Aufführungsbesprechung Mannheim: Gastspiel von Ludovika Gelhaar im Mai 1811 in Mannheim

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Hof- und National-Theater in Mannheim.

Sonntags, den 5. May: Die Kreuzfahrer*, Schauspiel in fünf Aufzügen von Kotzebue.

Mad. Gelhar debütirte in diesem thatenreichen Stücke als Emma mit Beifall. Ihre Deklamation war meistens richtig, ohne brillant zu seyn, und ihr Spiel im Ganzen gut. Ein Verdienst, welches Ref. um so mehr an ihr bemerkte, als es auf dem hiesigen Theater beinahe gar nicht gekannt zu seyn scheint, ist das schnelle Einfallen in die Rede des Andern an passenden Stellen; nur schade, daß sie zu oft davon Gebrauch gemacht, und es auch zuweilen an unpassenden Stellen angebracht hat. Die Szene, wo ihr der Knappe den Kampf seines Herrn wegen der Saracenin erzählt,* gab sie recht gut, und die Worte –

„Ich darf ihn wieder lieben“*

sprach sie schön. – Ihr Organ ist hell und rein, aber zu hoch und oft monoton. – Vorzügliche Auszeichnung verdiente in diesem Stücke Herr Mayer als Ritter Balduin; sein Spiel war besonders in den ersten Auftritten edel, ruhig und kraftvoll, ein liebenswürdiger Held; und auch gegen das Ende möchte Ref. nur bemerken, daß er in den Momenten der Leidenschaft seine volle Kraft zu schnell los ließ, und ihm dadurch das allmählige Steigern des Effekts unmöglich wurde.


Dienstags, den 7. May: Die Jungfrau von Orleans*, eine romantische Tragödie von Schiller in sechs Aufzügen.

Weit weniger befriedigend war Mad. Gelhar als Jungfrau von Orleans; ihr fehlte durchgehends die hohe Begeistrung dieses Wesens, wodurch es allein möglich ist, den Zuhörer auf Augenblicke aus sich heraus zu bringen und an die Wunder glauben zu machen; wo sie menschlicher wird, gelingt es ihr auch besser, wie z. B. im 2ten Monologe*. Eben so sehr vermißte Ref. an ihr die Kraft, die hier mit der zarten Weiblichkeit im Bunde das Göttliche ausspricht; und wenn dies auch nur physisch gewesen wäre, so beweis’t es doch immer, daß die Jungfrau von Orleans keine Rolle für Mad. Gelhar ist. Ihrer Deklamation der Jamben wünschte Ref. mehr Präzision und Rundung. Der weiße Schäferrock mit rothen Streifen paßte schlecht zu Helm und Harnisch. – Herr Prandt* als Bastard von Orleans erhob seine Gedächtniß-Pausen zu lauter Kunst-Pausen, und ersetzte durch das Gewicht, das er jedem Worte zumaß, die Kraft des schnellern Vortrags; allein es war doch leicht bemerklich, daß ihm der ganze Enthusiasmus für die gute Sache seines Königs* Stück für Stück aus der Souffleur-Loge heraufgereicht wurde. – Daß Herr Müller und nicht Herr Eßlair die Rolle des Talbot gab, schreibt Ref. lieber einem andern Hindernisse als dem alten Vorrechte (jus possessionis) des Hrn. Müllers zu.


Donnerstags, den 9. May: Das Räthsel*, Lustspiel in einem Aufzuge von C. W. Contessa. Hierauf: Das Geständniß*, Lustspiel in gereimten Versen und einem Aufzuge von Kotzebue; und das Landhaus an der Heerstraße*, ein Fastnachtsspiel in einem Aufzuge.

Das leichte heitere Wesen im Lustspiel gelingt Mad. Gelhar nicht;* sie will zu leicht seyn, bewegt ihre Arme zu viel und ohne Grazie; der Ton des naiven Scherzes schlägt bey ihr in Affektation um. Hr. Müller* war lächerlich, aber er übertrieb.

Weit besser war wieder Mad. Gelhar im Geständnisse, und sie sprach die Jamben richtig und gut; Herr Eßlair* deklamirte wie immer mit verdientem Beifall. Im Landhaus an der Heerstraße gab Mad. Gelhar die Wäscherin mit Wahrheit und Natur, und Herr Kaibel* amüsirte als Trommelschläger.

Ref. erfreute sich sehr der jungen Tänzerin* voll Leichtigkeit und Grazie.

the unknown Man.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung: Sigle

Kommentar: Dusch verglich später die Darstellung der Jungfrau von Orleans durch Ludovika Gelhaar mit jener von Katharina Ritter; vgl. 1811-V-72. In den Unterhaltungs-Blättern erschien eine Notiz über das Gastspiel von Ludovika Gelhaar, die möglicherweise auf den vorliegenden Bericht zurückgeht (1811-V-33), ebenso in der Zeitung für die elegante Welt (1811-V-31).

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 62 (12. Mai 1811), S. 247–248

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