Aufführungsbesprechung Hamburg: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 15. Januar 1829 (Teil 4/4)

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Hamburgische Theater-Zeitung.

Stadt-Theater.

Oberon. (Beschluß.)

Der dritte Act dieser Oper ist auch der schwächste, in aller Hinsicht, nur Fatimens Lied: „Arabien mein Heimathland,“ und der Chor „Horch welch’ Wunderklingen,“ machen eine sehr löbliche Ausnahme; dem Ersten ließ aber die Sängerin nicht volles Recht widerfahren, auch ist die ganze Parthie für Mezzo Sopran berechnet; der Chor wird wohl erst dann geschätzt werden, wann die Masse über den Hokuspokus des Springens und Tanzens nicht mehr lacht; wann dieses Musikstück erst erkannt worden ist, dann wird man es Mozart’sDas klinget so herrlich,“ an die Seite stellen.

Das Duett: „An dem Strande der Garonne,“ erfordert einen tiefen Tenor oder Bariton und einen Sänger. Beides ist unser Scherasmin* nicht; er ist ein wackerer Schauspieler und hat eine brave Baßstimme; er stellte recht munter dar, was er vorzutragen hatte, und da überhörte man denn, daß er im ganzen Duett durchaus um ein gutes Achttheil zu tief intonirte. – Recht charmant ist es von meinem lieben Theodor Hell, daß er den Knappen Hüons und die Amme Rezias grade so hochtrabend holpricht, unverständlich singen läßt, wie Oberon und die Geister! In einem fort kommt Scherasmin mit einem Haufen Participien an, daß man glaubt, es müsse ihm der Athem ausgehen; z. B. „freuend, scheuend, neidend, liebend, prügelnd, küssend.“ – O Himmel! also singend läßt man jetziger Zeit den Knappen (quasi Kasperle) eines Ritters auftreten! – Das darauf folgende Duett ist wohl bloß darum angefertigt worden, ¦ um hinter den Coulissen Zeit für den Theatermaschinisten zu gewinnen, denn die Situation erfordert nicht Ruhe, sondern Eile. So gern ich die Schönheiten von Webers Tönen anerkenne, eben so unumwunden muß ich gestehen, daß diese Piece ganz gewöhnlich ist, und wie gesagt, bloß ex officio angefertigt scheint. Auf die Schönheit der folgenden Cavatine Rezia’s „Traure mein Herz,“ wird das schauende Publikum wohl, um Apollos Willen, etwa noch aufmerksam werden, denn wenn sie verloren ginge im Strudel der Coulissen-Gafferei, so dauert mich zwar nicht Weber (seine Töne genießt der Musiker schon in der Stube), aber das Publikum dauert mich, weil es sich um einen großen Genuß bringt. Hüons Rondo blieb am ersten Abend, wie ich vernehme, Unpäßlichkeit halber weg, am zweiten wurde es gesungen, ohne zu gefallen. Es ist aus Clavierfiguren zusammengesetzt, deshalb für die menschliche Stimme unpassend; die Mahlerei geht bei den Worten: „hüpfend“ und „schäumend“ und „rauschend abwärts von steiler Höh’,“ ins Kleinliche, auch kann man schon in Burney’s Reisen*, in Algarottis „Saggio Sopra l’Opera* nachlesen, daß Gleichnisse in der Oper absingen lächerlich und ganz unpassend ist. Der Text ist das non plus ultra von Leichtigkeit, Geschmack und Lieblichkeit!!! Der Chor No. 21, Ballet, und Solo Hüons erfüllen seinen Zweck; die Baßposaune macht sich aber gar zu wichtig, besonders im hiesigen Hause, wo sie mit ihren beiden Schwestern ohnehin das ganze Orchester überragt. Von dem hieran sich schließenden Chor war bereits die Rede: das Tempo allegro ¾ Tact, war wohl wieder etwas schnell. Oberons Solo ist unbedeutend, eben so der Schlußchor. Desto brillanter die Schlußdecoration.

Die Besetzung der Singparthien war folgende: Oberon, Herr Albert, Rezia, Madame Kraus, Fatime, Demoiselle Schröder, Hüon von Bordeaux, Herr Cornet, Scherasmin, Herr Gloy, Puck, Madame Mädel. Am Abend der ersten Aufführung war manches Unvollkommene zu hören und zu sehen, dagegen kann Ref. der zweiten Vorstellung nur höchst lobend erwähnen. Die Direction hat so viel zur Ausstattung dieser Oper bewilligt und Maler, Maschinist und Garderobier haben so viel Schönes, Reiches und Ueberraschendes angefertigt, daß der Dialog ganz und die Musik zum Theil in den Hintergrund gedrängt und das Verhältniß völlig umgekehrt wurde. Beide scheinen nur da zu seyn, um dem Publikum eine Reihe schöner Decorationen &c. vor die Augen zu führen, und zu diesem Zwecke ist es um Webers Musik Jammerschade! Es tröstet mich nur die Hoffnung, daß der wahre Kunstliebhaber und Kenner der vielen Augenherrlichkeiten bald satt seyn und den eigentlichen Genuß in der Musik suchen wird. Das Publikum hat am Schlusse der ersten Vorstellung den rechten Tact bewiesen, indem es den Maler, Herrn Cocchi, den Maschinisten, Herrn Höck, und die Direction hervorrief, welche so viel für diese Oper gethan hat. – Ueber die einzelnen Leistungen der in dieser Oper beschäftigten Künstler werde ich dann referiren, wenn erst ein ruhiges Auffassen des Gesanges möglicher ist und die Sänger in ihren Parthien fester seyn werden*. Ausgezeichnet war in Hinsicht des Gesanges Madame Kraus (Rezia) und Herr Cornet (Hüon) im Gesang und Spiel am zweiten Abend, wo er hervorgerufen wurde. Orchester und Chor waren durchaus lobenswerth; hierüber nächstens ausführlicher.

Apparat

Zusammenfassung

über die EA des „Oberon“ in Hamburg

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ziegler, Frank; Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Originalien aus dem Gebiete der Wahrheit, Kunst, Laune und Phantasie, Jg. 13, Nr. 11 (26. Januar 1829), Sp. 87f.

    Einzelstellenerläuterung

    • wannrecte „wenn“.
    • „… Sänger. Beides ist unser Scherasmin“Den Scherasmin verkörperte Johann Christoph Gloy.
    • Duettrecte „Terzettino“.
    • „… man schon in Burney’s Reisen“Charles Burney, Tagebuch einer musikalischen Reise durch Frankreich und Italien, aus dem Englischen übersetzt von Christoph Daniel Ebeling, Bd. 1–3, Hamburg: Bode, 1772/73.
    • „… „ Saggio Sopra l’Opera ““Francesco Algarotti, Saggio sopra l’opera in musica, o. O. 1755.
    • „… ihren Parthien fester seyn werden“Vgl. die Besprechungen in derselben Zeitschrift vom 1. Juni und vom 21. September 1829.

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