Aufführungsbesprechung der Oper Euryanthe von Carl Maria von Weber in Berlin am 28. Dezember 1825 und 4. Januar 1826 (Teil 1 von 2)

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Königliches Theater.

Der vollgültigste Beweis für den innern Kunstwerth der großartigen, tief gedachten und empfundenen musikalischen Composition der Oper Euryanthe unsers hoch verehrten, Deutschen Tonmeisters, Carl Maria von Weber, ist die dauernde Theilnahme, welche hier diesem Werk gewidmet wird. Auch bei der zweiten, noch von dem genialen Componisten selbst geleiteten Vorstellung, wurde dieser durch Herausrufen und Beifallsbezeugungen ausgezeichnet, und der Jäger-Chor, wie bei der ersten Vorstellung, da Capo begehrt. Hr. von Weber theilte die Ehre des Herausrufens mit den Damen Seidler und Schultz.

Die dritte Vorstellung* leitete Herr Kapellmeister Seidel und die Ausführung gelang, unter thätiger Mitwirkung des Hrn. Concertmeisters Seidler, und bei dem regen Eifer aller Theilnehmenden, nicht minder vollkommen, als bei der persönlichen Anwesenheit des Tonsetzers.

Im Ganzen gewährt die Oper Euryanthe einen tiefen, doch mehr düstern, als heitern Eindruck. Dies liegt offenbar an dem Gedicht, das zwar durch grelle Contraste und Romantik dem Componisten Gelegenheit darbot, seine Kunst durch musikalische Charakteristik der Leidenschaften: Zorn, Rache, Eifersucht, Haß und Liebe geltend zu machen, mit Bedauern indeß das Humoristische vermissen läßt, worin der Componist des „Freischütz“ so groß ist. Zugleich aber ist die Handlung für die Oper nicht klar genug, und die Geschichte des Ringes aus Emma’s Gruft ein Räthsel der SphinxT. Gern hüllt die sinnige, innige, minnige Dichterin sich in mystisches Dunkel. In vielen Versen ist jedoch ein Anklang zarter Troubadour -Poesie zu finden, und das Chevalereske giebt der Handlung ein romantisches Colorit, das der Oper immer günstiger, als das bloß historische oder heroische ist. So viel ist entschieden, der Componist hat die Dichterin bei weitem an Erfindung, Consequenz und Reichthum der Ausführung überboten. Dies zeigt schon die planmäßige Anlage der grandiosen, feurigen, nur etwas langen und aus vielen einzelnen Theilen kunstvoll zusammengesetzten Ouvertüre, die außer dem Haupt-The|ma: „Ich bau’ auf Gott,“ auch die Geister Erscheinung Emma’s und die ominöse Ring-Catastrophe in dem Largo von 8 Violine con Sordino und den tremulirenden Bratschen andeutet, dann durch einen fugirten und Triolen-Satz (dessen Beziehung dem Ref, nicht klar ist) zu der wunderlieblichen melodischen Cantilene von Adolars Scene: (Akt 2.) „O Seligkeit, dich faß’ ich kaum,“ übergeht und jubelnd, im Triumph der Liebe und Unschuld schließt.

Der erste Akt spricht durch seine Abwechselung von Ernst und Heiterkeit allgemein am meisten an. Die Introduktion ist so melodisch als voll r[h]ythmischem Leben. Tanz begleitet wirksam die Chöre, welche dem Frieden und den Frauen abwechselnd in den lieblichsten Weisen huldigen. Scenerie und Costüme’s wirken hierbei erhebend mit. Adolar’s Minnelied, eine zarte Cavatine zur Zither gesungen, wird durch Hrn. Baders seelenvollen Vortrag eines der reizendsten Gesangstücke. In der verschiedenen Instrumentirung der drei Strophen zeigt der Componist den Reichthum seiner Erfahrung auch von dieser Seite. Mehr aber noch ist die durchgängig meisterhafte Deklamation und Begleitung der schweren Recitative zu rühmen. Vortrefflich und imponirend tritt das große Ensemble-Stück mit dem Chor: „Vermessenes Beginnen“ und der begeisternden Melodie Adolar’s: Ich bau auf Gott und meine Euryanth’! hervor. In der 2ten Scene erscheint Euryanthe zuerst mit der elegischen Cavatine: „Glöcklein im Thale“ höchst anziehend und die graziöse Gestalt, wie der einfach schöne, zarte Vortrag der Mad. Seidler wirkt hier schon im Voraus einnehmend. Für den leidenschaftlichen Charakter der von Adolar verschmähten, rachsüchtigen Eglantine ist Mad. Schultz durch ihre lebendige Darstellung, wie durch ihren ausdrucksvollen, kräftigen Gesang voll heroischen Schwunges, vorzugsweise geeignet. Nach dem Duett beider Frauen, dessen Schluß besonders anspricht, zeigt sich Eglantine in ihrer wahren Furien-Gestalt in der 4ten Scene. Mad. Schultz singt die, alle ihre Kräfte in Anspruch nehmende Arie: „Er konnte mich um sie verschmähn,“ mit dem wildesten Feuer der Leidenschaft und zugleich so künstlerisch groß, daß hier das Ideal der Tondichtung wohl am treuesten erreicht ist.

Die fünfte Scene bildet das Finale durch Chöre der Landleute und Riter in trefflich contrastirenden Gegensätzen. Der Wechsel kriegerischer Musik, mit den wirksam lebendigen Trompeten-Soli’s auf der Bühne, und fröhlichen Tanz-Rhythmen, wie die Verbindung beider Chöre, belebt diese Scene ungemein und schließt den Akt aufs reizendste durch die wahrhaft „fröhlichen Klänge“ im Solo-Gesange Euryanthens mit Begleitung des Chors. Dies anmuthsvolle Pastorale ist längst ein Lieblings-Gesangstück der Musikfreunde in Gesellschaften geworden, da es leicht ausführbar ist. (Schluß folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bandur, Markus

Überlieferung

  • Textzeuge: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Jg. 1826, Nr. 9 (11. Januar), S. 5

Textkonstitution

  • „Costüme’s“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „Die dritte Vorstellung“Am 4. Januar 1826.

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