Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Prag, Dienstag, 8. November 1814
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Theuerster Freund!
Wenn ich in etwas anderm als Ihrer liebevollen Freundes Nachsicht Entschuldigung für mein langes Stillschweigen suchen wollte so würde ich wirklich um Worte verlegen sein. In Gotha hielt mich die freudige Hoffnung Sie bald wieder zu sehn davon ab, und seit ich hier bin ist meine alte trübe unthätige Stimmung und ein Schwall von fatalen Geschäften Schuld. Man hat mir sorgfältigst allen Verdruß aufgehoben; Jeder sparte seine Anliegen, Wünsche, Klagen, Beschwerden bis zu meiner Ankunft, und somit will denn der frische Funke den ich von Außen mitgebracht hatte, und der schon wieder recht wohlthätig mein Inneres durchwärmte, nach gerade auch wieder verlöschen, und ich habe alle Kraft nöthig nur zuweilen mich aufreißen und arbeiten zu können.
Wie wehe, innig wehe, es mir that um 14 Tage früher als ich dachte nach Hause zu müßen, kann ich Ihnen nicht genug beschreiben und war ich damals gar nicht im Stande es Ihnen auch nur zu sagen. Nun reut es mich so halb und halb, /: wenn es nämlich Jemand reuen kann seine Pflicht im weitesten Sinne des Worts erfüllt zu haben :/ denn so nöthig ich auch hier war, so hätten doch diese 14 Tage keinen Unterschied gemacht, und der kläglich verzweifelnde Brief des Direktor Liebich, der von Kontrakts Arrangements auf mehrere Jahre hinaus mit Sängerinen pp sprach, die Oper schließen zu müßen fürchtete pp war nichts als ein etwas stark ausgesprochener Wunsch durch mich bald wieder eines Theils seiner Last sich enthoben zu sehn, und Dank und Nothwendigkeit standen in keinem Verhältniß zu dem Opfer das ich gebracht hatte. item — wieder eine Lehre für die Zukunft. – Traue dem Jammer eines Direktors nur halb und bleibe bis auf die lezte Minute deines Urlaubs. doch zurük zum Detail meiner Reise.
Nach dem herrlichen freundlichen Abend, des 8t 8br‡* empfieng mich eine häßliche Regennacht, und häßliches‡ kaltes Wetter bis Weimar wo [ich] d: 9t um 3 Uhr Nachtische ankam, und zu meinem großen Leidwesen erfuhr, daß die Großfürstin schon d: 11t Abreißte. ich brachte einen schönen Abend mit Kügelchen bey der Schoppenhauer zu, sprach d: 10t die Großfürstin. fand Müller am Podegra schwizend hinter dem Piket Tische, drükte mit Mühe und Noth das Honorar | der Silvana von der Direction heraus*, und kutschirte d: 11t nach Gotha, wo ich den Herzog nicht fand, sondern auf dem LustSchloße in Tonna aufsuchen muste, wo ich bis‡ den 18[t] blieb, und in der Einsamkeit einige Lieder von Körner 4stimmig comp:. Wahrscheinlich /: unter uns gesagt :/ kommt Andreas Romberg als KonzertMster nach Gotha, und da geschähe dann auch wieder mehr für die Kunst da, wo Spohr sie beinah dem Herzoge verleidet hatte. – d: 18t giengs nach Gotha zurük wo ich Abends im HofConcert spielteT. Hier kam [der] Jamernde Direktions Brief der mich bestimmte aufs schnellste zurük zu gehen. ich spielte d: 20t nochmals bey Hofe und reiste nach Altenburg ab, wo [ich] d: 22t ankam, den 23t ein schlechtes Concert gabT, und den 25[t] endlich glüklich und gesund mit Barthel in Prag anlangte.
Mad: Werner von Mannheim gab Gastrollen*, und bald darauf Mad: Eberwein*, deren Gatte Ihnen hoffentlich meine besten Grüße überbracht hat. Seitdem akkere ich nun wieder den unfruchtbaren Publikums Boden, und laße es mir angelegen sein etwas zu leisten damit ich mich selbst beruhige.
Meine Sonate in As schreitet langsam vorwärts, muß aber in diesem Monate beendiget sein, denn Schleßinger bombardirt entsezlich darum.
So eben tritt Andreas Romberg ins Zimmer und
reißt meinen Brief faden ab, und ich will doch lieber dieß Bruchstükk auf die Post geben
als noch länger schweigen. Ich hoffe zu Gott von Ihnen die vollkommne Gesundheit Ihrer
theuren Gattin, meiner verehrten Freundin, und der Ihrigen und behalten Sie lieb Ihren
sie gewiß innigst liebenden
Freundes‡
Weber
Prag d: 8t 9ber 1814.
Apparat
Zusammenfassung
hatte bei seiner verfrühten Rückkehr viel Verdruss am Theater; über seine Reise über Weimar und Gotha und dortige Besuche; erwähnt Kompositionsarbeiten in Gotha, voraussichtliche Anstellung Rombergs und ein Konzert in Gotha; über Gastrollen in Prag, seine As-Dur-Sonate und die Ankunft Rombergs
Incipit
„Wenn ich in etwas anderem als Ihrer liebevollen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A c, Nr. 7Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (3 b. S. einschl. Adr.)
Provenienz
- 1863/64 erworben über Wilhelm Künzel
Dazugehörige Textwiedergaben
-
tV: MMW I, S. 466
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„häßliches“durchgestrichen
-
„bis“über der Zeile hinzugefügt
-
„Freundes“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„8br“recte „7br“.