzeugung sagen kann. So entwickelte sie sich in der heutigen Darstellung, in welcher sie sich auch als talentvolle und routinirte Schauspielerin zeigte. In der großen Bravour-Arie vereinigte sie sehr erfreulich und schön das Brillante und Kunstreiche mit dem Anmuthigen und Gefühlvollen. – Auch Mad. Sandrini sang ihre große Scene vortrefflich, und hat¦te, wie sie dies in den beiden Duetten besonders zeigte, die Manier der Mad. C. sehr gut aufgefaßt. Beide Damen schienen hier (wie dies eigentlich immer der Fall seyn sollte, aber nicht immer ist,) vollkommen einverstanden zu seyn. Vorzüglich erfreute das zweite Duett aus a dur mit obligater Clarinette, wobei es unverzeihlich wäre, nicht des trefflichen Spiels unsers wackern Rothe zu erwähnen. So wie er sich in der bekannten Arie mit obligater Clarinette durch Fertigkeit und seinen discreten Vortrag auszeichnete, so wußte er auch in diesem Duett sich mit seinem schönen Ton und Vortrage so zart an beide Singstimmen anzuschmiegen, daß er dadurch selbst als Sänger erschien, und das Duett gleichsam zum Terzett wurde. Da nun ferner noch das ganze Orchester überhaupt mit ausgezeichneter Uebereinstimmung und Discretion Alles executirte, so gehörte diese Vorstellung unter die vorzüglichsten und interessantesten der hiesigen italienischen Oper, welches das Publikum auch lebhaft anerkannte. – Mad. Campi wurde hervorgerufen.
F.Am 25. Oktober. Heinrich von Angou‡, Trauersp. in 5 Akten, von Zahlhas. Die jüngere Dem. Radicke hatte es gewagt, die Rolle der Bianca zu übernehmen, welche ganz über ihre Kräfte ging, da sie lediglich als Anfängerin zu betrachten ist.
Am 26sten. Das Taschenbuch.
Der grüne Domino. Beide Damen-Rollen von den Schwestern Radicke. Wir finden uns immer mehr in unserm Urtheil bestärkt, daß die ältere der beiden Schwestern, deren erstes Auftreten uns in mehrern Stellen nicht ungelungene Parthieen zu haben schien, eine sehr ausgezeichnete Theater-Routine besitzt, und so durch das, was man Zuhauseseyn auf der Bühne nennt, den Zuschauer nicht selten in einen behaglichen Zustand versetzt, indem er sich selbst nicht anstrengt, wenn er keine Anstrengung zu bemerken hat. Freilich ist das, was man gehaltenes und feines Spiel nennt, leider nicht nothwendig damit verbunden, und so vermißten wir es auch dann und wann in dieser Darstellung. Recht kindlich gut gab die jüngere die Marie, und ihr artiger Gesang erwarb Beifall.
Am 27sten. Zum erstenmale die Zauberflöte. Nähere Beurtheilung bei der Wiederholung*.
Am 28sten. Il Barbière di Sevigla. Musica di Morlacchi.
Apparat
Verfasst von
- F.
- Anonymus
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 24. bis 28. Oktober 1818, dabei besonders über die Sängerin Campi in „Sargino“ von Pär.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 280 (24. November 1818), Bl. 2v
Textkonstitution
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„Angou“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„… Nähere Beurtheilung bei der Wiederholung“Auch nachfolgend gab es in der Abend-Zeitung keine ausführlichere Besprechung dieser Einstudierung; vgl. dazu auch Webers Brief an J. P. S. Schmidt vom 19. Januar 1819.