In Vorbereitung durch Tim Hüttemeister: Aufführungsmaterial zum Freischütz (WeV C.7), Serie III, Band 5

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Als 2017 die beiden Teilbände mit der Edition des Freischütz bei Schott erschienen, war eigentlich klar, dass dies auch Folgen für die musikalische Praxis haben sollte. Zwar waren mit der Neuedition fast keine „neuen Noten“ in die Partitur einzufügen, aber die gesamte sogenannte sekundäre Schicht (Artikulation, Agogik, Bogensetzung, Dynamik, Szenenanweisungen innerhalb der Musik usw.) unterschied sich doch erheblich von den älteren Editionen. Im Frühjahr 2019 kam dann in Detmold ein Gespräch über die geplante Gestalt der Praktischen Ausgabe zustande, nachdem der Schott-Verlag im Vorfeld eine gemeinsame Herausgabe des Aufführungsmaterials mit Breitkopf & Härtel ins Auge gefasst hatte. So nahmen an dem Gespräch Vertreter beider Verlage teil, daneben Dr. Gabriele Buschmeier von der Mainzer Akademie der Wissenschaften, der an der Hochschule für Musik für das Fach Dirigieren zuständige und an Webers Werken besonders interessierte Prof. Florian Ludwig sowie für die Weber-Ausgabe Joachim Veit als Editionsleiter und Tim Hüttemeister als Dirigent und zugleich Studentische Hilfskraft der Weber-Ausgabe, der sich um die Korrektur der Ausgabe bereits besondere Verdienste erworben hatte. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen Erfordernisse der Praxis an die Edition, zumal der Gesamtausgabenband bewusst bei nicht eindeutigen und unterschiedliche Lösungen erlaubenden Passagen „Leerstellen“ gelassen bzw. lediglich Empfehlungen formuliert hatte, um nicht Wissen vorzutäuschen, wo dies nicht vorhanden ist. Darüber hinaus ging es auch um die historische Partituranordnung, die zwar als musikalisch sinnvoll, aber als für die heutige Praxis u. U. problematisch angesehen wurde. Zahlreiche verlagsspezifische Dinge, wie etwa das Auflösen von Kürzeln, die Behandlung von Halsungen in den Bläsern o.ä.m., kamen ebenfalls zur Sprache.

Letztlich wollte sich die Gesamtausgabe den Erfahrungen der Praktiker nicht verschließen, zumal die Praktische Ausgabe Sache des Verlags ist und dieser an sein eigenes Geschäftsmodell denken muss, selbst wenn einige Entscheidungen nicht unbedingt den Wünschen der Editoren entsprechen und die Gesamtausgabenbände ja eigentlich gerade zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit ihren Inhalten und einer kritischeren Haltung zum gedruckten Notentext anregen möchten. Ein willkommener Kompromiss war dann aber, dass diese Praktische Edition nach dem gemeinsamen Entschluss aller Beteiligten von Tim Hüttemeister vorbereitet werden sollte, der die Entscheidungen der Herausgeberinnen und Herausgeber kontinuierlich mitverfolgt und bei seinen Korrekturlesungen selbst noch einmal intensive Quellenvergleiche mit Hilfe von Freischütz Digital vorgenommen hatte. Er sollte nun auf der Grundlage einer Kopie der Gesamtausgabenpartitur diese im Hinblick auf den Stimmenauszug einrichten, für die Praxis notwendige bzw. sinnvolle Ergänzungen eintragen, Kürzel auflösen, die Änderung der Partituranordnung anzeigen usw. usw. Nach dem Abschluss eines entsprechenden Vertrags mit Schott, übersandte er schon im Herbst des Jahres 2019 Akt I an beide Verlage, die beiden anderen Akte folgten während der Zeit der Corona-Pademie. Hüttemeister unternahm dabei nochmals eine intensive Quellensichtung und konnte so auch noch einige Fehler, die sich in den Partiturdruck eingeschlichen hatten, korrigieren oder Ergänzungen vor dem Hintergrund seines eigenen kritischen Blicks in die Quellen rechtfertigen.

Durch die Folgen von Corona für den Kulturbetriebe kam aber leider das ganze Vorhaben ins Stocken, ein „normales“ Geschäftsleben schien sich lange Zeit nicht wieder einzustellen. Erst im Herbst 2022 drängte dann der Geschäftsführer von Breitkopf & Härtel auf eine verlagsseitige Wiederaufnahme und das Finalisieren der Arbeiten, wobei nun auch ein neu eingerichteter Klavierauszug Teil des Aufführungsmaterials werden sollte, da Webers Version doch zu sehr im Hinblick auf die Rezeption der Oper durch ein breiteres Publikum denn als Hilfe beim Einstudieren des Werks konzipiert war. Hüttemeister nutzte die Gelegenheit zur Umarbeitung auf der Grundlage eines alten Breitkopfschen Auszugs von Gustav Rösler, zugleich bemühte er sich nochmals um eine gründliche Überarbeitung auch der Dialogteile und Szenenanweisungen, wobei er auch einige Eintragungen im Handexemplar Webers in seine Version für die Praxis integrierte.

Tim Hüttemeister – aber auch die WeGA und wohl auch Schott – wurden dann kurze Zeit später durch die Ankündigung überrascht, dass der gemeinsame Vertrag mit Schott seitens Breitkopf & Härtel gekündigt wurde und dort nun eine eigene „Urtext“-Edition vorgelegt werden sollte. Trotz aller Bemühungen, diesen Entschluss zu revidieren, blieb es bei der Kündigung des Vertrags, zugleich verpflichtete Schott Herrn Hüttemeister, zu seinem Vertrag zu stehen und, wie vereinbart, das Material nach der Weber-Ausgabe nur gemeinsam mit Schott herauszubringen. Diese plötzliche Wendung in den ursprünglichen Plänen führte leider verlagsseitig zu erneuten Verzögerungen, so dass jetzt erst in diesem Jahr die Fertigstellung der Praktischen Ausgabe auf der Basis des Gesamtausgabenbandes bei Schott bevorsteht. Sehr befremdlich erscheint in diesem Kontext, dass der Verlag Breitkopf & Härtel, an den Hüttemeister seine eingerichteten Editionvorlagen bis zuletzt jeweils mit gesandt hat, nun ebenfalls die Veröffentlichung eines Material angekündigt hat und dabei ungeniert mit denselben Besonderheiten und nahezu sämtlichen Eintragungen wirbt, die sich in Hüttemeisters Vorlagen finden und die er in seinen Vorarbeiten herausgestellt hatte. Ein Schelm, wer hier Böses denkt ...

Es ist zu hoffen, dass Hüttemeisters Leistungen und die Ergebnisse seiner mehrjährigen mühevollen Arbeit verlagsseitig in Schutz genommen werden und so sein auf der Grundlage der Gesamtausgabe erstelltes Material zu einer neuen, lebendigen Auseinandersetzung mit Webers Werk beiträgt.

Joachim Veit, Samstag, 22. März 2025

Apparat

Überlieferung

  • Textzeuge: Keine Angaben gefunden

XML

Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.