Leopold von Sonnleithner an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Wien, Freitag, 8. April 1870

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Hochgeehrter Herr!

In Folge Ihres werthen Schreibens vom 5. d. M. begab ich mich unverweilt in das Archiv unseres Hofoperntheaters, um die Orchesterstimmen der Euryanthe einzusehen. Ich überzeugte mich bald, daß, nach Papier und Handschrift zu urtheilen, dieß die alten, ursprünglichen Parte sind*, und nicht etwa später nachgeschriebene Duplikate. In diesen Parten findet sich aber nicht die geringste Spur einer Einschaltung in die Ouverture, sondern diese ist durchaus so ausgeschrieben, wie sie hier ursprünglich gegeben wurde, und noch derzeit gegeben wird. Es ist auch die Ouverture nicht etwa vor der Generalprobe neu geschrieben, und nur angeheftet worden; denn der erste Chor fängt nicht immer mit einem neuen Papierbogen an, sondern es greift alles in einander, und eine Änderung der ursprünglichen Gestalt und Form, ist durchaus nicht ersichtlich Es ist endlich die spätere Einschiebung des Emma-Motivs schon deshalb unwahrscheinlich, weil diese Stelle schon durch das Vorhergehende eingeleitet wird, und so als ein wesentlicher Bestandtheil der Ouverture erscheint.

Ich zweifle sonach keineswegs, daß Herr Benedikt sich in einem Irthume befindet, und in seinen Erinnerungen vielleicht ein früheres Stadium der Entstehung dieser Ouverture, mit der letzten Periode des Einstudirens verwechselt.

Ihre Absicht, mir einen Abdruck Ihres Werkes zuzumitteln, verpflichtet mich zum verbindlichsten Danke, und ich freue mich im Vorhinein diese interessante Arbeit, die Frucht jahrelanger Mühen und Sorgen, kennen zu lernen.

Solche Werke schafft nur Liebe und edler Kunsteifer, und findet ihren Lohn vorzüglich nur in der Anerkennung der wahren Kunstfreunde, und im Danke der Mit- und Nachwelt. Ich zeichne mit Hochachtung
Ergebenster
Leop. Sonnleithner

Apparat

Zusammenfassung

teilt mit, dass er im Hoftheater die Stimmen zur Euryanthe eingesehen hat und in der Ouvertüre keine Spur von einer Einschaltung findet, Herr Benedict müsse sich geirrt haben; dankt für die in Aussicht gestellte Übersendung des Weber-Werkverzeichnisses

Incipit

In Folge Ihres werthen Schreibens vom 5. d. M.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 614

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Am unteren Rand der Versoseite von Jähns: Wien, Freiung. N. 6.

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Weberiana 20 (2010), 90 (Auszug)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… die alten, ursprünglichen Parte sind“In A-Wn, O. A. 320 finden sich auch noch (allerdings nicht ausschließlich) Stimmen des Uraufführungs-Materials.

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