Städtecharakteristik: Darmstadt
Korrespondenz-Nachrichten.Δ
Darmstadt, April.ΔEs gibt gewiß wenige Fürsten, die mit so vieler WärmeΔ die Kunst pflegenΔ, als Se. Hoheit der Großherzog. Besonders in musikalischer Hinsicht, wo ihm als Kenner ein kompetentes Urtheil zusteht, ist seit ein Paar Jahren durch anhaltenden Eifer bedeutend viel geleistet worden; das Δ Orchester zählt sehr brave Mitglieder (worunter der dirigirende Konzertmeister ¦ Mangold als achtungswerther Violinspieler besonders auszuzeichnen ist), und wird von einer Anzahl Liebhaber aus allen Ständen, von Se. Königl. HoheitΔ dazu aufgemuntert, fleißig unterstützt, – so wie ebenfalls,Δ was den Gesang betrifft, Δ außer ein Paar fürs Konzert engagirten Sängern, auch aus lauter Dilettanten ein sehr zahlreiches schönes Chor gebildet istΔ, das gewiß jedem Fremden beym ersten Anhören erfreulich imponirtΔ.
Mit diesen vereinten Kräften wurden sonst wöchentlich 3 bis 4 sogenannte Konzert-Proben im Großherzogl. SchlosseΔ veranstaltet, wo größere Musik-Stücke, als Opern, Oratorien, Kantaten etc. aufgeführtΔ wurden, und wozu nur wenigen Zuhörern der Eintritt gestattet war.Δ Der Großherzog wohnte selbstΔ allen diesen Proben bey, und war, indem er in einer Partitur nachlas, aufs eifrigste für die Richtigkeit des Vortrags besorgtΔ. Das Auffallendste war Ref. ein Piano, dergleichen er noch von keinem Orchester gehört zu haben sich erinnert, doch steht es auchΔ manchmal, besonders nach Forte-Stellen, nichtΔ an seinem Platze, weil die Mittel-Tinten verloren gehen, und es sich selbst seinen Eindruck schwächt. Auch vermißte Ref. ein kräftiges tönendes Forte, aus Mangel an guten Ton aus ihren Instrumenten ziehenden Geigern und Violoncellisten; Δ wirdΔ diesem Mißstande abgeholfen, wie man es Δ von den Einsichten Se. Hoheit erwarten kann, so darfΔ sich das Darmstädter Orchester zu den bestenΔ Deutschlands zählen. Die ungemeine Herablassung und Artigkeit, die Se. Hoheit der Großherzog übrigens bey allen diesen Gelegenheiten beweist, muß Ihm gewiß die Liebe aller seiner Untergebenen erwerben.Δ
Trotz aller dieser Aufmunterungen von Seiten des Regenten, Δ ist doch nicht der eigentliche Musik-Sinn in Darmstadt zu finden, der sich in den kleinen häuslichen Zirkeln am lebhaftestenΔ ausspricht, wo das Bedürfniß und der Drang zur Kunst die Menschen vereint, unter einanderΔ Quartette etc. zu veranstalten. Man sieht da die MusikΔ gleichsam als eine Art von Dienstpflicht an, die man übt, um sich dem Herrn gefällig zu zeigen; und kaum ist die Probe vorbey, so ruht das Instrument Δ bis zur nächsten.
Daß diese Kälte endlich schwinden, und allgemeiner die Liebe für das Schöne erwarmen möge, wünscht Ref. von Herzen, und hofft es auch nach und nach von demΔ wohlthätig wirkenden Einflusse des Theaters und der dadurch nothwendig größeren Anzahl von guten Künstlern, die Darmstadt bewohnen werden. Es ist zwar keine Kleinigkeit, ein neues Theater gutΔ zu organisieren, und hier bedarf es vor allem eines thätigen, sachkundigen DirektorsΔ, aber der feste Wille Se. Hoheit des Groß-Herzogs, der dahin zu gehen scheint, eine wahrhaft gute BühneΔ zu besitzen, wird gewiß alle Schwierigkeiten besiegen.
An Hrn. Wohlbrück hat manΔ eine interessante Acquisition gemacht, und von solchen einzelnen braven Künstlern kann man den vortheilhaftesten Einfluß auf die Bildung des Ganzen erwarten. AuchΔ Mad. Schönberger entzückte Δ in einigen Rollen das Publikum*, und die Darstellungen Δ der Entführung aus dem Serail, und der drey Sultaninnen, die Ref. zu sehen das Vergnügen hatte*, waren wirklich schon recht gediegen und vielversprechendΔ. Besonders sind die Chöre, die aus lauter der Kunst neugeworbenenΔ Mädchen und Jünglingen bestehen, und deren Anzahl an die 50 ist, – unter der Leitung des braven Sängers Markwort, in der unglaublich kurzen Zeit von ein Paar Monaten so gereift, daß binnen Kurzem wenigeΔ Theater Deutschlands sich eines solchen Chores zu rühmen haben werdenΔ. Kurz, es fehlt durchaus an keinen Mitteln, einen schönen Zweck zu erreichen, und daß diese gehörig benutzt werden mögen, wünscht Ref. von Herzen, zur Freude des kunstliebenden Herrschers und zur Bildung des guten Geschmackes.Δ
Apparat
Zusammenfassung
Weber lobt den kunstliebenden Großherzog und das passable Orchester; allerdings mangle es an musikalischer Begeisterung bei der allgemeinen Bevölkerung; benennt noch einzelne bedeutende Künstlerpersönlichkeiten wie Wohlbrück und Schönberger
Generalvermerk
Zuschreibung: autographer Entwurf (s. Überlieferung) und vgl. Bartlitz, S. 65; Vermerk im Redaktionsexemplar im DLA Marbach: v. Weber; lt. TB, 20. April 1811 an Cotta geschickt; vgl. außerdem Briefe Webers an Cotta vom 29. Januar 1811 sowie Brief von Weber an Gottfried Weber vom 27. Februar 1811
Entstehung
Niederschrift vermutlich Februar 1811 (nach KS und Brief an G. Weber vom 27.02.); 20. April 1811 (laut TB Absendung an Cotta)
Überlieferung in 2 Textzeugen
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1. Textzeuge: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 118 (17. Mai 1811), S. 472
Dazugehörige Textwiedergaben
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Kaiser (Schriften), S. 155–157 (nach ED, ergänzt durch ersten Absatz aus Entwurf) (Nr. 21)
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2. Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (IV), Bl. 34a/r – 34b/r obenQuellenbeschreibung
- über dem Manuskript „Kunstzustand in Darmstadt“. Incipit: „Ich möchte hier wohl mit dem Hettmann in Benjowsky sprechen“; keine Datierung
- auf Bl. 1r bis Bl. 2r oben eines DBl. (Format 33x20,3 cm, WZ: Lilienblüte, Gegenmarke: MH; Kettlinien ca. 2,6 cm, graues Papier); von Weber mit S. 39–41 paginiert; Vermerk Webers über ED im Autograph
Dazugehörige Textwiedergaben
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HellS II, S. 65–68
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MMW I, S. 243–245
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… “Zu der Lesart an dieser Stelle (Achtung: in Einstellungen "Lesarten" anzeigen lassen), vgl. Dismas Fuchs, Chronologisches Tagebuch des Grossherzoglich Hessischen Hoftheaters, von der Begründung bis zur Auflösung desselben, ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Schaubühnen, Darmstadt 1832 sowie Ernst Pasqué, Musikalische Statistik des Grossherzoglichen Hoftheaters zu Darmstadt von 1810–1868 und der Krebs’schen Epoche von 1807–1810, Darmstadt 1868 (s. BSB digital ).
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„… in einigen Rollen das Publikum“Marianne Schönberger gastierte am 21. Juni 1810 als Belmont in der Entführung aus dem Serail, am 22. Juni als Loridan in Camilla und am 25. Juni als Murney im unterbrochenen Opferfest in Darmstadt; vgl. 1810-V-09.
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Lesarten
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „Ich möchte hier wohl mit dem Hettmann in Benjowsky sprechen, wenn ich sage, KunstZustand in Darmstadt, so verstehe ich darunter, daß die Kunst eigentlich gar keinen Zustand in Darmstadt hat, und so ist es auch leider bis jezt beynah gewesen, und würde es auch noch geblieben seyn, wenn nicht die Gründung des neuen Hoftheaters eine günstige Revolution hervorzubringen verspräche.“
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Textzeuge 1: „Wärme“Textzeuge 2: „Liebe und Wärme“
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Textzeuge 1: „pflegen“Textzeuge 2: „pflegten“
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „Großherzogliche“
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Textzeuge 1: „so wie ebenfalls,“Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „so ist“
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Textzeuge 1: „ist“Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
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Textzeuge 1: „erfreulich imponirt“Textzeuge 2: „imponiren wird“
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Textzeuge 1: „Mit diesen vereinten Kräften wurden sonst wöchentlich 3 bis 4 sogenannte Konzert-Proben im Großherzogl. Schlosse“Textzeuge 2: „Von diesem wurden sonst vereint alle Wochen 3 bis 4 sogenannte Concert Proben“
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Textzeuge 1: „Opern, Oratorien, Kantaten etc. aufgeführt“Textzeuge 2: „die Macht der Töne von Winter, der Tod Jesu von Graun, und auch Opern ausgeführt“
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Textzeuge 1: „Der Großherzog wohnte selbst“Textzeuge 2: „S: H. der Großh: wohnten“
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Textzeuge 1: „war, indem er in einer Partitur nachlas, aufs eifrigste für die Richtigkeit des Vortrags besorgt“Textzeuge 2: „indem Er in einer Partitur nachliest, ist er selbst aufs eifrigste besorgt daß der Vortrag präzis und mit Licht und Schatten ausgeführt wurde. Die ungemeine Herablaßung und Artigkeit die er dabey beweißt, muß ihm gewiß die Liebe aller seiner Untergebenen erwerben“
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Textzeuge 1: „dergleichen er noch von keinem Orchester gehört zu haben sich erinnert, doch steht es auch“Textzeuge 2: „deßen er sich noch nie erinnert von einem Orchester gehört zu haben es ist wirklich“
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Textzeuge 1: „nicht“Textzeuge 2: „a né plus l’entendre und deßwegen wohl auch nicht immer“
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „was das Frankfurter Orchester so sehr troz seiner viel geringern Anzahl erhebt.“
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Textzeuge 1: „wird“Textzeuge 2: „würde“
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „sich“
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Textzeuge 1: „darf“Textzeuge 2: „könnte“
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Textzeuge 1: „besten“Textzeuge 2: „ersten“
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Textzeuge 1: „Die ungemeine Herablassung und Artigkeit, die Se. Hoheit der Großherzog übrigens bey allen diesen Gelegenheiten beweist, muß Ihm gewiß die Liebe aller seiner Untergebenen erwerben.“Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „troz aller guten Beispiele“
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Textzeuge 1: „häuslichen Zirkeln am lebhaftesten“Textzeuge 2: „Circeln“
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Textzeuge 1: „einander“Textzeuge 2: „sich Musiker, als“
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Textzeuge 1: „Man sieht da die Musik“Textzeuge 2: „Nein, man sieht die Musik“
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „unberührt“
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Textzeuge 1: „nach und nach von dem“Textzeuge 2: „von dem nach und nach“
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Textzeuge 1: „neues Theater gut“Textzeuge 2: „ein gutes Theater“
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Textzeuge 1: „bedarf es vor allem eines thätigen, sachkundigen Direktors“Textzeuge 2: „scheint es vor allem an einem thätigen Sachkundigen Direktor zu fehlen“
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Textzeuge 1: „Bühne“Textzeuge 2: „Schaubühne“
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Textzeuge 1: „man“Textzeuge 2: „die Bühne seit kurzem“
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Textzeuge 1: „Auch“Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „auch“
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Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.Textzeuge 2: „von“
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Textzeuge 1: „schon recht gediegen und vielversprechend“Textzeuge 2: „sehr gediegen und ungemein vielversprechend“
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Textzeuge 1: „der Kunst neugeworbenen“Textzeuge 2: „neu der Kunst geworbenen“
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Textzeuge 1: „wenige“Textzeuge 2: „kein“
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Textzeuge 1: „zu rühmen haben werden“Textzeuge 2: „wird zu rühmen haben“
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Textzeuge 1: „Kurz, es fehlt durchaus an keinen Mitteln, einen schönen Zweck zu erreichen, und daß diese gehörig benutzt werden mögen, wünscht Ref. von Herzen, zur Freude des kunstliebenden Herrschers und zur Bildung des guten Geschmackes.“Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.