Aufführungsbesprechung Berlin, Königliches Schauspielhaus: Konzert Carl Maria von Webers und Heinrich Joseph Baermanns am 15. März 1812

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Wenn ein junger Komponist seine Laufbahn in die beurtheilende Welt antritt, und fühlt, daß er (außer dem richtigen Satze, welcher immer vorangehen muß) nicht den allgemeinen Schlendrian der Vorgänger betreten kann noch mag, so muß er dazu durchaus gute und erfahrne Kunstkenner als Beurtheiler haben, die ihn nicht auf diesem schlüpfrigen, doch lockendem Wege leiten. Besteht seine Umgebung aus Jugendfreunden, welche andere Dinge treiben und etwan Gelehrte, auch sonst eifrige Kunstliebhaber sind; doch nichts gründlich in der Kunst zu beurtheilen verstehn, so geht er für die Kunst unausbleiblich verloren. Seine praktischen Ausübungen werden ein wildes unregelmäßiges Durcheinandergewühle, welches seine Freunde zwar bewundern, Kenner aber mit Achselzucken anhören. Eben so geht es mit seinen Kompositionen. Was originell seyn soll, wird barok, was populär und fließend seyn soll, wird gemein; das letztere fühlt er dann wohl manchmal selbst, und denkt wohl mit einem bizarren Gedanken oder einem hineingeplumten Akkorde, die Sache bewunderungswerth zu machen und sie wird – lächerlich. Solch ein Komponist könnte Beethoven in Wien und Hrn. Carl Maria von Weber geworden seyn, wenn nicht verständige Kunstfreunde, richtiges Gefühl und eigne Erfahrung sie auf den bessern, aber doch noch immer gefährlichen Wege geleitet hätten. Bei beiden ist indeß zu vermuthen und bei erstern schon entschieden, daß, je länger sie auf diesem Kunstwege bleiben, je mehr sie zu starke Würze meiden; und dann werden sie erlangen*, was sie wünschen: Nicht den allgemeinen Schlendrian zu gehen.

Hr. K. M. v. Weber und Hr. K. M. Bärmann gaben, ersterer als ausgezeichneter Komponist und Virtuose, und zweiter als ausübender Künstler, uns den 15ten ein Concert. Es wurde mit einer Ouverture eröffnet, welche den obigen Geist des Komponisten auf eine gute Art entwickelte, und hier in der Ouverture an seiner Stelle war. Der hier gänzlich unbekannte Styl des Komponisten wurde bis auf Kleinigkeiten auch gut vom Orchester gefaßt. Hr. Bärmann, ein Klarinettist, wie wir an Odem, Nüancen, gefühlvollen Vortrag, Sicherheit von der äußersten Höhe bis zur Tiefe, noch keinen hier hörten, blies ein Concert von Charakter mit obigen Eigenschaften. Neu war das Recitativ, und der Vortrag äußerst gefühlvoll. Die Komposition scheint aber das Hauptinstrument, so originell sie auch ist, zu verdunkeln, und wo Hr. B. nicht solch Orchester wie hier findet, und der Komponist selbst dirigirt, würde ihm die Begleitung gewiß oft die Disposition zum Spiel verderben.

Das Fortepiano-Concert, welches Hr. v. Weber selbst exekutirte, hatte der originellen Züge noch mehrere, welche auch bey dem vollstimmigen Instrumente besser anzubringen sind. Hier zeigte sich nun der Komponist zugleich als vorzüglicher Klavierspieler, welcher nicht sowohl durch übermäßige Fertigkeit, sondern durch besonders geründeten Anschlag und Kenntniß des Instruments, durch neue u. frappante Wirkungen sich auszeichnet. Hr. v. W. bewies uns im Adagio, daß man auch auf dem Fortepiano einen Ton sehr gut aushalten kann. Am ungebundensten zeigten sich beide Künstler in denen Veränderungen für Klarinett und Fortepiano, womit das Concert schloß, und worin beider Virtuosität erst recht bewährt ward.

Außerdem deklamirte noch Dlle. Beck, Dlle. Schmidt sang, und Hr. Bärmann der Fagottist blies. Alle drei entsprachen ihren anerkannten Talenten.

J. C. F. R.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Schauspielhaus, Berlin: , Königliches Schauspielhaus: Konzert Carl Maria von Webers und Heinrich Joseph Baermanns am 15. März 1812, darin 2. Konzert für Klarinette (WeV N.13) von Carl Maria von Weber, die Ouvertüre zum „Beherrscher der Geister“ (WeV M.5) und das 1. Klavierkonzert (WeV N.9)

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 33 (17. März 1812)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Gesellschaftsblatt für gebildete Stände, Jg. 2, Nr. 26 (28. März 1812), Sp. 207–208 (mit geringfügigen Abweichungen)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… und dann werden sie erlangen“In Zweitabdruck im Gesellschaftsblatt der zu vermutende Druckfehler korrigiert: „[...] meiden, um so sicherer erlangen werden, was [...]“.

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