Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig(?)
Prag, Freitag, 12. März 1813
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Sie glauben kaum, welche innigliche Freude mir Ihre schnelle Beantwortung meines Briefes machte. ich sah daraus abermals bestätigt wie sehr Ihre mir so theure Freundschaft Sie Antheil an mir nehmen läßt, selbst unter den drükenden Sorgen die Zeit und Umstände auf Sie laden. Gott schenke Ihnen und Ihrer theuren Gattin, Ruhe, Kraft und Ausdauer. ich konnte es von dem trefflichen Weibe erwarten daß Sie Sie nicht allein in dem Strudel zurüklaßen würde. Sollte es aber doch zu bunt werden, so erwartet Sie gewiß hier die sorgfältigste Aufmerksamkeit eines treuen Freundes.
Ganz im Geist meiner Vorsäzze und meines Willens ist das was mir Ihre Vorsorge zuruft. Nie werde ich mich herabwürdigen ums blose Tagelohn zu schreiben. Stets werde ich auf jede Kleinigkeit die meinen Nahmen trägt die vollendetste Sorgfalt und Feile verwenden. Ja, es ist auch ganz meiner Natur wiederstrebend etwas flüchtig und leichtsinnig hinzuwerfen. Ich habe es Ihnen schon einst mündlich glaube ich erzählt wie oft ich beynah während der Arbeit an mir irre werde und an ächter Schöpferkraft zweifle, weil nicht leicht etwas mir gut genug dünkt. Nur die spätere, erfolgende Wirkung und der ungeschminkte Beyfall, der wahren Kunstfreunde und der Enthusiasmus des Publikums bringt mich wieder zu dem nöthigen Selbstvertrauen zurük. Ihnen danke ich einen großen Theil deßelben, Ihr Lob und Urtheil richtet mich auf und stärkt ohne mich zu denen Uebermüthigen zu gesellen deren Sie weiter in Ihrem Briefe erwähnen. Nie! und ich lege dabey die Hand feyerlich aufs Herz, Nie! soll die Welt sich in dem Zutrauen getäuscht finden das‡ sie vielleicht zu mir hegt; und sollte es Ihnen jemals so scheinen als wollte ich einstens von der einmal betretenen Bahn abweichen, wanken, und nachläßig werden, | So halten Sie mir diese Zeilen vor, als einen heiligen Vertrag den ich mit der Kunst geschloßen habe, und den ich bis zum lezten Athemzuge mit gleicher Kraft zu halten streben werde. – Sie thun mir Unrecht wenn Sie glauben daß es nur an mir lag bis jezt nicht gelesen zu haben was in der M: Z:‡ über mein Concert und Hymne gesagt worden ist. Jedes besonnen ausgesprochene Urtheil sey es selbst bitter, ist mir immer wichtig und beachtenswerth. die Zeitung wird hier von wenigen gelesen und erst vor ein paar Tagen konnte ich ihrer mit Mühe habhaft werden. Wie sehr mich nun auch das darinn gesagte erfreute und aufmunterte brauche ich wohl nicht erst zu sagen, und mit doppeltem Eifer sehe ich neuen Arbeiten entgegen. Nicht wahr, es war Ihnen nicht ernst? wie Sie fragten ob ich es auch so treiben lernen wollte wie Spohr, Beethoven pp? Nur offenbare Unwahrheiten würden mich je zu einer bescheidenen Berichtigung, nie aber zu Antikritiken treiben.
Was Sie von Spohr sagen unterschreibe ich in vollster Ueberzeugung und wünsche ihm mit Ihnen, singen zu lernen*.
Daß Miller statt Silvana, Iphigenia giebt*, ist ein Tausch vor dem ich in Ehrfurcht verstumme. übrigens bin ich begierig was denn endlich Seconda mit denen 2 Opern anfangen wird. Zurükgeben kann er sie einmal nicht. Nach einem guten OpernTexte lechze ich ordentlich, wenn Sie es für gut finden bitte ich Sie beyliegende Auffoderung in die Beylage der M: Z: und auch allenfalls ein paarmal in der Litteratur Zeitung abdrukken zu laßen, hilft es nichts so schadt es nichts.
d: 6t huj: war mein Concert im Redouten SaaleT. So brillant und voll wie lange keines war. ich gab meine Simphonie, Mlle: Müller sang eine Arie von Ihrem H: Papa, mein Concert und die Hymne folgten. ich kann wohl sagen das alles mit großem Enthusiasmus aufgenommen wurde, und auch eben so vom Orchester ausgeführt. der Choral lief etwas glüklicher ab*, und verfehlte seine Wirkung nicht. Mancherley sonderbare Urtheile | gab es denn freylich auch mitunter, und ich finde schon viele Antagonisten. das thut aber nichts, die Herren stören mich nicht, ich gehe meinen ruhigen Gang fort, finde ich etwas wahres dran so schreibe ich mir’s hinter das Ohr und das übrige verfliegt. so fand unter anderm jemand meine Musik Mystisch pp ein zweiter nahm es übel daß ich in meinem Concert /: wo ich den Leuten mich geben wollte :/ beynah lauter Compositionen von mir aufführte pp. auch Tomaschek pppp schneiden andre Gesichter seit dem sie wißen daß ich hier bleibe bleibe. das ist nun so der Welt Lauf, und mir nichts Neues. Ich habe meinen Feinden mein ganzes Lebenlang sehr viel zu verdanken gehabt, denn s‡ie waren mein bester Sporn.
Von Fremden Künstlern ist bey uns nichts zu sehen und zu hören, selbst die erwarteten als Rhode, Seidler, Giuliani pp kommen nicht. Vor der Hand also haben wir nur noch 3 Concerte*, 2 für die Armen, und eins für den Pensionsfond des Orchesters vor Augen. Mein Freund Bärmann ist in Wien hat da Concert gegeben*, eines von meinen geblasen, und versichert mich das Girowetz, Wranitzki, Hummel und besonders Beethoven ganz entzükt davon gewesen wären. Nun, wenn’s auch nicht so arg war, so freut es mich doch sie zufrieden zu wißen.
Componirt habe ich außer 2 Liedchen bisher nichts, und es ist auch wahrhaftig nicht möglich, die Theater Correspondenz und meine eigene raubt mir so viele Zeit daß ich die halben Nächte zu Hülfe nehmen muß, und wenn Sie diese Zeilen besonders schlecht gekrazt finden, so rechnen Sie es schlechten Federn, lahmen Fingern, und erlöschenden Lichtern zu gute.
Uebrigens fühle ich mich vor der Hand hier noch nicht warm und nicht kalt. Es wird mir wohl nicht eher wohl werden als bis ich so recht in der eigentlichen Arbeit bis über die Ohren stekke. Was mir aber vor allem fehlt, – ist ein | Haus wo man die Kunst so recht aus HerzensGrund liebt und treibt, und so eines giebt es hier nicht. das ist nun freylich ein großer Jammer, vielleicht wird es mit der Zeit, kommt mir aber gar sonderbar vor auf einmal so trokken zu sizzen, der ich vorher so recht in meinem Elemente schwamm. Nächstens erhalten Sie eine ganze Ladung Rezensionen von mir; ich werde mir eine rechte scharfe Feder schneiden, und mich so recht ins Rezensenten Air versezzen, damit ich sie eines nach dem andern allzumal abschlachte.
Nun Gute Nacht, liebster Theuerster Freund,
ich schließe mit dem nochmaligen Wunsche für Ihre Ruhe, Ihre Faßung, und geben Sie bald
beruhigende Nachrichten
Ihrem
treusten Weber.
Prag d: 12t März 1813.
auf dem RoßMarkt im
weißen Hahn, 1t Stok.
Apparat
Zusammenfassung
sorgt sich um Situation in Leipzig; über sein Künstlerethos; erwähnt seine 2 Opern, die er an Seconda gegeben habe; lechzt nach Operntexten; berichtet über Prager Konzert vom 6. März; über die Aufnahme seiner Person und seiner Werke in Prag; kündigt Rezensionen an und legt Aufruf zu Operntexten für AmZ etc. bei
Incipit
„Sie glauben kaum, welche innigliche Freude mir ihre schnelle“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 12Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
Provenienz
- Maggs Brs. Kat. 454 (1924), Nr. 2229
- Waldemar Poseck Kat. 15 o.J., Nr. 141
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MMW I, S. 406–408
Themenkommentare
Textkonstitution
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„das“„ß“ überschrieben mit „das“
-
„s“„S“ überschrieben mit „s“
Einzelstellenerläuterung
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„M: Z:“Abk. von „Musikalischen Zeitung“.
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„… mit Ihnen, singen zu lernen“Möglicherweise bezogen auf Spohrs Oratorium Das jüngste Gericht, zu dem es in der AmZ, Jg. 15, Nr. 3 (20. Januar 1813), Sp. 55 heißt, Kenner würden „vornämlich Oekonomie und wahren Gesang“ vermissen.
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„… Choral lief etwas glüklicher ab“Weber nimmt Bezug auf die Leipziger Aufführung der Hymne am 1. Januar 1813, bei der es in dem lediglich von einer instrumentalen Bassstimme begleiteten vierstimmigen Choral („Drum lerne still dich fassen“) große Intonationsschwierigkeiten gab; vgl. die Tagebuchnotizen.
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„… Wien hat da Concert gegeben“Heinrich Baermann gab mit Helena Harlas am 7. Februar 1813 ein Konzert im kleinen Redoutensaal. Vgl. AmZ Jg. 15, Nr. 11 (17. März 1813), Sp. 194 .