Aufführungsbericht Dresden, Hoftheater: 18. Januar bis 8. Februar 1817 (darunter Webers erste Vorstellung von Méhuls „Joseph“)

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Dresden. Auf Figaro’s Hochzeit von Mozart, gab man la Scelta dello Sposo vom jüng. Guglielmi. Da in diesen Blättern nie von derselben die Rede gewesen ist, so sey es uns erlaubt, über diesen musikal. Potpourri oder Centone etwas Weniges zu sagen. Wir nennen diese Oper deswegen so, weil die wenigsten Stücke derselben von Guglielmi sind. Ueber die Ouverture und Introduction ist nichts zu sagen, da sie von geringem Gehalt sind. Die Cavatina der Dejanira in G dur, die von Generali ist, haben wir sehr angenehm und im komischen Charakter geschrieben gefunden; das Duett in B dur, zwischen Tenor und Discant, (Ernst und Dejanira) ist von Gugl. und auch sehr angenehm. Ernst’s Arie in C dur ist ziemlich schlecht und ohne Rhythmus; das Duett zwischen Orlando und Dejanira hat viel Anmuthiges und Komisches, wie es das Stück erfordert, ist aber vom ältern Guglielmi. Dejanira’s Arie in B dur ist von Rösler, und thut allerdings ihre Wirkung, ist übrigens in etwas veraltetem Style und monoton. Das Quartett in B dur, welches als erstes Finale dient, ist eins von den leichten Producten musikal. Kunst. In der Ariette von Nicolini, welche Lauretta im 2ten Aufzuge singt, finden sich sehr angenehme Motive; die von Benelli gesetzte Scene ¦ und Polacca macht gute Wirkung, aber die Scene passt nicht für diese Situation, schickt sich besser für eine ernsthafte, als komische Oper, und die Polacca fanden wir etwas lang und einer Abkürzung bedürftig. Die Arie des Pistona ist von Portogallo. Dejanira’s Arie, worin sie das Tanzen, Fechten und Singen der drey Bewerber nachmacht, ist von Gugl., und das beste, mit wirklicher Komik geschriebene Stück der Oper; auch gab ihr das Publicum seinen Beyfall. Ueber das Finale sagen wir nichts, denn es ist eben so unerheblich, wie die Ouverture und die Introduction. Was die Poesie betrifft, so hat sie zwar von ihrer ersten Gestalt verloren, weil sie ursprünglich eins der einactigen Stücke ist, welche der Italiener Farsen nennt: dennoch ist sie angenehm, und der Compositeur hätte zu und mit ihr bessere Musik machen sollen. Mad. Sandrini, als Dejanira, war im Gesange und Spiel ganz an ihrer Stelle. Hrn. Bassi (Orlando) würden wir rathen, solche starke und degagirte Charaktere nicht zu übernehmen; sie passen weder zu seiner Stimme, noch zu seinem Alter, noch zu seiner Gestalt. Hr. G. Sassaroli (Pistona) spielte ziemlich gut. Hrn. Benelli (Ernst) sang seine Polacca gut und erhielt Beyfall.

Nach dieser Oper wiederholte man die Schweizerfamilie von Weigl, und dann den Barbier von Sevilla von Morlacchi. Wir fanden von letzter bestätigt, was im vorigen Jahre in No. 23, S. 384, und No. 35, S. 611 dieser Zeit. über ihre Musik und Aufführung gesagt worden; müssen jedoch hinzusetzen: in diesen beyden Vorstellungen ging das Ganze, im Gesang, wie im Orchester, weit besser, als damals, bey der Abwesenheit des Compositeurs. Er hat uns eine neue Gewitter-Symphonie hören lassen, womit der 4te Aufzug beginnt: wir fanden sie, an Wirkung und innerm Gehalt, der ersten gleich. Wie gewöhnlich zeichneten sich in dieser Oper Mad. Sandrini, so wie die Hrn. Bassi, Benelli und Benincasa aus. Hr. Poland spielte zur Arie der Mad. Sandrini, deren Stimme übrigens jetzt etwas schwach, und nicht hinreichend metallisch ist, um ein so langes, schweres und ermüdendes Stück durchzuführen, – das Solo auf der Viola mit grosser Präcision und Nettigkeit, und fand allgemeinen Beyfall: Sonderbar ist es übrigens, dass bey dieser Oper, trotz ihrer oft schönen Musik, das Theater in den letzten Vorstellungen ganz leer war.

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Am 30sten Jan. gab das Institut für deutsche Opern zum erstenmale Jacob und seine Söhne in Aegypten; musikal. Drama in 3 Aufzügen, nach Düval, mit Musik von Mehül. Wir wollen uns nicht in eine Analyse dieser, in ihrer Art vortrefflichen Oper einlassen, da Jedermann sie kennt, und ihren, so wie ihres Meisters Werth zu würdigen weiss. Nur über die Aufführung sey uns erlaubt, mit der, bey Kunsterzeugnissen verstatteten Offenheit Folgendes anzumerken. Die nie bestrittenen, ausgezeichneten theoretischen Kenntnisse, Talente und Erfahrungen unsers jetzigen, wahrhaft geehrten Directors und Kapellm.s, Hrn. Carl Maria v. Weber, seine Genauigkeit und Sorgfalt bey der Leitung dieses Kunstwerks, so wie überhaupt sein zweckmäßiger, thätiger Eifer für die Gründung und Vervollkommnung des neu errichteten Instituts, erregten schon im Voraus die Erwartung, nicht nur eine genaue, sondern auch eine beseelte, in ihrer Art vollkommene Darstellung zu sehen; und das Schauspielhaus war darum so angefüllt, dass Mehre nicht unterkommen konnten. Wir fanden nun dies: im Orchester eine vollkommene Einheit, ein schönes Piano und Forte, das Decrescendo und Crescendo so ausgezeichnet, und das Forte so lebhaft, dass auch die Zuhörer darüber erstaunten; der Rhythmus in der Musik wurde gehörig beobachtet, die Chöre wurden rein und sorgfältig gesungen, und die Schauspieler, als solche, doch noch nicht gleichmässig als Sänger, wussten grösstentheils ihre Kräfte so gut zu benutzen, dass die Erwartungen des Publicums übertroffen wurden. Dennoch müssen wir mit gleicher Aufrichtigkeit sagen, dass Josephs Rolle, weder im Gesang, noch in der Action, für Hrn. Bergmann war. Wir haben ihm zwar eine gute Stimme schon zugestanden: aber diese ohne gute Methode kann nicht genügen; und dass ein Schauspieler auch spielen müsse, sagt schon das Wort. So passte auch Dem. Schubert zu Benjamins Rolle nicht recht: zwar spielte sie sehr gut und mit einnehmender Unschuld; aber schon ihre für diesen Jüngling zu ausgebildete, grosse Gestalt, und dann ihr Gesang waren nicht recht angemessen. Hr. Wilhelmi, als Simeon, zeigte eine starke, helle Stimme, aber er schreyt und detonirt zuweilen; es fehlt ihm noch an guter Schule. Doch ist nicht zu vergessen, dass er, als Sänger, zum erstenmal hier auftrat, und die Rolle auch wenig Gelegenheit giebt, im Gesange sich hervorzuthun. Als Schauspieler zeigte ¦ er sich brav; eben darum wollen wir ihn auch darauf aufmerksam machen, dass er sich hätte mehr aufrecht halten sollen. Man kann ja das Haupt neigen, ohne sich zu beugen; was immer einen widrigen Eindruck auf das Auge macht. Von den übrigen Brüdern und von Jacob haben wir schon oben gesagt, dass sie des Publicums Erwartungen übertrafen.

Wir können auch nicht unterlassen, der schönen, durch unsern kunstreichen Hofmaler, Hrn. Winkler, gelieferten Decorationen zu erwähnen; sie zeichneten sich zugleich als charakteristische Bilder jenes Volks und uralter Zeit aus. Eben so gern bemerken wir auch die schönen Gruppen, welche die Theater-Kenntnis unsers Regisseurs, Hrn. Hellwigs, anzuordnen, und auch so überaus schöne Charaktergemälde zu bilden wusste. Wir danken den so eben genannten Hrn., und besonders dem Hrn. Kappelm. v. Weber, so wie der Direction, dass sie nichts gespart haben, was zur Würde und Zierde des ganzen Stücks beytragen konnte; und wiederholen, dass das Ganze der Darstellung schon an sich preiswürdig gewesen wäre, noch weit mehr es aber ward als erster Versuch dieser Art auf dieser Bühne, und bey noch so sehr beschränktem Personale.

Nachher gab das italien. Institut die Oper, I Fratelli rivali, von Winter. Von dieser haben wir schon in No. 41, S. 707, im vorigen Jahre gesprochen; jedoch fügen wir noch einige Worte über zwey in derselben neu aufgetretene Sängerinnen hinzu. Mad. Miecksch hatte die Rolle der Enrichetta; wir fanden aber, dass ihre Stimme, sowol im Ausdrucke, den vorzüglich die grosse Scene und Arie des zweyten Aufzugs erfordert, als auch in der Stärke der Declamation, der Haltung des schönen Gesangs etc., zu derselben nicht recht passt. Wir dachten an das Jahr 1805, wo die treffliche Charlotte Häser diese Rolle mit so richtigem Gesange, so schöner Stimme, so ausgezeichnet in Ausdruck, Declamation und Mimik spielte, dass diese Oper ihr schönster Triumph wurde. Mad. Schüler-Biedenfeld, als Rosalba, zeichnete sich in der Polacca von Weigl: Torni serena l’alma die sie eingelegt hatte, sehr vortheilhaft aus; sie sang sie mit Lebhaftigkeit und passendem Ausdruck; fand daher auch vielen Beyfall.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden 18. Jan. bis 8. Febr.1817, darunter EA „Jacob und seine Söhne in Aegypten“ von Méhul

Entstehung

vor 5. März 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Annelie Goldlücke

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 19, Nr. 10 (5. März 1817), Sp. 180–183

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