Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Prag (mit Nachschrift von Giacomo Meyerbeer)
Würzburg, Mittwoch, 27. Februar 1811
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- 1811-02-24: to Weber
- 1810-12-24: from Weber
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- 1811-05-01: to Weber
- 1811-04-27: from Weber
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- 1811-01-10: to Gänsbacher
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- 1813-01-16: to Gänsbacher
Lieber Gänsbacher!
Dein Brief hat mir viele Freude gemacht, indem ich deine schöne Aufnahme bey Esterhazi gelesen habe*. aber von einem mich sehr interreßirenden Gegenstande, deiner Oper hast du gar nichts erwähnt wie steht es mit der? — ich habe mich endlich nach vieler Anstrengung in Darmstadt losgemacht, und unsern guten alten Lehrer verlaßen, es gieng mir wirklich sehr nahe, doch muste es einmal seyn, und wirklich ich hatte lange genug gezaudert. um in meiner Gewohnheit zu bleiben, muß ich dir nun umständlich erzählen. bis zum 13t Januar gieng mein vorlezter Brief, nach Prag. d: 14t überschikkte ich den Abu Haßan dem Großherzog*, und einige Tage war alles ganz still davon, doch endlich sagte mir Mangold der Grosh: hätte Freude daran gehabt*, und nun würde es gewiß auch gut mit meinem Concert gehen und so war es auch, denn obwohl es sich noch etwas verzögerte, so gab ich doch endlich mein Concert d: 6t Februar* welches erstaunt brillant war, und unerhört voll für Darmstadt. ich hatte für die Mad: Schönberger und die Tochter von Mangold, die auch eine herrliche Altstime hat, ein Duettchen comp: was sehr gefiel und wiederhohlt werden muste. der Großh: nahm 120 Billets, und machte mir außerdem 40 Carolin für die Oper zum Praesent*. Aber stelle dir vor, am Concert Tage eben da ich mich anziehen will, geht die Thüre auf, und wer kömmt herein? Weber und Dusch* von Mannheim. — meine Freude bey dieser Ueberraschung kannst du dir denken, und erhöht wurde s‡ie noch dadurch, daß die guten Jungen bis d: 10t blieben, aber dann mußten wir uns trennen, und auch Beer reißte d: 12t nach Mannheim dem Profeßor entgegen der seine Schwester besucht hatte*. Nun war ich also ganz allein mit Papa. d: 13t schikte ich ein Brief durch Fr: Paradis an dich — und den 14t riß ich mich los von allem was mir lieb und werth war, und gieng nun ganz wieder unter Fremde Menschen. brachte in Frankfurt ein paar Tage zu, und reiste den 18t nach Giesen. eine Universität 18 Stunden von Frankfurt. ich wurde da erstaunt gut aufgenommen, und wie ein Wunderthier betrachtet, sehr gastfrey und Freundschaftlich behandelt. d: 22t gab ich mein Concert* was so voll war, daß niemand in Giesen sich errinnerte so eines gesehen zu haben, und wo ich circa 82 f einnahm. da mir nun jeder Tag kostbar ist, so reißte ich troz aller Bitten meiner Freunde schon d: 23 wieder ab nach Hanau | sah da ein schlechtes Theater*, reißte d: 24 nach Aschaffenburg, und d: 25t hirher nach Würzburg. Gestern bin ich denn nun herum gestiegen und habe Visiten gemacht*. ich weiß nicht, aber ich glaube daß hier nichts zu machen ist. der Großherzog hört niemand der nicht an ihn empfohlen ist, und der KonzertMst: Krisi, ein Italiener ist eine falsche Canaille, der gerne alles von sich abwälzt. ich werde nun heute noch sehen was zu thun ist, damit ich wenigstens nicht lange aufgehalten werde und unnöthiges Geld verzehere. so viel ich Gestern Abend erfahren, ist auch ein kleiner Franzose hier, ein Violinspieler*, und auch die Mlle: Weber die Harfenspielerin, das ist nun freylich verdammt mit so vielen zusammen zu treffen, und ich muß nun abwarten wer das Feld behalten wird, ich oder Sie*. von hier gehe ich nach Bamberg, Augsburg, und München, von da über Leipzig, Berlin, Hamburg nach Kopenhagen. Gott weis wie es gehen wird, ich muß wirklich manchmal alle Vernunft zusammen nehmen, um nicht nachläßig und verdrießlich zu werden, denn giebt es etwas elenderes, als bey Fremden Menschen herumzulaufen, jedem etwas vorzududeln, damit er sieht daß man etwas kann, und unter 30 kaum auf einen zu stoßen, der Antheil nimmt, und thätig ist. an dem MusikProfeßor Fröhlich hier scheine ich doch so einen gefunden zu haben, wenigstens ist er gestern mit mir schon gleich herumgelaufen wegen einem Fortepiano — So eben erfahre ich daß es hier nichts ist. es ist [ein] junger Franzose Delain der auch Klavier spielt, und die Concert Erlaubniß schon hat, so daß ich 14 Tage hier zubringen müßte, daraus wird nichts. ich reise also über Morgen ab. ich war heute Früh beym Großherzog und wollte meine Opern anbieten*, die Audienz war aber schon vorbey. ich muß also sehen was in dieser Hinsicht binnen heut und Morgen noch zu thun ist.
Lebe wohl lieber Bruder, empfhele‡ mich dem Gräflichen Hause vielmals unbekannter Weise, und schreibe fleißig deinem dich herzlichst liebenden Freunde vWeber. Würzburg den 27t Februar 1811
Lieber Bruder Triole. Ein Oratorium von‡ welchem ‡ ich die Worte‡ vor kurzer Zeit vom Professor Schreiber aus Heidelberg erhielt und das bald in Berlin aufgeführt werden soll* macht mir so viel Arbeit, daß ich leider gar nicht an das Briefschreiben denken darf. Indeß will ich dir nur soviel sagen, daß ich deine Kühnleschen Lieder im Morgenblatt recensirt habe, und von deinem augsburgischen Echo etwas im Freymüthigen geschrieben habe*.
Schreibe doch bald deinem beschäftigten Bruder
MeyerBeer
Das beiliegende Circulair mußt du nach Mannheim zurückschicken.
Editorial
Summary
berichtet über Tätigkeit seit Weggang von Darmstadt, insbesondere sein letztes Konzert dort; keine Konzertaussicht in Gießen und Würzburg und weitere Reisestationen; erwähnt Fröhlich als potentielles Mitglied des Vereins; Zusatz von Meyerbeer: Oratorium und Rezension betreffend
Incipit
“Dein Brief hat mir viele Freude gemacht, indem ich deine”
Responsibilities
- Übertragung
- Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Archiv (A-Wgm)
Shelf mark: Weber an Gänsbacher 8Physical Description
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- auf der verso-Seite unten links von F. W. Jähns notiert: “Eigenhändig von Carl Maria v. Weber. Die Nachschrift von Meyerbeer.”
Corresponding sources
-
Nohl 1867, S. 197–199
-
tV: MMW I, S. 250–251
-
Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 94 (nur Meyerbeers Nachschrift)
Text Constitution
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“s”“S” overwritten with “s”
-
“empfhele”sic!
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“von”added above
-
“… . Ein Oratorium von welchem”folgt unleserliches, durchstrichenes Wortfragment
-
“die Worte”added above
Commentary
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“Abu Haßan dem Großherzog”Zur Widmung des Abu Hassan an Ludewig I. von Hessen-Darmstadt vgl. Tagebuch vom 14. Januar 1811 und Brief an Ludewig II. vom selben Tag.
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“… Grosh: hätte Freude daran gehabt”Vgl. die Tagebuchnotizen vom 24. Januar 1811.
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“d: 22 t … ich mein Concert”Zu Webers Konzert in Gießen am 22. Februar 1811 vgl. Brief an Gottfried Weber vom 20. Februar 1811 und Programmzettel zu Webers Konzert, Faksimile in: M. S. Viertel, Weber im Konzertsaal, in: Carl Maria von Weber. Werk und Wirkung im 19. Jahrhundert. Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel 1986, Kiel 1986,S. 37.
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“kleiner Franzose hier, ein Violin spieler”Weber nennt weiter unten als Namen dieses Violinisten und Pianisten Delain, dessen Alter er im Brief an August Konrad Hofmann vom 28. Februar 1811 mit 9 Jahren angibt. (Eine Verwechslung mit dem in Fröhlichs Bericht aus Würzburg genannten erblindeten Flötisten Friedrich Ludwig Dülon ist daher ausgeschlossen; vgl. Korrespondenz-Nachricht aus Würzburg). Der Name Delain war bislang nicht zu ermitteln.
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“wollte meine Opern anbieten”Vgl. Tagebuch 27. Februar 1811. Durch den Konzertmeister Grisi erhielt Weber am 1. März zunächst mit der abschlägigen Antwort bezüglich seines Konzertes die Nachricht, daß der Großherzog seine Opern Silvana und Abu Hassan kaufen wolle, am 4. März wurde dieser Ankauf bestätigt, und Weber beauftragte noch am gleichen Tag Carl Bode mit der Kopiatur der beiden Opern (vgl. Tagebuch; vgl. hierzu auch den Brief an Attilio Grisi vom 4. März 1811 und den Brief an Franz Joseph Fröhlich vom 30. März 1811.
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“in Berlin aufgeführt werden soll”Die Uraufführung von Gott und die Natur fand am 8. Mai 1811 in Berlin statt (vgl. Faksimile des Programmzettels bei Reiner Zimmermann, Giacomo Meyerbeer, Berlin 1991, S. 47 und die Besprechung in: Königlich Privilegirte Berlinische Zeitung ? 14. Mai 1811). Weber selbst schrieb eine Besprechung für die AmZ, Jg. 13, Nr. 34 (21. August 1811), Sp. 570–572; vgl. dazu Brief an Gottfried Weber vom 14. September 1811. Auf die Vereinsmitglieder zurückgehen dürfte auch der Auszug aus der Vossischen Zeitung mit Huldigungsgedichten auf Meyerbeer und Schreiber im Badischen Magazin, Jg. 1, Nr. 75 (28. Mai 1811), S. 299. Eine kurze Erwähnung findet sich ferner im Journal des Luxus und der Moden, Bd. 26, Nr. 7 (Juli 1811), S. 458–459.
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“deinem augsburgischen Echo … Freymüthigen geschrieben habe”Meyerbeers auf Gänsbacher oder Augsburg bezogener Artikel war im Jg. 1811 des Freymüthigen nicht nachzuweisen. Meyerbeer bezog sich dabei offenbar auf den Artikel aus der Augsburgischen Ordinari Postzeitung, in dem nach der Aufführung einer Messe von Gänsbacher in der Augsburger St. Moritz-Kirche am 22. Juli 1810 das Urteil zu lesen war, in dem jungen Komponisten könne man „einen zweyten Haydn erwarten“; vgl. den Wiederabdruck in der Münchener Politischen Zeitung, Jg. 11, Nr. 179 (1. August 1810), S. 808. Auch in der Baierischen National-Zeitung, Jg. 4, Nr. 187 (10. August 1810), S. 703 wurde darauf hingewiesen.