Korrespondenz-Nachrichten aus Mannheim (September 1811)
Aus Mannheim.
Schon vor mehreren Wochen berichtete ich Ihnen*, wie Iffland, der unvergeßliche Gast* uns mit seinem Meisterspiele entzückte, allein die Eile meines Schreibens verstattete nicht, Ihnen von einer gleichzeitigen erfreulichen Erscheinung Kunde zu geben, welches ich im Folgenden nachholen will. Mit Iffland zugleich erfreute uns auch Capellmeister Anselm Bernhard Weber, ein Kind unserer Stadt mit einem Besuche, und gab ein Concert* im hiesigen Theatersaale. Mit Vergnügen überzeugten wir uns aus den Compositionen, welche uns derselbe zu hören gab, daß wir Ursache haben stolz auf ihn zu seyn, wie auf so manche von hier ins Ausland verpflanzte Talente*. Um aber auch auf der andern Seite gerecht zu seyn, können wir nicht leugnen, daß es uns mißfiel in den beiden Ouvertüren*, welche er uns zu hören gab (die eine aus W. Tell, die andere zu seiner Oper Deodata) die Nachbildung der Gluk’schen Ouvertüren so auffallend zu bemerken; schon deshalb und in jeder Hinsicht befriedigte uns seine Composition zu Schillers Gang nach dem Eisenhammer mehr, welche ihn als denkenden Componisten bezeichnet, wiewohl uns auch hier der unnöthig breite und höchst ordinaire Schluß nicht wenig mißfiel, so wie wir es keinesweges billigen können, wenn H. Weber mit Unterbrechung des epischen Ganges auf einmal den Declamator schweigen läßt, und statt dessen einen Chor von Singstimmen die lateinischen Ritual-Worte des katholischen sanctus dominus absingend einführt*. – Iffland sprach die Ballade und ihm galt wohl großentheils so wohl der Beyfall, als überhaupt das volle Haus.
Apparat
Generalvermerk
Zuschreibung nach Sigle; zur Zuweisung des Pseudonyms Philokalos an Dusch vgl. Weber-Studien, Bd. 4/1, Vorwort, S. 24. Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 606–607, Anm. 123,3, schrieb den Text G. Weber zu, da er dessen Besprechung (1811-V-74) nicht kannte, und widersprach damit Altmanns Annahme, der das Pseudonym bereits richtig Dusch zugeordnet hatte, ohne dies näher zu begründen; vgl. Wilhelm Altmann Briefe Meyerbeers an Gottfried Weber, in: Die Musik, Jg. 7, Heft 20 (1907/1908), S. 76.
Kommentar: Dusch hatte bereits für das Morgenblatt eine kurze Nachricht über das Konzert von Bernhard Anselm Weber verfaßt (1811-V-70), G. Weber eine ausführliche Besprechung für die Zeitung für die elegante Welt (1811-V-74). Während letzterer eine allzu herbe Kritik bewußt vermeidet (vgl. Kom. 1811-V-74), äußert sich Dusch unter dem Schutz des Pseudonyms in beider Sinne hier deutlicher. Er übernimmt dabei G. Webers Kritik am Gluckschen Stil in den beiden Ouvertüren sowie an dem Chor Sanctus dominus im Eisenhammer und spitzt sie zu.
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Privilegirte gemeinnützige Unterhaltungs-Blätter, Bd. 6, Heft 82 (30. November 1811), S. 654
Einzelstellenerläuterung
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„berichtete ich Ihnen“Ein Bericht über August Wilhelm Ifflands Gastspiel in Mannheim ist in den Unterhaltungs-Blättern nicht erschienen, lediglich in Jg. 6, Nr. 76 (9. November 1811), Sp. 607, ein Bericht über Ifflands Gastspiel in Darmstadt. Unklar ist, ob der Bericht aus Mannheim zwar an die Redaktion geschickt, jedoch nicht abgedruckt worden ist, oder ob der vorliegende Text ursprünglich für ein anderes Blatt (möglicherweise für das Badische Magazin, wo mit 1811-V-68 ein Bericht über Ifflands Gastspiel erschienen war) bestimmt war.
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„Anselm Bernhard Weber … gab ein Concert“Bernhard Anselm Weber gab am 28. September 1811 ein Konzert in Mannheim; vgl. Konzertzettel.
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„den beiden Ouvertüren“B. A. Weber, Ouvertüre zu Wilhelm Tell von Friedrich Schiller (1804) und Ouvertüre zu Deodata von August von Kotzebue (1810).