Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 21. August bis 1. September 1818
Am 21. Aug. Zum Erstenmale. Auf dem Linkeschen Bade: Der Teufelsstein in Mödlingen, romantisch-komisches Volksmärchen, mit Gesang, in 3 Akten, von Hensler, mit Musik von Wenzel Müller.
Das Publikum hat bereits für diesen Schwank entschieden, denn in vierzehn Tagen und bei schönem Wetter sind vier Vorstellungen davon bei überfülltem Hause gegeben worden. Und warum sollte man ihm diese Freude nicht lassen? Ergötzt man sich doch gern auch jetzt an Kaleidoskopen, wo die mannigfachsten Bilder in bunter Reihe, aber ohne innern Zusammenhang, vor das Auge gebracht werden. Den innern Zusammenhang dieses Stücks regelrecht zu suchen, fällt nun wohl auch niemand ein; aber das Bühnenspiel dreht sich während dreier Akte auch hier vor dem leiblichen und geistigen Auge herum und entfaltet gar artige Bilder, wo es denn kein Wunder ist, wenn man sich dadurch unterhalten, von den Mühen des Lebens durch heitres Auffassen dieser Gestaltungen erleichtert und ohne Anstrengung belustigt findet. Es wäre ja höchst unbillig und grausam, hier die strenge Kritik anwenden zu wollen, so wie es unartig wäre, jemand das Kaleidoskop von Auge wegzureißen und zu sagen: wie kannst du nur daran Gefallen finden, es sind ja nur bunte Steinchen, oder höchstens Blumenblätter und Flor, die dir die ergötzliche Täuschung und unterhaltende Abwechslung hervorbringen. Wie dies von dieser Dichtung gilt, so gilt es wohl auch von der Musik, die aber doch nicht selten manches heiter-charakteristische hat.
Der Hauptacteur bei der Darstellung ist übrigens der Maschinist, und der hat großes Lob verdient. Hr. Maschinen-Insp. Lißmann hat überhaupt, seit er bei unsrer Bühne angestellt ist, uns manchen Beweis seiner Geschicklichkeit gegeben, und hier im beschränkten Raume alles geleistet, was man nur fodern konnte. Von unsrer braven Hartwig ist es hiernächst gewiß eine rühmenswürdige Aufopferung, die Rolle der geistischen Sophie zu übernehmen, die bald über der Erde schwebt, bald unter ihr versinkt, und dabei wohl zwölffachen Wechsel der Gestaltungen hat. Durch das Eintreten einer so braven Darstellerin in den ernstern Theil des Stücks, gewinnt dieser allein eine Art Haltung, und wohl wenig Schauspielerinnen dürften selbst einer solchen körperlichen Anstrengung gewachsen seyn. Ich sage mit Recht „gewachsen“, denn eben durch ihre liebliche Körperlichkeit und kunstmäßige Tragung wird das Aufschweben der Sophie im zweiten Akt zu einem wirklich sehr schönen und wohlthuenden Anblick, der auch nie des lautesten Beifalls verfehlte. Hier muß überhaupt allen Darstellern das Lob des Fleißes und der Lebendigkeit gegeben werden. Auch der kleine Pipi, Luise Wagner, ist recht graziös, nur wohl schon etwas zu erwachsen.
Am 22. Aug. In der Stadt: Paolo e Virginia.
Am 23. Aug. Auf dem Bade: Der Teufelsstein.
Am 24. Aug. In der Stadt: Der Geisterseher.
¦(Die Heimkehr, am 26. Aug. s. Nr. 219 u. 220.)
Am 27. Aug. Ebendas. Van Dyck’s Landleben, von Fr. Kind.
Die Bemerkung, die wir bei der ersten Aufführung dieses Stücks, wovon nun eine doppelte Ausgabe (bei Göschen, 1817), die eine mir sauber colorirten Kupfern, in den Händen aller wahren Theaterfreunde ist, zu machen hatten, daß dadurch gewissermaßen eine neue Gattung des höhern idyllischen Dramas begründet werde, welches ungestraft auch in den Regionen des Trauerspiels sich versteigen dürfe, rechtfertigt sich bei jeder wiederholten Aufführung. Die diesmalige war zu den gelungensten zu rechnen, die man von diesem Lieblingsstück des Dresdner Publikums gehabt hat. Es war die regeste Wechselwirkung zwischen der in allen seinen Theilen wohlgerundeten Darstellung, und dem Publikum, welches zum Theil aus hier anwesenden Fremden bestand, überall bemerkbar. Ausländer, mit unserer Sprache und Literatur bekannt, zollten Mad. Schirmer, die als Lenchen, besonders in der die Entsagung vorbereitenden Scene, in und nach der Unterredung mit Ritter Nanni, in den Zuschauern jede Saite des Mitgefühls zu berühren wußte, ihren lautesten Beifall. Aber auch Mad. Werdy als Paola, Hr. Wilhelmi als Niclas, und so fort alle untergeordneten Personen im Stück, trugen zu dem Gesammteindruck redlich bei. Erst so tritt die Intention des Dichters ganz verständlich hervor. Van Dyck kann nicht anders handeln. Wir hoffen, bei der nächsten Vorstellung auch das alles vollendende Nachspiel, den Kirchhof, zu sehen. Es ist wirklich schwer zu begreifen, warum Van Dyck bis jetzt blos auf den Bühnen von Wien und Hamburg gegeben wurde. Die Mittel zur Aufführung hat jede wohlorganisirte Bühne. Es ist Vorurtheil, zu wähnen, daß eine Gemäldegallerie, wie die Dresdner, dazu gehöre, um die dem Stücke ganz natürlich und ungesucht eingeflochtnen Tableaux richtig darstellen zu können. Es sind, das aus Kupferstichen überall bekannte Familienstück ausgenommen, durchweg nur Gruppirungen und Scenereien, welche die ganzen Gattungen berühren, und also von jedem verständigen Anordner (besonders da, wo eine Kunst- oder Zeichenacadamie vorhanden ist,) sogleich erschaffen werden können. Man spricht und schwatzt jetzt so viel von bildender Kunst und Tableauxstellungen. Durch eine wohlberechnete Aufführung dieses Stücks kann sich jede Direction ein stilles Verdienst um die Bildung des Geschmackurtheils erwerben. Der Gegensatz der flamändischen und italienischen Malerschulen tritt von selbst hier in die Anschauung. Auch würde der bei uns lebende geniale Dichter gewiß gern jeder Direction, die sich besonders an ihn wendete, noch besondere Auskunft zu geben gern bereit seyn.
Am 29. Aug. Ebendas. L’inganno felice. Zwischen den Akten und am Schluß bließ Hr. Kapellmeister Dietz eine Polonaise auf der Oboe, und der Kapellmeister L. Hase spielte Variationen auf der Violine.
Am 30. Aug. Auf dem Bade: Der Teufelsstein.
Am 1. Sept. In der Stadt: Donna Diana.
Apparat
Verfasst von
- Karl Theodor Winkler
- Carl August Böttiger
- Anonymus
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 21. August bis 1. September 1818, dabei besonders über „Der Teufelsstein in Mödlingen“ von Hensler und „Van Dyck’s Landleben“ von Kind.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 218 (12. September 1818), Bl. 2v