Zur Entstehung des Euryanthe-Librettos
Neben den überlieferten Manuskripten zum Libretto der Euryanthe, die die Textgenese nachvollziehbar machen und die vielfältigen Veränderungen zeigen, die das Werk bis zu seiner Uraufführung am 25. Oktober 1823 in Wien erlebte1, finden sich sowohl in Webers Tagebüchern und Briefen als auch in den Schriften von Helmina von Chézy viele, mitunter auch sich widersprechende Hinweise zur Entstehung der Textvorlage zu Webers großer Oper. In diesem Themenkommentar soll der Versuch unternommen werden, diese Hinweise an einer Stelle zusammenzuführen, um den langwierigen Entstehungsprozess des Textbuchs, verbunden mit einer Verlinkung der auf der Homepage der WeGA veröffentlichten Dokumente, darzustellen. Aufgrund des in zahlreichen Aufführungs- und Werkbesprechungen nach der Uraufführung deutlich werdenden Unverständnisses und der Mißbilligung der Zeitgenossen hinsichtlich der dramatischen Handlung und der Verse der Chézy2, sah sich die Librettistin zu mancher Entgegnung und Rechtfertigung gegenüber den Kritikern veranlasst. Darin schilderte sie häufig rückblickend Details ihrer Zusammenarbeit mit dem Komponisten. Eine breite Auswahl an Berichten zur frühen Rezeptiongeschichte der Oper wurde von Markus Bandur und Frank Ziegler in den Weber-Studien, Bd. 10, vorgelegt3. Alle Dokumente, die sich explizit auf die Honorarstreitigkeiten zwischen Weber und Chézy beziehen, werden hier ausgeklammert, da diese in einem eigenen Themenkommentar behandelt werdenT.
Die erste Phase der Zusammenarbeit bis zur Zensurfassung
Wann genau Weber und Helmina von Chézy sich kennenlernten, ist nicht belegt. 17 Jahre nach Erscheinen der Oper auf den Bühnenbrettern resümierte die Dichterin über die einstige Zusammenarbeit in einer Veröffentlichung in der Neuen Zeitschrift für Musik (NZfM), die nach so vielen Jahren hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts mit aller Vorsicht zu behandeln ist und eher als nostalgischer, stark idealisierter Rückblick eingeschätzt werden muss4. Laut Chézys Erinnerung (Teil 1) sind sich die beiden im Dresdner LiederkreisT (wieder)begegnet, was sehr naheliegend erscheint5. Im 2. Teil berichtet sie dann ausführlich über die Begegnung, die in das gemeinsame Opernprojekt mündete (nicht ohne poetische Ausschmückung), und wie sie Weber das Sujet vorschlug, das ihr aufgrund ihrer Übersetzung der Novelle6 bestens vertraut war: „An einem goldleuchtenden, milden Octoberabend des Jahres 18217 im deutschen Florenz, dessen Himmel mit italienischen Gluten prangte, weilte ich im Vorübergehen auf einer Brüstung der Elbbrücke, die herrliche Landschaft betrachtend, als unvermuthet beim Umwenden Weber und seine Gattin vor mir standen. „Haben Sie Zeit?“ — Für Sie immer! — „Ich komme recht bald zu Ihnen, darf ich auf Ihr früheres Versprechen hoffen? Wollen Sie mir eine Oper schreiben“? — Ich war außer mir vor Vergnügen, es war Alles um her mit einem Mal schöner geworden, und die nächste Zeit lag vor mir, wie eine frohe Verheißung. Ich dachte sogleich an Euryanthe. [...] Weber hatte mir Wien genannt, für welches er die Oper schreiben wollte, [...].“8
Sie thematisierte an dieser Stelle auch ihre Unerfahrenheit: „Mir war beim ersten Anordnen der Ideen zum Plan, wie Jemandem, der einen Schatz gefunden, und kennt ihn nicht, und weiß nicht, wohin damit? Himmelweit war ich [entfernt] von dem, was Weber wollte und bedurfte, von | dem, was die Scene heischte. [...] Weber hatte ein so feines und richtiges Durchschauungsvermögen, und wollte mir so herzlich wohl, daß er sich hütete, mir sein stilles Entsetzen über meinen totalen Mangel an Bühnenkenntniß, den er halb bemerkte, auch nur im geringsten zu zeigen.“9
Laut Webers Tagebuch begann die Zusammenarbeit Ende des Jahres 1821. Am 30. November sowie am 2. und 6. Dezember vermerkte er Besuche bei Helmina von Chézy10. Noch vor der Dichtung des eigentlichen Librettos fertigte die Chézy ein Szenarium an, in dem sie den Handlungsverlauf grob skizzierte, und das Weber selbst korrigierte11. Den späteren Ausführungen der Chézy zufolge nahm Weber auch hier, wie schon beim Freischütz, von Anfang an großen Einfluss auf die Gestaltung des Textes. Viele Vorschläge, die sie ihm machte, wurden von ihm abgelehnt, er wünschte sich „Ihre ganze Phantasie, Ihre ganze Kunstfertigkeit“ und bat: „schonen Sie mich nicht! Thürmen Sie Schwierigkeit auf Schwierigkeit, sinnen Sie auf Sylbenmaße über die man verzweifeln könnte, das wird mich befeuern, mich beflügeln!“ Auch hinsichtlich der Protagonisten hatte er genaue Vorstellungen: „Es ist nichts mit den vielen Personen, wir können nur 5 handelnde Personen aufstellen, denn die Euryanthe muß über alle Bühnen gehn. Es gibt deren viele, wo man mit knapper Noth einen Sopran, einen zweiten Sopran, einen Baß, einen Tenor und einen Bariton zusammenbringt. Mit dem Pomp müssen wir es so einrichten, daß man ihn in Fülle anbringen, aber daß man ihn auch weglassen kann. Bei kleinen Theatern schmeißt man dann den Spektakel weg.“
Das Szenarium, in welchem Adolar noch wie in der Novelle Gerhart hieß und anstelle der alten Hofmeisterin Hondrée (Hundrieth), die Euryanthe verrieth, Eglantine als Intrigantin eingeflochten wurde12, war in drei Akte gegliedert und entsprach im Wesentlichen dem Handlungsstrang der späteren Oper, sah aber ursprünglich am Schluss des III. Akts einen „Gotteskampf zu Euryanthe’s Ehrenrettung“ vor, der von Weber durch den späteren Scheintod der Euryanthe ersetzt wurde. Seine schriftliche Reaktion blieb bei nur zwei Akten und endete mit der Frage: „Soll Eglantine von Lysiart ermordet werden, oder er von ihr – oder was geschieht mit Beyden?“ Chézy äußerte nachträglich öffentlich ihre einstigen Vorbehalte gegen diese neue Schlusslösung: „[...] der Compositeur fand, daß feyerliche Zweykämpfe, Turnierschranken u. s. w. zu oft schon dagewesen, und entwarf die Katastrophe, die man in seiner Berichtigung findet. Vergebens stellte ich ihm vor: daß Euryanthe’s Scheintod, erstlich, als durch einen Sturz vom Pferde herbey geführt, die ganze Dichtung verunziere, zweytens unter keiner Bedingung glücklich an die Katastrophe des Freyschütz erinnere, denn, was dem Publicum unter einer Gestalt lieb geworden, will es nicht in einer andern wiederfinden. Weber war nicht davon abzubringen, [...].“13
Mitte Dezember 1821 quittierte Weber den Erhalt des 1. Akts des Librettos mit „trefflich“ und äußerte sich ebenso zufrieden gegenüber Georg Friedrich Treitschke: „Das Buch das mir Helmina v Chezy dichtet, wird hoffentlich eine ausgezeichnete Dichtung werden. der erste Akt ist bereits zu meiner vollkommnen Zufriedenheit vollendet.“14 Weitere Kontakte gab es dann am 18. Dezember 1821, am 10. und 22. Januar sowie an Chézys Geburtstag 1822. Am 31. Januar brachte die Librettistin eine Umarbeitung des 1. Akts15, bereits wenige Tage später, am 6. Februar, erhielt Weber die komplette Dichtung16.
Sowohl Weber als auch die Chézy suchten von Anfang an bezüglich ihres gemeinsamen Werkes immer wieder den Rat der Zeitgenossen. Vor dem Besuch bei der Chézy am 22. Januar konsultierte Weber Ludwig Tieck „wegen Euryanthe“. Für Helmina war ein wichtiger Ansprechpartner Karl Theodor Winkler, dem sie im Brief vom 13. Februar das umgearbeitete „Concept“ schickte, um sein „Urteil“ zu erfahren17.
Eine Kopie dieser (noch zweiaktigen) Fassung der Dichtung18 reichte Weber während seines Aufenthaltes in der Kaiserstadt im Februar/März 1822 bei der Wiener Zensurbehörde ein19; die Abgabe und auch die widerspruchslose Genehmigung durch die Zensur thematisierte er in den Briefen an seine Frau. Wie er Caroline im Brief vom 15./16. März mitteilte, habe er „Aus Langeweile [...] die Euryanthe vorgesucht und einigemal durchgelesen.“ Nach seiner Rückkehr nach Dresden vermerkte Weber ein Treffen mit Chézy, bei dem er mit ihr „abermals die Euryanthe“ durchging. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte Weber höchstwahrscheinlich erste musikalische Ideen (erste Entwürfe sind laut TB allerdings erst für Mai 1822 verbürgt20), welche dafür verantwortlich gewesen sein könnten, dass die eigentlich als abgeschlossen geglaubte Textvorlage weiterer Umarbeitung unterzogen wurde. Es ist aber auch möglich, dass ihn Gespräche während seiner Wien-Reise zu den Veränderungen anregten. In einem Brief wenige Tage später formulierte er auf Wunsch der „verehrte[n] Freundin“ einige „Gedankensplitter“ hinsichtlich des „neuen“ Finales der Oper.
Die frühe Version der Oper unterschied sich nicht nur in vielen Versen, sondern auch in ihrem Aufbau noch grundlegend von der Endfassung des Werkes: sie war in zwei Akte gegliedert (I. Akt mit elf Szenen und II. Akt mit acht Szenen), dem I. Akt war eine Pantomimische Prologszene vorangestellt, in der der in der Gruft betenden Euryanthe der Geist Emmas erscheint. Die Reihenfolge der Szenen im (späteren) I. Akt wich ab: vor Eglantines Arie „Bethörte, die an meine Liebe glaubt“ steht die Szene, bei der Euryanthe Lysiart auf der Burg willkommen heißt, und nach der Arie eine Szene mit Bertha, Rudolph und Landleuten, wodurch diese beiden Figuren mehr Gewicht erhalten. Eglantine stiehlt aus der Gruft keinen Ring, sondern einen Becher mit Inschrift, den Lysiart dann als Beweismittel für Euryanthes Untreue vorführt. Ab Lysiarts Arie (hier I. Akt/7. Szene) blieb die Abfolge zwar konstant, die Auflösung am Schluss sah aber ein glückliches Ende der Protagonisten vor: Lysiart und Eglantine bereuen ihre Taten, woraufhin ihnen von Adolar und Euryanthe vergeben wird. Nach einem Quartett endet die Oper mit der Wiederholung einer Strophe des Mailiedes21. Webers „Gedankensplitter“ nehmen ziemlich genau die spätere Schlussfassung vorweg, in der Lysiart Eglantine im Affekt ersticht, Eglantine sterbend ihre Schuld gesteht und Euryanthe, vermeintlich für tot gehalten, plötzlich die Augen aufschlägt. Helmina von Chézy kam also Webers Ansinnen einer neuen Schlussgestaltung entgegen und machte sich erneut ans Werk. Wie der Brief von Chézy an Winkler vom 14. Mai 1822 verdeutlicht, war sie zu diesem Zeitpunkt mit der entsprechenden Überarbeitung beschäftigt: „[...] die Euryanthe liegt im Schmelztiegel, der erste Akt ist nun rein heraus gekommen, u. ich werde ihn Ihnen schicken. Wollte Gott, der Zweyte wäre fertig.“
Die Umgestaltung der zweiaktigen zur dreiaktigen Fassung
Von September 1822 bis Ende März 1823 wohnte Helmina in Berlin22, d.h. in dieser Zeit fand die weitere Zusammenarbeit am Libretto ausschließlich per Korrespondenz statt. Letztmalig vor ihrer Abreise besuchte Weber sie am 28. Juli23. Die Briefe von Chézy an Weber sind leider fast alle verschollen24, einige wenige überlieferte Schreiben erlauben jedoch Einblicke in die weitere gemeinsame Arbeit25.
Eine wesentliche Veränderung der Textvorlage bestand darin, die Oper, anstelle von zwei, nun in drei Akte zu gliedern. Am 19. August 1822 bedankte sich Weber bei Ignaz Franz Edler von Mosel: „durch ihre geistvollen | Bemerkungen aufmerksam gemacht, ist das ganze Gedicht fast umgeschmolzen worden. bedeutend zusammengedrängt, in 3 Akte statt 2, gebracht, und besonders auch das Versmaß häufig verändert worden.“26 Drei Tage später besuchte ihn laut TB Friedrich Wollank: „Euryanthe mit ihm durchgemacht.“ Auch Ludwig Rellstab erhob Anspruch darauf, auf das Textbuch eingewirkt zu haben: „Er [Weber] gab mir darauf das Buch der Euryanthe zur Durchsicht mit, welches damals durchaus anders gestaltet war als jetzt. Namentlich war es wenigstens um das Doppelte zu lang. Ich theilte ihm mein Bedenken über Vieles mit, zeichnete die Stellen an, die gestrichen werden mussten, und entwarf ein durchaus neues Scenarium, um die mancherlei Verrenkungen und Verschrobenheiten des Gedichts einigermassen auszugleichen. Natürlich durfte die Dichterin nicht erfahren, dass eine fremde Hand ihr Werk umarbeiten wolle; deshalb setzte ich alle meine Vorschläge schriftlich auf, und gab sie Weber, der sie, als eigne Wünsche, der Fr. v. Chezy vorlegte. Ich besinne mich nicht deutlich mehr, was ich alles geändert habe, nur weis ich noch, dass der Tod Lysiarts und Eglantinens, denen grossmüthig vergeben wurde, die ich aber durchaus aus der Welt schaffen wollte, auf meinem Gewissen liegt. Uebrigens, damit ich nicht die Oper zu verantworten bekomme, muss ich sagen, dass meine Idee, bis auf den angegebenen Punkt, nicht beibehalten wurde, sondern nur Veranlassung gab, dass die ganze Oper umgearbeitet wurde.“27
Durch die Umarbeitung in drei Akte wurde ein Finale des I. Akts nötig. Damit im Zusammenhang steht die Umstellung einzelner Teile des I. Akts: Eglantines Arie wurde nach vorne geschoben (als neue 4. Szene), wodurch die Willkommensszene zwischen Euryanthe und Lysiart nun den Schluss des Akts bildete28. Im Brief vom 10. Oktober mahnte Weber seine in der Ferne weilende Librettistin: „Je mehr ich mich über Ihre Heiterkeit u. Zufriedenheit in Berlin erfreue, verehrteste Freundin, desto schwerer gehe ich daran, Sie aus diesem freundlichen Taumel reißen zu müssen; ich bitte u. beschwöre Sie Ihren Aufenthalt abzukürzen u. hierher zurük zu kommen. Bedenken Sie, daß die Oper eigentlich jetzt schon fertig sein sollte, daß ich nur mit Mühe Verlängerung bis Ende November erhalten habe29. Sie hatten die letzte Zeit, von andern Dingen gedrängt, kein Herz, oder besser gesagt, keine Lust mehr an der Sache u. ich begreife dies nach meinen unaufhörlichen Quälereien. Der Schluß des ersten Aktes, wie Sie mir ihn schikten, trägt etwas das Gepräge der Eile.“
Helmina von Chézy muss seinem Drängen nachgekommen sein, was wiederum dem Brief Webers vom 11. November zu entnehmen ist. Darin bedankte er sich „für das Treffliche was Sie mir überschikten“ und formulierte weitere konkrete Wünsche zum Ablauf der 5. Szene des III. Akts, wo sich Adolar und Lysiart begegnen sollten. Chézy lieferte ihm daraufhin „viel Schönes“ und „Materialien in Menge“, Weber beanstandete aber in seiner Reaktion vom 28. November: „ganz wie es ist kann es nicht bleiben. [...] Sie haben meinen lezten Brief nicht recht gelesen oder meine Gründe nicht wichtig genug gefunden. Adolar kann ja unmöglich die abgetretenen Unterthanen zu sich rufen. doch das sind Kleinigkeiten. ich werde nun Ihnen das Ganze schikken wie ich es am wirkendsten glaube. Alles mit Gründen zu belegen würde mich Bücher schreiben machen.“ Weiterhin ging es um die Abkürzung der Szene zwischen Adolar und Euryanthe zu Beginn des III. Akts und mehrere Einzelheiten der Schlussgestaltung: „Lysiarts abführen zum Tode ist allerdings kalt. aber sein Fall durch Adolar, und Eglantines Selbstmord schnell darauf gewiß unangenehm wirkend. Lysiart muß Egl: tödten. und sich selbst noch dem Könige mit troz entgegen stellen, und allenfalls kämpfend sich durchschlagen wollend abgehen, damit wir ihn heldenmäßig bis zulezt halten, und doch seine Bestrafung hoffen können.“30
Zu Detail-Änderungen während der Kompositionsphase
Die Arbeit an der Textvorlage zog sich bis in das Frühjahr 1823 hin31, als Weber mit der Instrumentierung seiner Oper begann. Am 20. März redigierte er laut TB den III. Akt des Librettos. Am Abend des 31. März las er das Buch Ludwig Tieck vor32. Am Tag darauf, an dem Helmina von Chézy wieder in Dresden eintraf, besuchte Weber Karl Förster „wegen Euryanthe bis 4 Uhr“. Karl Försters Tagebuch, irrtümlich mit 2. April 1823 datiert, schildert die Episode wie folgt: „Des Nachmittags brachte Freund Weber die Oper Euryanthe von der Chezy, mit deren Composition er beschäftigt ist. Er bat mich, den dritten Akt und vor Allem den Schluß zu verändern. Er las mir das Ganze in seiner jetzigen Gestalt (die arme Chezy hat den Text neunmal verändert) vor. Die ersten Akte sind vortrefflich, voll schöner Stellen, kräftiger Lieder und vieler Charakteristik. Der letzte Akt bedarf jedoch der Nachhülfe und Weber hat Manches selbst mit geschickter Hand anders geordnet und verbessert. Es war ein großer Genuß, ihn nach der Lesung so einsichtsvoll über das Stück sprechen zu hören und über die Arbeit des Componisten, die Weise, wie er dabei verfährt; [...].“33 Nun war ein Ende in Sicht: Am 3. und 5. April trafen sich Weber und Chézy, um sich der Ordnung des Textbuches zu widmen. Alle weiteren Vermerke in Webers TB aus den Monaten bis zur UA beziehen sich dann nur noch auf die Honorarstreitigkeiten zwischen ihm und der LibrettistinT. Auch die Briefe aus dem Frühsommer 1823 haben vorrangig die Auseinandersetzungen zwischen den beiden aufgrund der nachträglichen Honorarforderungen der Chézy zum Gegenstand, die sie u.a. mit der mehrfachen Umarbeitung des Textbuches begründete.
Neben den sich im Laufe der fast zwei Jahre währenden Zusammenarbeit ergebenden Veränderungen der Grobstruktur des Werkes stehen eine Vielzahl kleiner Veränderungen an einzelnen Versen und Formulierungen, wovon auch einige wiederum auf Weber zurückgehen und sich unmittelbar aus der Arbeit an der Komposition entwickelten34. Einige Beispiele lieferte Chézy im 5. Teil ihres NZfM-Artikels, resümierte im Nachhinein aber unzufrieden und rechtfertigend: „Er [Weber] vernichtete auch oft die Früchte meiner Mühe, mit der ich in angstbemessenem Bewegung-Raum Reinheit des Rhythmus und Zusammenklang der Reime im Recitativ aufrecht hielt, so daß man besonders in der noch enger eingekeilten Dichtung in den Textbüchern an manchen Stellen wirklich zu glauben versucht wird, ich verstände meine Kunst nicht. Ich ließ es hingehen, denn vor Allem war mir daran gelegen, daß ihm die Dichtung tauge.“ Und an anderer Stelle: „Ich hatte nicht auf diese Oper gewartet, um darzuthun was ich vermöchte, mein ganzes Bestreben ging einzig darauf hin, Weber’s Wünsche zu erfüllen; ich verehrte ihn auch zu innig, um ihm auch nur in einer | Sylbe entgegen zu sein. Wenn über Nacht ein neuer Gedanke in ihm aufgestiegen, so daß wieder umgestürzt werden mußte, was gestern festgestellt worden, so freute ich mich, ihm gefällig sein zu können.“35
Relativ später entschied man sich gegen die Prologszene, denn in der Textbuch-Kopie vom Mai 1823 (vgl. Anm. 28) ist sie noch enthalten. Zum Wegfall der Pantomime äußerte sich Chézy in Entstehung der Euryanthe, Teil 6:
„Während der von Schauer und Wehmuth durchbebten Stelle in der Ouvertüre, die Emma’s Leid verkündet, sollte der Vorhang auffliegen, und hinter einem Flor die Scene vorgehen, welche das Recitativ schildert, Emma, die sich an Udo’s Sarge mit dem Giftring tödtet. Frau v. Weber machte dagegen alle Einwendungen, die sich machen lassen, wenn man das Publicum in Masse nimmt; Weber war zuletzt ihrer Meinung; ich verfiel nun auf den Gedanken, Emma’s Geist sollte, ungesehen von Euryanthen, sie umschweben, indeß ¦ sie das Recitativ: ‚Am letzten Mai in banger Trennung Stunde‘ spricht36. Weber ging darauf nicht ein, und meinte: während Euryanthe als Leiche herbeigetragen wird — dann später, am Schluß des Stücks, während Adolar singt: ‚Ich ahne Emma‘37 — dies war, wie ich glaube, noch das Beste, indeß unterblieb zuletzt Alles.“
Auch Ludwig Rellstab bedauerte in seinem Rückblick den gestrichenen Prolog und beanspruchte die Idee der Erscheinung der Emma am Schluss ebenfalls für sich: „Ich hörte später, dass Weber einen schweren Stand mit seiner Dichterin gehabt hat, und das Beste in diesem verworrenen Gedicht rührt von seiner Angabe her. Warum er aber eine Einrichtung nicht beibehalten hat, die zur [recte: zum] Verständniss des Ganzen so sehr behülflich gewesen wäre, und noch dazu neu und schön war, ist mir unbegreiflich. Weber selbst fühlte nämlich, dass es sehr schwer seyn würde, das Süjet verständlich zu machen. Deshalb hatte er einen trefflichen Vorschlag gethan. Während der Ouvertüre sollte der Vorhang aufgezogen und Euryanthe betend am Sarge Emmas erblickt werden. An der Pforte des Grabgewölbes lauscht Eglantine. Der Geist Emmas schwebt, mit wehmüthigem Ausdruck der Züge, über die Bühne. Dazu gehörte der wunderbare Satz für gedämpfte Violinen, der die Ouvertüre in der Mitte durch ein Adagio theilt. Von welcher Wirkung würde dies gewesen seyn, während man jetzt, trotz der geisterartigen, wehmüthigen Musik, nur mit der grössten Mühe den Faden der Begebenheit festhält. Diese Erfindung Webers, um dem Stücke Deutlichkeit zu geben, die die Dichterin durchaus nicht hatte hineinbringen können, wollte ich bei meinen Aenderungsvorschlägen noch einmal angewendet wissen. Euryanthe sollte nämlich im letzten Akt auf der Bahre liegend erscheinen; alles kniet in tiefer Trauer nieder. Da ertönt das Geister-Adagio der Ouvertüre, Emma erscheint zum zweitenmale, aber als verklärter Geist, und durch sie wird der erschöpften Dulderin das Leben wieder zurückgegeben. Wollte man einmal das Wunderbare gestatten, so erschien, nach meiner Ansicht, diese Auflösung durchaus nicht als ein Deus ex machina, während jetzt der Scheintod und das Erwachen Euryanthens ganz unmotivirt sind, und nur durch die treffliche Musik gehalten werden. –“38
Einzelnachweise
- 1Umfassend mit den Libretto-Quellen bzw. der Textgenese beschäftigt sich: Michael Charles Tusa, Carl Maria von Weber’s „Euryanthe“: A study of its historical context, genesis and reception, PhD, Ann Arbor 1983, ergänzt publiziert als „Euryanthe“ and Carl Maria von Weber’s Dramaturgy of German Opera (Studies in Musical Genesis and Structure 1), Oxford 1991.; ferner Joachim Veit, Gehört die Genesis des „Euryanthe“-Textbuches zum „Werk“?, in: Der Text im musikalischen Werk. Editionsprobleme aus musikwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Sicht, hg. von Walther Dürr, Helga Lühning, Norbert Oellers und Hartmut Steinecke (Beihefte zur Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 8), Bielefeld 1998, S. 184–211.
- 2Z.B. die Umschreibung von Ignaz Franz Castelli im Brief vom 20. April 1823 an Karl Theodor Winkler als „saft und kraftloses Reimgeklingel“ oder Goethes vernichtendes Urteil: „Carl Maria von Weber mußte die ‚Euryanthe‘ nicht komponieren, er mußte gleich sehen, daß dies ein schlechter Stoff sei, woraus sich nichts machen lasse.“ Zitat aus Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 20. April 1825.
- 3Sämtliche Berichte sind auch auf der Homepage der WeGA nachzulesen. Die Auswahl gliedert sich in I. Berichte zur Uraufführungfolge, in II. Besprechungen der Erstaufführungen zu Webers Lebzeiten, III. Rezensionen zum Libretto und Reaktionen der Chézy sowie IV. Aufführungspraktische Hinweise von Weber.
- 4Die Rückschau unter dem Titel Carl Maria von Weber’s Euryanthe. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Oper erschien in neun Teilen. Im Nachlass der Chézy im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) sind zwei Entwürfe dazu erhalten geblieben.
- 5Laut Chézy erinnerte Weber bei dieser Begegnung daran, dass sie sich bereits 1813 bei Vogler, zusammen mit Meyerbeer, getroffen hätten. Völlig auszuschließen ist das zwar nicht, da Helmina von 1810 bis 1813 u.a. in Darmstadt lebte, in Webers TB findet sich jedoch kein Nachweis für diese Zusammenkunft; vgl. dazu auch Weber-Studien, Bd. 10, S. 25, Anm. 47. In ihrer Autobiographie berichtet sie von einem Gespräch mit Abt Vogler über seine Schüler, vgl. Unvergessenes. Denkwürdigkeiten aus dem Leben, 2. Teil, Leipzig 1858, S. 89.
- 6Die Geschichte der tugendsamen Euryanthe von Savoyen erschien anonym in der von Friedrich von Schlegel herausgegebenen Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters. Aus gedruckten und handschriftlichen Quellen, Bd. 2, Leipzig 1804. 1823 erfolgte eine neue Ausgabe in der Berliner Vereinsbuchhandlung unter ihrem Namen: Euryanthe von Savoyen. Aus dem Manuscript der königl. Bibliothek zu Paris: „Histoire de Gerard de Nevers et de la belle et vertueuse Euryant de Savoye sa mie“, übertragen von Helmine von Chezy, geb. Freiin von Klenke. In der NZfM (Teil 3) behauptete Chézy, dass sie schon 1810 eine poetische Bearbeitung des Stoffes begonnen hätte.
- 7Im Brief an Wolf Adolph August von Lüttichau vom September 1854 datierte Chézy den Beginn mit „October 1820“.
- 8Zum Opernauftrag durch den Impresario Domenico Barbaja vgl. Webers Antwort auf das Angebot, seine Briefe an Hinrich Lichtenstein und den Grafen Brühl sowie die Notiz in der Wiener allgemeinen Theaterzeitung.
- 9Der Frage, warum Weber die Chézy als Librettistin wählte, die durch ihre Übersetzungen von Calderóns Stücken Berührung mit dramatischen Werken hatte, wurde schon nachgegangen; vgl. Till Gerrit Waidelich in Weberiana 18 (2008), S. 34f., Sabine Henze-Döhring in Weber-Studien, Bd. 10, S. 4 und Frank Ziegler ebd., S. 22–25. Ziegler untersucht in seinem Aufsatz außerdem eingehend die Übernahmen aus ihren eigenen älteren Dichtungen an einzelnen Beispielen. Einen Überblick über das umfangreiche Schaffen von Helmina von Chézy liefert ihr eigenes Schriftenverzeichnis.
- 10Bereits am 3. Januar 1820 findet sich im TB der Name „Chezy“, allerdings ohne genauere Angaben.
- 11Dieses Szenarium (D-Dl, Mscr. Dresd. App. 292, 35c) veröffentlichte Chézy nach der Uraufführung inkl. Webers „Berichtigung“ in der Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, wodurch glücklicherweise die Ausführungen des Komponisten – so man denn von deren Wahrheitsgehalt ausgehen kann – überliefert sind (Wiederabdruck in NZfM 1840).
- 12War es in der Novelle noch ein Muttermal in Form eines Veilchens auf Euryanthes Arm (Veilchenmal), welches preisgegeben wurde, so ist es im Szenarium sowie dann auch im Libretto ein Geheimnis Adolars, das er Euryanthe anvertraut hatte und das diese aus Versehen gegenüber Eglantine ausplaudert. Chézy schrieb dazu später: „Das Veilchenmahl fanden Männer, die unter ihre Urtheile Namen setzen, die sie mit hoher Autorität stempeln, mit Weber u mit mir undramatisch u unmusikalisch, selbst auf dem Arm.“ (vgl. Euryanthe-Replik 1825) Die Figur der Eglantine als Nebenbuhlerin Euryanthes ist keine Erfindung der Chézy, sondern kommt bereits in der Novelle in einer Nebenhandlung vor.
- 13In dieser Fortsetzung (Euryanthe-Replik 1823) ihrer Veröffentlichung des Szenariums, aber auch in der Veröffentlichung in der NZfM (Teil 4) zitierte Chézy außerdem einige Verse, die aus einer der frühesten Werkfassungen stammen müssen, denn sie tauchen in den sonstigen Quellen so nicht auf und weichen von der frühesten überlieferten Fassung des Textbuchs (D-B, Weberiana Cl. II A. g, Nr. 13) ab, z.B. eine Vorform von Adolars Romanze (dem späteren „Unter blühn’den Mandelbäumen“) in Szene I/1 „Wie fühl’ ich im Herzen, aus Schmerzen so fröhlich erblühet [...] Das Glück, Ihr im Blicke zu schauen mein köstlichstes Leben.“
- 14Webers Zufriedenheit wird auch in Chézys Rückblick in der NZfM (Teil 4) zitiert, Weber soll begeistert gewesen sein: „Sie haben mich überrascht [...] Ich kannte und verehrte Sie als Lyriker, aber daß Sie mir so treffliche Massen für unser Werk legen würden, gleich mit dem ersten Wurf, das hat mir nicht geträumt! Gleich die Anordnung der Scene, viel schöner, als ich sie mir gedacht, sinnig, pompös, alterthümlich!“
- 15Im Brief an Hinrich Lichtenstein vom selben Tag bemerkte Weber euphorisch: „das Gedicht halte ich für höchst ausgezeichnet das mir Helmina von Chezy dazu gemacht hat.“
- 16Vgl. auch Webers Briefe an Chézy aus dieser Zeit.
- 17Leider ist die Antwort Winklers nicht überliefert.
- 18Die bei der Zensur eingereichte Kopie ist überliefert, vgl. D-B, Weberiana Cl. II A. g, Nr. 3, und enthält am Ende den Zensurvermerk, datiert mit 28. Februar 1822. In einer Veröffentlichung in der Allgemeinen Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens kurz nach der UA bezeichnete Chézy diese Fassung als „achte Umarbeitung“, insgesamt spricht sie von elf Überarbeitungen bis zum Libretto-Erstdruck (Wallishausser 1824 [sic!]).
- 19Dass Chézy zu dieser Zeit davon ausging, dass ihre Arbeit am Libretto der Euryanthe beendet war, und schon ein weiteres Projekt mit dem Komponisten im Kopf hatte, geht aus dem Brief an Amadeus Wendt vom 1. März 1822 hervor: „Eine zweyte Oper diesen Sommer Webern zu schreiben habe ich mich schon verpflichtet, [...]“; vgl. auch den Themenkommentar zu Webers nicht ausgeführten KompositionsprojektenT.
- 20Chézy behauptete in ihrem Rückblick (Teil 7) fälschlich: „Weber hatte im Reisewagen vieles aus der Euryanthe componirt.“
- 21Die detaillierte Textgenese anhand der überlieferten Librettoquellen wird im Kritischen Bericht des Partiturbandes, Serie III, Bd. 6, sowie in der digitalen Libretto-Edition zu WeV C.9 vorgestellt (beides in Vorbereitung). Es sind zwei Szenarien, elf vollständige Textmanuskripte sowie zehn ergänzende handschriftliche Fragmente, darüber hinaus auch die zu Lebzeiten Webers überlieferten gedruckten Textbücher für die Darstellung der Textgenese zu berücksichtigen.
- 22Vgl. den Brief an den Grafen Brühl vom 3. Dezember 1822.
- 23Davor hatte er Briefe von ihr am 6. und 26. Juli erhalten.
- 24Weber notierte aber den Erhalt der Briefe im TB: 2. und 11. September, 7. und 21. Oktober, 8., 9., 15., 21., 27. und 29. November, 12., 14. und 21. Dezember 1822, 11. Januar sowie 18. Februar 1823 (= teilweise erschlossene Briefe).
- 25In den beiden überlieferten (aufeinander bezugnehmenden) Briefen von Ende 1822 geht es nicht um die Entstehung des Librettos.
- 26Aus dieser Zeit sind keine eingegangenen Briefe von Mosel in Webers TB vermerkt. Es ist daher eher anzunehmen, dass er die Anregung zur Gliederung in drei Akte bereits bei seiner persönlichen Begegnung mit Mosel am 7. März erhielt.
- 27Vgl. Ludwig Rellstab, Carl Maria von Weber, in: Caecilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Bd. 7, 1828, S. 10f.
- 28Anhand der Libretto-Kopie vom Mai 1823 (D-B, Weberiana Cl. II A. g, Nr. 5) kann diese Umarbeitung gut rekonstruiert werden, denn sie enthält zwei verschiedene Fassungen des Finales des I. Akts. Diese Kopie ist unvollständig und gehört vermutlich mit der ebenfalls unvollständigen Kopie vom selben Kopisten in der BBAW zusammen.
- 29Ursprünglich war die Uraufführung für Herbst 1822 vorgesehen gewesen. Zur Verschiebung der Oper auf Herbst 1823 vgl. Webers Briefe von November/Dezember 1822 an verschiedene Empfänger, vor allem aber die Entwürfe an die Administration des Kärntnertortheaters in Wien.
- 30Die in der Staatsbibliothek erhaltene Materialsammlung (D-B, Weberiana Cl. II A. g, Nr. 4) umfasst mehrere Entwürfe zum Schluss der Oper, u.a. auch die Version, in der Eglantine sich selbst ersticht, sowie auch viele weitere Varianten zu einzelnen Nummern und Szenen. Von der Hand Webers ist ein Textfragment mit Notizen der Szene III/5 „Hochzeitsmarsch“ bis Schluss überliefert (D-B, Weberiana Cl. II A. g, Nr. 7). Chézy erinnerte sich in der NZfM (Teil 9): „So wie ich nach Dresden zurückkam [Anfang April 1823], übergab mir C. M. v. Weber ein Scenarium der Katastrophe, wie er es nun schließlich wünschte. Ich schritt baldigst, und recht zu seiner Zufriedenheit zur Vollendung, und gab ihm seinen Entwurf zurück.“
- 31Chézy erinnerte sich 1825 folgendermaßen: „Noch nie hatte ich zuvor auf eine poetische Arbeit solchen Fleiß gewandt als eben auf die Euryanthe von welcher Eilf Versionen bei mir liegen. [...] Sie wurde im Oktober 1821 begonnen, u die letzte Version am 31 May 1823 vollendet [vgl. Brief von Chézy an Weber vom selben Tag]. Nächstdem hat der Componist selbst noch hineingearbeitet. Ich selbst habe in dem benannten Zeitraum nichts andres vorgenommen. Zeugen von dieser Behauptung sind Stöße von Concepten, die bei mir liegen. Das Werk ist in seinen Gestaltungen größtentheils von mir ausgegangen, doch ist es aus viel verschiedenen Formen, die ich dem genialen Weber vorschlug, von Ihm Silbe für Silbe, so wie es ist, bestimmt worden zu bleiben.“; vgl. auch die Euryanthe-Replik 1825: „[...] wir haben von Oktober 1821 bis Junius 1823 mit dem schönsten Willen in friedlicher Eintracht oft Stundenlang über Einzelnheiten berathend u feilend gearbeitet.“
- 32In den Genuss einer Lesung des Textbuches kam laut TB auch Carl Graf von Brühl. Später wurde das Buch Friedrich Kind vorgelesen, vgl. Brief vom 17. September 1823.
- 33Vgl. Biographische und literarische Skizzen aus dem Leben und der Zeit Karl Förster’s, hg. von L[uise] Förster, Dresden 1846, S. 295.
- 34Dies lässt sich gut anhand der überlieferten Manuskripte des Textbuches nachvollziehen, in denen zahlreiche Korrekturen Webers enthalten sind. Das Abwägen jedes einzelnen Wortes findet sich sogar noch im Regiebuch zur Uraufführung (A-Wn, Mus. Hs. 32.304), wo neben Eintragungen der Chézy auch solche des Komponisten stehen.
- 35Auch in der oben erwähnten Euryanthe-Replik 1823 reflektierte die Dichterin über Webers Eingriffe: „Ich hatte mir bey dieser Arbeit zum Grundsatz gemacht: dem Compositeur in Allem nachzugeben, theils aus Achtung für sein Talent, theils aus Mißtrauen in meine Kenntniß der Scene, und in meine Fähigkeiten für eine bisher noch nicht unternommene Arbeit. Verschiedene der Hauptstellen, die ich am Clavier hörte, bestärkten mich in der Idee, daß meine Nachgiebigkeit an ihrer Stelle gewesen, ich kann aber, so aufrichtig ich fühle und zugestehe, daß der Wille des Compositeurs bey den erheischten Änderungen schön und lobenswerth, bey einem Werke ähnlicher Gattung in keinem Fall irgend einem Dichter diese Nachgiebigkeit empfehlen. Der gerechte Vorwurf, daß hier und da zu wenig gesagt wird, trifft nicht mich, sondern die Hand, die, was ich sorgfältig ausführte, gestrichen, und aus dieser Zerstörung des innern Gleichgewichts rührt es her, wenn wiederum an andern Stellen zu viel stehn geblieben.“ Jedenfalls hatte sie ihre Lehren daraus gezogen: „Aus Liebe und Bewunderung für Webers Genius und mit unbedingter Hingebung in seine Ansichten und Erfordernisse habe ich die Euryanthe ganz nach seinen Wünschen gedichtet und vielfach umgearbeitet. Ich würde bei einer zweiten Oper, die ich schreiben könnte, für den Componisten, der mir gleiche Gesinnung einflößte noch immer dasselbe thun, mit dem Unterschiede, daß ich sie zuvor nach einem selbstgeschaffenen Plan vollenden, und dann nur in Einzelnheiten umarbeiten würde, nicht aber im Innern umgestalten, denn dies kann nicht mehr musikalisch und dramatisch klar und wirksam werden, wenn es nicht ursprünglich so empfangen und geboren.“
- 36Vgl. dazu Chézys Brief an Weber vom 20. Juli 1823. Das besagte Rezitativ, welches durch den Wegfall der Prologszene noch unverständlicher wirkt, hat immer wieder Anlass zur Kritik gegeben, wie z.B. in der Aufführungsbesprechung in der Allgemeinen Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens: „Die auffallendste und dem Effekte hinderlichste Schwäche dieses Text-Buches ist die Mangelhaftigkeit der Auseinandersetzung, warum Adolar Euryanthen für schuldig hält. Schon war es mißlich, im Recitative von Euryanthen die Erscheinung der Selbstmörderinn Emma erzählen zu lassen, und in diese Erzählung sogar die Erscheinung redend einzuführen. Die Achse, um die sich die ganze Verwicklung und Entwicklung dreht, konnte nicht gehörig erkannt und daher viele folgende Situationen nicht verstanden werden. Erzählungen sind schon im Drama mißlich, und gesungene Erzählungen in der Oper noch weit mehr.“ Vgl. auch Chézys Reaktion (inkl. Entwurf) darauf. Möglicherweise war das der Grund, weshalb Weber das Geheimnis-Reziativ nach der Uraufführung (lt. TB am 20. November 1823) umarbeitete. Zu allen weiteren Veränderungen nach der UA vgl. das Kapitel zu den Kürzungen in: Marita Fullgraf, Rettungsversuche einer Oper. Die musikdramaturgischen Bearbeitungen der „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber, Saarbrücken 1997, S. 91–107 sowie Solveig Schreiter, Das Libretto zu Euryanthe. Untersuchungen am Aufführungsmaterial zur Berliner Erstaufführung (Publikation in Vorbereitung).
- 37Das Rezitativ „Ich ahne Emma“ inkl. Schlusschor geht auf Weber zurück; vgl. dazu Webers Brief an Chézy vom Sommer 1823 sowie auch Chézys Ausführungen von Juli 1825.
- 38Vgl. Ludwig Rellstab, Carl Maria von Weber, in: Caecilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt, Bd. 7, 1828, S. 11f.