Korrespondenz-Nachrichten Dresden
Am 23sten Aug. wurde Rossini´s Inganno felice von der italien. Gesellschaft aufgeführt. Ohne zu wiederholen, was schon in dieser Zeitung No. 7 S. 132 dieses Jahrgangs, über die Musik dieser Oper und ihre Ausführung gesagt worden ist, erwähnen wir blos, dass zwischen dem ersten und dem zweyten Aufzuge eine von Köhler gesetzte Polonoise für die Oboe in C dur, mit Begleitung des Orchesters, vom Hrn. Kammermus. Diez gespielt wurde. Die Wahl des Stücks war in Rücksicht auf die Tonsetzung nicht die beste, denn das Motiv war eben nicht zu glänzend und angenehm, und die Begleitung sehr schwach, woraus denn Monotonie entstehen musste; auch liesse sich manches von Seiten regelmässiger Harmonie einwenden. Das Spiel des jungen Künstlers ist sehr zu loben; sein angenehmer Ton, seine gute Methode, seine grosse Präcision und sein gefälliger Ausdruck würden bey besserer Wahl der Composition weit mehr Glück gemacht haben. Nach Beendigung der Oper folgten Variationen für die ¦ Violine in E dur, comp. von Rode, mit Begleitung des Orchesters, vorgetrageb vom Hrn. Kammermus. Ludwig Hase. Dieser, ein Schüler Polledro´s, liess uns hören, dass er seinen trefflichen Unterricht sehr vortheilhaft benutzt und sich vieles von der schönen Haltung und dem gesangsähnlichen Tone seines Lehrers zu eigen gemacht hat. Anfangs bemerkte man zwar eigene Schüchternheit: als er aber Muth gefasst hatte, spielte er mit vieler Präcision und Nettigkeit, selbst in den schwierigsten Stellen. Fortgesetztes Stidium unter einem so trefflichen Meister und beharrliche Kunstliebe werden ihn glücklich zum Ziele führen. Beyde Concertisten erhielten vom Publicum lauten Beyfall.
Am 10ten Sept. führte man Elisabetta von Rossini auf, worin Dem. Funk nach ihrem Aufenthalt in Italien zum erstenmale wieder auf dem hiesigen königl. Theater auftrat; und zwar in der sehr schweren Rolle der Elisabeth, welche sonst Fr. v. Biedenfeld spielte. Schwer ist sie nicht nur wegen der grossen Menge Coloraturen, die sie enthält, sondern auch, weil die hierzu nöthige, sehr gefügige Stimme zugleich stark seyn, u. der Gesang, was Ausdruck anlangt, in Declamation und Cantilem sehr mannichfaltige Gefühle darlegen, und doch dabey überall Energie und Würde behaupten soll. Man interessirt sich hier sehr für diese Sängerin, und hat Grund dazu; wir theilen dies Interesse, freuen uns der Vorzüge, die sie besitzt, und wünschen zu deren verständiger Anerkennung jederzeit beyzutragen: darum sey vor allem eingestanden, dass Dem. Funk in der Wahl ihres ersten Debüts nicht glücklich gewesen war; nicht nur, weil Fr. v. Biedenfeld eben diese Rolle, vornämlich was Volubilität und Präcision der Stimme und des Vortrags anlangt, so vorzüglich ausführte und noch im frischen Andenken war, sondern auch, weil eben diese Musik für Stimme u. Vortragsart der Dem. F. nicht vorzüglich geeignet ist. (So schienen ihr, was hier die unerlässliche Geläufigkeit anlangt, die aufwärts steigenden Volaten Mühe zu kosten, u. s. w.) Ihr Gesang – was allerdings in anderer Beziehung zu rühmen ist – strebt mehr nach Verbreitung der Stimme; was sie in der Cavatina im Finale des 2ten Acts: Bell’ alme generose – bewies. Dieses Stück, was sie am besten audführte, machte darum auch den meisten Eindruck auf das Publicum. Ihre Vorgängerin übertrifft Dem. F. vorzüglich in einer frischern und weit mehr sonoren Stimme; ¦ und die Fortschritte, die sie in der Schule Italiens gemacht hat, zeigen sich am meisten in der Aussprache und Declamation der Recitative, die sie mit grosser Haltung und Deutlichkeit vorträgt. Ueberdies hat sie auch mehr Stärke und Einheit in den tiefen Tönen erworben, ob sie gleich bey dieser Uebung ihre hohen Töne etwas geschwächt zu haben scheint, die nicht mehr so biegsam, eindringen und sonor sind, wie sie es vor ihrer Reise waren: doch müssen wir hinzusetzen, dass dies letzte auch nur so scheinen konnte, da sie – wie wol fast jedes junge Frauenzimmer im ersten und einem so schwierigen Debüt vor einem grossen, überaus gespannten Publicum – nicht ganz unbegangen und frey sang. Hierin finden wir auch den Grund, dass sie in gewissen Tönen nicht immer rein intonirte: sollte aber davon der Grund nicht in jener Schüchternheit liegen, so wird sie gewiss durch anhaltendes Bemühen auch diesen Mangel nach und nach ganz zu entfernen wissen. Sie hierauf aufmerksam zu machen, hielten wir uns für verpflichtet, und zweifeln nicht, sie selbst werde unsre Erinnerung gern aufnehmen, wenn auch nicht die Urheber ihrer ungemessenen Lobpreisungen. Ihr Spiel zeigte sich, wenigstens diesmal, noch als das ehemalige: etwas kalt und nicht belebt genug. Ihre Gestalt ist schön und sehr interessant. Das Schauspielhaus war gedrängt voll und die Erwartung gross: da aber das Publicum das nicht alles fand, was in einigen Journalen schon im voraus angegeben und überhaupt gepriesen war, so machte sie, und gewiss nicht ohne Schuld solcher Freunde, den gehofften Eindruck nicht. Das wird sich aber finden und allmählig selbst ausgleichen, wenn nur Dem. F. beharrlich selbst will und nicht missgleitet wird. Uebrigens war die Ausführung dieser, weit mehr concertmässigen, als dramatischen Musik (von welcher wir schon mehrmals gesprochen haben) anziehend und schön. Das gesammte Personale war bemühet, sich auszuzeichnen; namentlich Mad. Mieksch, als Mathilde, Hr. Benelli, als Leicester, und Hr. Tibaldi, als Norfolk. Das Orchester zeigte vollkommene Aufmerksamkeit und Genauigkeit, wozu die präcise und belebende Leitung des Hrn. Kapellm.s von Weber beytrug. Das Publicum war mit dem Ganzen der Vorstellung sehr zufrieden.
Am 12ten d. wiederholte man Fioravanti’s Cantarici villane, worin sich Hr. Benincasa, wie immer, als braven Komiker zeigte, jedoch diesmal ¦ sich (im ersten Finale) auch Spässe erlaubte, wie sie für ein auserlesenes Publicum nicht recht passten. Das Orchester gerieth in einigen Stellen in merkliche Unordnung; wahrscheinlich, weil der Dirigirende ein anderes Tempo wollte, als man früher, und wohlbedacht, angenommen hatte.
Am 10ten kam die berühmte und bezaubernde Sängerin, Mad. Catalani, von Wien, Prag etc. hier an. Unsere Sehnsucht, sie zu hören, nachdem sie fast in ganz Europa eine glänzende Epoche gemacht hat, war sehr gross. Am 18ten sang sie in Pillnitz in einem Concerte, welches Nachmittags, in Gegenwart Ihrer Majestäten, der königl. Familie, des Herzogs Albert, des Herzogs von Coburg etc. gegeben wurde. Niemand von uns hatte das Vergnügen, sie zu hören: wir erfuhren aber, dass sie alle Anwesende in Erstaunen und Bewunderung gesetzt habe. Se. Majestät der König machte ihr ein Geschenk mit 200 Friedrichsd’or, und die ganze hohe Versammlung ertheilte ihr die ausgezeichnetsten Lobsprüche.
Am 19ten führte man in der schönen Frauenkirche eine Cantate zur Vorfeyer des Festes der 50jährigen Regierung Sr. Majestät, unsers hochverehrten Königs, auf. Das Gedicht ist von Hrn. Kuhn in Dresden, u. die Musik vom Hrn. Cantor der Kreuzschule, Uber. Der Anblick der Versammlung war imponirend. Ihro königl. Hoheiten, die Prinzen Anton, Maximilian, Albert, der Herzog von Gotha etc. waren zugegen und eine unzählige Menge Zuhörer, grossentheils aus den angesehensten und gebildetsten Ständen. Die Kirche selbst war prächtig erleuchtet. Das Orchester war beym Altar errichtet, und die Anzahl der Künstler, welche das Ganze bildeten, sowohl Instrumentisten als Sänger, nebst denen, welche das Chor der Engel in der schönen Kuppel vorstellten, belief sich auf 300 Personen. Von dem Gedichte wird es hier genug seyn, zu sagen, dass es zwar manche gute Gedanken und Gefühle, aber (einige Sätze ausgenommen) auf eine, für musikal. Bearbeitung gewiss nicht günstige, und überdies sehr schwierige Weise ausspricht. Desto mehr ist zu rühmen, dass Hr. Uber eine so brave Composition lieferte, die auch vollkommen so angeordnet u. gearbeitet war, wie es für solch ein grosses Gebäude passt. Der Styl näherte sich dem ältern italienischen, und die merkwürdigsten Stücke schienen uns folgende: Sopran-Arie: Ach unsrer Kindheit Frieden etc. die Tenor-Arie: Auch für des ¦ Kummers etc. der meisterhaft in lauter vollkommenen Accorden geschriebener Choral. Das Chor: Den König segne Gott etc. mit dem Thema der Melodie, God save the King, war von sehr guter Wirkung: aber die harmonische Wirkung verdoppelte sich beym Einfallen des ganzen Orchesters, wo die colorirenden Noten der Harmonie gleichsam Variationen der Saiten-Instrumente machten. Das Gebet: Gieb Frieden ihm etc. für Diskant, Tenor und Bass, war ein gutes, ausrucksvolles Stück, und das Schluss-Chor war wahrhaft erhaben und von grosser Wirkung. Es begann mit dem Chore der Engel, das sich in grosser Entfernung in der schönen Kuppel befand, und nur von Posaunen und Pauken begleitet wurde, welches eben in diesem Locale ein bewundernswürdiges Echo gab. Dies Chor vereinigte sich mit aller Genauigkeit im Tempo etc. mit dem allgemeinen, unten befindlichen Chore. Das Ganze schloss mit einer Fuge. Dass man hin und wieder Längen und Monotonie verspürete, lag keineswegs an dem Componisten, der vielmehr gethan hatte, was irgend thunlich war, um beydem zu begegnen. Die Solostimme des Sopran, (die Jugend) sang Dem. Benelli, und ihre jugendliche Stimme füllte den weiten Raum weit mehr aus, als man erwartet hatte. Sie sprach auch deutlich aus und declamirte kräftig. Vorzüglich hob sie mit starker Stimme die schöne Stelle passend hervor: „Das durfte fröhlich blühen im ganzen Sachsenland.“ – Genauigkeit, Fleis und einen gefälligen Ausdruck in ihrem Gesange müsste ich eben so loben, wie ich es früher bey anderer Gelegenheit gemusst. Hr. Bergmann (der Krieger) fand und verdiente gleichfalls Beyfall. Der wahrhaft schöne Ton seines Tenors nahm sich hier sehr vortheilhaft aus. Der Bassist, Hr. Toussaint, (das Alter) gefiel ebenfalls, ohngeachtet der von ihm verfehlten Stelle in dem Gebete für drey Stimmen.
Am 20sten, dem so überaus schönen, wahrhaftigen Jubel-Tage, wurde in der katholischen Kirche Vormittags um 11 Uhr von der kön. Kapelle das berühmte Te Deum von Hasse aufgeführt, und dann eine neue, zu dieser feyerlichen Gelegenheit ausdrücklich vom Hrn. Kapellm., Ritter Morlacchi, geschriebene Missa gegeben. Sie war nur kurz, um das heilige Amt nicht zu verzögern: daher, und auch, weil wir sie nur dies Eine mal gehört, halten wir uns bey ihrer Analyse nicht auf, sondern sagen blos Folgendes. Das ¦ Kyrie ist ein andächtiges Andante in E dur, das Gloria ein Allegro in A dur, das Credo ein Allegro in E moll, das Offertorium ein Moderaro in F dur für eine Solo-Sopranstimme mit Begleitung von Hörnern, das Sanctus ein Largo in H dur, und endlich das Agnus Dei wieder ein andächtiges Andante in E dur. Die bemerkenswerthesten und wirksamsten Stücke sind das Kyrie, eine Fuge am Ende des Gloria, und das Agnus Dei. Diese waren nach dem Geschmacke der Kenner u. auch der Nichtkenner. Hr M. wird uns aber erlauben, zu bemerken, dass die Noten und Accorde im Credo bey der Begleitung der arpeggirenden Violoncelle keine klare Melodie in einem so weiten Raume, wie diese Kirche, bilden können, dass das Zertheilen Verwirrung bewirken musste. Das Thema des Sanctus war wol zu traurig für diese erhebenen Worte. Die Ausführung war von Seiten der Sänger und der Instrumentisten so vollkommen, als möglich. Die schöne Kirchenstimme des Soprans, Hrn. Sassaroli, war, leider, eben an diesem schönen Tage nicht ganz in ihrem Flore; so dass er sich nicht, wie sonst wol, auszeichnen konnte.
An demselben Abende wurde im grossen Theater ein glänzend angeordnetes Vocal- und Instrumental-Concert gegeben. Die Versammlung der Standespersonen in Galla war prächtig. Ihro Majestäten und das ganze königl. Haus, so wie die Herzoge von Teschen, Coburg, Meiningen, Gotha etc. waren gegenwärtig. Der Saal war herrlich erleuchtet. Folgende Stücke wurden aufgeführt: 1) Ouverture in E dur, vom königl. Kapellm. von Weber zur Feyer dieses Festes gesetzt. Die schönen, ansprechenden Motiven und Melodien, das Feuer der Instrumentation, und die ausgezeichnete, wahrhaft begeisternde Weise, wie das God save the king gegen das Ende herbeygeführt ist und mit jeweiliger Kraft hervortritt – begeisterten alle Anwesende. 2) Arie in Es dur, gesungen von Dem. Funk, und vom königl. Kapellm. Hrn. Morlacchi ausdrücklich für sie zu Neapel in der Oper Boadicea gesetzt. Die Arie ist ausgezeichnet brav. Die Musik sagt hier wirklich aus, was in den Worten liegt; sie ist sehr melodiös; sie ist der Stimme und Vortragsart dieser Sängerin wirklich angemessen; weshalb denn auch diese ¦ hier eine weit schönere Wirkung hervorbrachte, als in obengenannter Oper. 3) Concert in D moll für die Violine, gesetzt und vorgetragen vom königl. Concertm., Hrn. Polledro. Die Composition stehet seinen übrigen nach, und machte daher nicht den Eindruck, den wir erwartet hatten. Er spielte schön, wie wir kaum zu versichern brauchen: aber wir haben ihn noch schöner spielen hören, und suchen den Grund eben in der Composition selbst. 4) Duett von Nicolini in C dur, ges. von Dem. Funk und dem Sopran, Hrn. Sassaroli. Die Composition war nicht von grossem Gehalt, und für diesen Saal gehört auch eine ganz andere Instrumental-Musik, wenn sie wirksam seyn soll. Hrn. Sassaroli´s Stimme schien ermüdet, und klang weniger gut, als sonst: da wollten denn diese beyden hohen Stimmen sich nicht recht vereinigen; Hrn.S.s. Töne sanken hin und wieder etc. 5) Rondo und Variationen für die Klarinette in F dur von Kramer, vorgetragen vom Hrn. Kammermus. Rothe; und 6) Quartett in C dur von Zingarelli, ges. von Dem. Funk und den Herren Sassaroli, Tibaldi und Benincasa. Die Composition ist etwas alten Schlages, und in der Melodie trocken und monoton; die Singenden gaben sich alle Mühe: es wollte aber nicht viel helfen. Und ob für solch einen Tag, solch eine Versammlung und solch ein Locale, solche Musik, wie die hier gegebene No. 3 an, passend gewählt war, mögen Sie und verständige Leser beurtheilen.
(Die Fortsetzung folgt)
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsberichte Dresden
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Blümer, Simon
Überlieferung
-
Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 20, Nr. 42 (21. Oktober 1818), Sp. 737–743