Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 13. April bis Montag, 14. April 1817 (Nr. 39)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

MitGlied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Mein theures geliebtes Leben!

Ich muß mich nur zu dir flüchten und gute Laune holen, denn ich bin so geplagt und bestürmt mit Geschäften, daß ich Z. B. Gestern recht ernstlich bitterböse darüber war; und doch am Ende mich drein ergeben muste. Es ist wirklich in diesem Augenblikke zu toll, und zwar nicht eigentlich die Arbeit, sondern die Dinge, die einen verhindern, an sie selbst zu kommen. Meine Correspondenz ist wieder zu einem Berg von einigen 30 Briefen angewachsen. Lichtenstein und Beers können mein Schweigen gar nicht begreiffen. Ersterer hat ein Mädchen am 7 Aprill von seiner Victoire erhalten, und ist ganz glüklich und froh.      Brühl treibt mich mit der Musik zum Ingurd, hier überläuft mich alles, und will nur von mir Rath, Hülfe, Gefälligkeit pp haben. dazu komt daß ich d: 1t May ausziehen muß, und zwar zu Schmidels, die nach Pillnitz gehn, und mir das Quartier in der Stadt bis zu Johanni überlaßenT, zu gleicher Zeit bekomme ich einen neuen Bedienten. es ist um toll zu werden.       doch zur Ordnung, woraus du noch mehr ersehen kannst. d: 11t hatte ich meinen Brief No: 38 an dich abgeschikt und muste mich anschikken bey dem Profeßor Förster, der den ganzen DichterKreißT zum Gevatter gebeten hatte, auch mein Amt zu verrichten*. alle waren Paarweise eingetheilt und ich hatte Fräulein Nostiz bekomen, der ich nach hiesigem Brauch in einem Körbchen Blumen zuschikken muste. Ein Spaß der mich ein paar Dukaten kostet. Nachmittags hatte ich Probe von Joseph, konnte also doch nicht bei der Taufe sein, und kam erst später zum Thee, wo viele GelegenheitsGedichte auf diesen Tag gemacht worden waren. darunter war manches treffliche. und da das kleine Magdlein Maria Laura heißt, so fehlten auch die schmeichelhaftesten Anspielungen auf deinen Muks nicht.      Gestern war um 10 Uhr GeneralP: von Joseph. dann bestürmte mich der Graf und Hellwig, zum Yngurd wenigstens die Horn Signale zu comp: ich muste nachgeben. Abends war wieder Adelina wo Weixelbaums abermals sehr gefielen*, und dann muste ich einen Theil der Nacht sizzen. ließ mir um 9 Uhr noch mein Pf: auspakken, weil ich doch es noch brauche, und heute früh um 6 Uhr, kamen schon die Kopisten, es abzuschreiben, von 9 bis 1 Uhr war Probe davon. und heute Abend hatte ich Joseph, den Weixelbaum und H: Genast, ein 19 Jähriger Mensch aus Weimar, den Jakob gab. und zwar recht brav in Gesang und Spiel. Es war sehr voll, und machte abermals große Sensation*. nun bin ich Hunde müde, habe Morgen wieder 2 Proben und Abends den Yngurd, und zur Helene, die in 8 Tagen ist*, Aufsäzze zu schreiben, und einiges zu Instrumentiren.      Wirklich Muks ich bin ganz rabiat, und will meine Wuth an dir auslaßen, du garstiger Pumpernikkel, was sind das für Streiche?, warum bist du nicht hier? und machst mich alles vergeßen, und giebst Kraft und Lust wieder, durch einige herzliebe gute Bußen, und einen guten Spaz?!! |

lieber, guter, Herzens Schneefuß, ich habe so eine unüberwindliche Sehnsucht nach dir, daß es wirklich eine Schande ist für einen so alten Liebhader. Aber was hilfts, es ist einmal so. Auch scheint das Schiksal es recht darauf abgesehen zu haben daß erst mit dir wieder Ruhe und Ordnung in mein ganzes Leben komme, indem ich bis Michaeli wahrlich wie ein Zigeuner herumziehen muß, welches mir wirklich recht herzlich fatal ist.       Armer Mukkenkönig, kriegst da einen recht lamentabeln Brief, kann dir aber nicht helfen, wem soll ichs denn sonst klagen? und klagen muß ich, dazu hab ich die gegründetste Ursache. Nun, Morgen komt doch wieder ein Brief von dir, das ist wieder Balsam, und heute will ich auch durchaus nichts weiter thun als an dich schreiben und dann in Bett gehn. bin gar zu müde, und die andern alle müßen Morgen ganz kurz kurz abgefertigt werden, ich, kann nicht helfen, denn, Jezt reißt mir die geduld entzwei!
zu todt, laß ich mich auch nicht schinden!*

Gelte das darf ich auch nicht, du hast mirs erst im Lezten Brief wieder recht recomandirt. Nun Gute Nacht, lieber Hamster, Morgen noch ein paar Worte, und damit wieder Puntum!      wäre doch schön wenn ich den Yngurd fertig machen könnte, gäbe wieder ein Geld ins Haus!! wollen sehen, obs geht. Nun gute gute Nacht, meine vielgeliebte gute theure Lina, Gott segne dich + + +.

ich umarme dich tausendmal aufs innigste, bleib gesund und brav, und habe über alles lieb deinen ebenso dich liebenden Carl.
Gute Nacht! /: vom Ett :/

Guten Tag, mein guter guter Schneefuß. hab schon viel geschrieben und eine Probe im Leibe*, und bin auch gleich dafür durch deinen gar lieben herzfrohen Brief No: 42 belohnt worden. So gefellst du mir, und verbleibe ich dem besagten Muks in Huld gewogen.      Wenn du immer so froh und heiter bleibst und dich nicht unnüz ängstigest, wofür du den großen Orden vom Bußer, bekomen sollst, so wirst du auch troz der vielen Arbeit fett werden. aber im Ernst, Mukin, es ist zu toll wie sie dich anspannen*, ich bitte dich thue es nicht. und strenge dich nicht über die Gebühr an.      Die Art wie du über Mlle Wilhelm sprichst, freut mich auch recht sehr, wenn du kannst, so sage ihnen sie möchten nicht gleich Kontrakt machen, und sind sie brav, so engagiere ich sie auf dein Wort. brav, brav, Muks, nur frei vom Neide ist die wahre Künstler Seele.

Auch die Aussicht wegen Grünbaums ist gut. nun Gott gebe meiner Anstalt seinen Seegen und Gedeihen.      Um dich zu trösten lieber Muks daß du 10 Tage lang dich elend behelfen must, kann ich dir dafür die sehr erfreuliche Nachricht geben, daß ich in meinem jezigen Nest bleiben kann bis ich mein neues Quartier beziehe. das hat heute Morgen Schmidl mit meinem Hausdrachen in Ordnung gebracht, der mir nur wegen Wohlbrüks Tabakrauchen aufgesagt hatte. – so geht es, nun ich bin recht froh, und will mich begnügen dich zu bedauren, statt dein Schiksal zu theilen*, wie ich doch eigentlich sollte, wäre ich ein ächter Ritter. du wirst aber auch um mich froh sein. |

Herrn Schaper kann ich nicht brauchen. von der 2t Klasse habe ich eine Menge. Glänzende Sterne brauch ich*.      Kann mir deine Geschäftigkeit denken, du guter Hamster wenn ich nur auch schon wüste wo ich alles unterbringen soll. Nun es wird schon gehen, wahrscheinlich in einer Bodenkammer im neuen Logis.

Die Nachricht mit Louis Engagement in Frankfurt wäre recht gut, doch wäre Mannheim friedlicher gewesen*. die Mutter wird sich finden das habe ich ja immer gesagt, und direkte nach Frankfurt sind auch oft Gelegenheiten.

Ueber des Teuferls Ähnlichkeit mit Baßi, habe ich recht gelacht, und freue miß auf das neue, schöne.       oh!       Nun heißts aber schließen, hab um ½ 3 Uhr Probe, dann Mittag eßen, um 4 Uhr beym bayerschen Gesandten, dann im Yngurd.

Grüße mir alle herzlichst wieder, Grünbaums, Niemetz, Junghs, pp p pp p Millionen Billionen Bußen von deinem treuen dich innigst liebenden Carl.
adé ! adé ! adé!

Apparat

Zusammenfassung

7. April Geburt von Marie Lichtenstein; Brühl drängt zur Fertigstellung der Musik zum Yngurd; 1. Mai muss er ausziehen und wird in das Stadtquartier von Schmidls bis zum 1. Juni ziehen; in der Nachschrift vom 14. kann er es widerrufen, denn er kann in seinem Quartier bleiben bis zu seinem Umzug in die neue Wohnung; Yngurd (Nr. 1–10) vollendet und am 14. aufgeführt; Louis Brandt hat ein Engagement in Frankfurt/Main, Weber hätte Mannheim besser gefunden

Incipit

Ich muß mich nun zu Dir flüchten und gute Laune holen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 87

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

Textkonstitution

  • „Liebhader“sic!
  • s„ß“ überschrieben mit „s

Einzelstellenerläuterung

  • „… auch mein Amt zu verrichten“Bei der Taufe von Maria Laura Förster.
  • „… wo Weixelbaums abermals sehr gefielen“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 29. April 1817.
  • „… und machte abermals große Sensation“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 30. April 1817 sowie die Besprechung in der AmZ, Jg. 19, Nr. 24 (11. Juni 1817), Sp. 406f.
  • „… die in 8 Tagen ist“Laut Tagebuch wurde statt Helene Adrian von Ostade geprobt; Premiere der Helene war am 22. April 1817.
  • „… ich mich auch nicht schinden!“Zitat aus dem Duett Nr. 1 (Kraft, Lorenz) aus dem Hausgesinde, Partie des Lorenz (in Prag gesungen von Caroline Brandt): „Was braucht es denn so ein Geschrei, | Bald reißt mir die Geduld entzwei. | Zu todt laß’ ich mich wohl nicht schinden, | In dem Haus kann ich nichts erwerben | Bei Ihnen muß ich doch verderben. | Für mich wird sich ein Dienstchen finden!“
  • „… und eine Probe im Leibe“Vormittagsprobe laut Tagebuch zum König Yngurd.
  • „… toll wie sie dich anspannen“Offenbar hatte Caroline Brandt in dieser Zeit besonders viele Auftritte am Prager Ständetheater.
  • „… statt dein Schiksal zu theilen“Zur Neuvermietung von Caroline Brandts bisherigem Quartier an Juliane Junghanns und deren Töchter vgl. den vorhergehenden Brief an Caroline Brandt.
  • „… Menge. Glänzende Sterne brauch ich“Ferdinand Schaper gastierte am Prager Ständetheater laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 342) erst am 24. April 1817 (Seneschall in Johann von Paris).
  • „… doch wäre Mannheim friedlicher gewesen“Louis Brandts Gastauftritte in Frankfurt vom 11. Mai bis 18. Juni 1817 führten nicht zum Engagement, so dass er doch im August 1817 nach Mannheim ging.

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