Carl Klein an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Kopenhagen, Donnerstag, 22. Juni 1876

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Mein lieber theuerer Freund!

Es fält schwer Zeit zu gewinnen um einen Brief für Sie anzufertigen, indem so viel Stoff sich gesammelt hat worüber zu berichten, u. so viele Fragen zu beantworten ist. Heute mache ich denn den Anfang aber ich weiß nicht wann er auf der Post abgegeben wird. Ihr Brief vom 20 Mai hat mir viele Freude gemacht, wie ohnehin Alles übrige was von Ihnen in meine Hände gelangt. So war es mir auch angenehm die von Ihnen in der „Berliner Musik Zeitung“ eingetragenen Correspondenz Nachrichten aus Copenhagen über den „Freischütz“ zu lesen. Es ist mir ganz recht, daß Sie nach meinen Mittheilungen die nothwendigen Veränderungen vorgenommen, u. meine Schreibart verändert haben. Ich bewundere fortan Ihren ausdauernden Fleiß, u. wird der liebe Gott Ihnen gewiß auch in den Stand setzen, noch in langer Zeit damit fortzufahren.

Daß ich sehr neugierig u. darauf gespannt bin einst den „Nachtrag“ zu „Weber in seinen Werken“ zu besitzen können Sie sich wohl denken, u. freue ich mich sehr dazu. Lieber Freund! In der untenangeführten Notiz des Artikels in der „Berliner Musikzeitung“ über die Freischütz Ouverture ist eine fehlerhafte Bemerkung. Weber hat nämlich in 1820 nicht persönlich die Aufführung der Ouverture geleitet, sondern der Capellmeister Professor Schall, dem er auch, weil die Ouverture von der Capelle so vorzüglich gespielt wurde, die Partitur schenkte. Vom Titelblatt derselben schikte ich Ihnen s. Z. einige photographirte Abdrücke*. Berggreen kaufte die Partitur auf Schalls Auction. Weber saß während der Aufführung im Parquet auf der letzten Bank. Gerade hinter ihn, auf der ersten Bank im Parterre saß Berggreen. Gleich nach Schluß der Ouverture, die stürmisch beklatscht wurde, ging Weber auf die Bühne um sein „Brill: Rondo“ zu spielen. Ich glaube daß ich Ihnen dies Alles früher berichtet habe. Ebenfalls habe ich schon früher auf den Irrthum aufmerksam gemacht, daß Weber sein Concert im „Königlichen Theater“ gab. Das Hoftheater ist in einem Seitengebäude des Christiansburger Schlosses gelegenT.

Habe ich Ihnen schon Abschriften von den 2 Originalbriefen v. Weber an Prof. Zink v. 11 Juli 1821 u. an Prof. Weyse vom 9 Octbr 1822 gesandt? Wenn nicht so werde ich solche für Sie anfertigen die Originale besitzt Berggreen.

Was Sie über die Schwierigkeit eines event. Honorar’s für Aufsetze in der Berliner Mus: Ztg zu erzielen, mir mittheilen, verstehe ich sehr gut, da es ebenso bei uns ist. Indessen danke ich für Ihren guten Willen, ja bin eben so dankbar als hätten Sie mir ein „klingendes“ ausgewirkt.

Nach Ihren Brief zu urtheilen so habe ich Ihnen also nichts berichtet über das mir aus Berlin gewordene Honorar. Unterm 18 Januar d. J’s wurde mir vom Preußischen Gesandten 750 Mark übersandt, u. zwar vom Fürsten Bismark. Im Brief steht, daß der Fürst mir diese Summe bewilligt habe, „für die sehr wesentlige Hülfe“, die womit ich mir bei der Aussonderung der Schleswigholsteinischen Archive betheiligt hätte. Von der dänischen Regierung ist mir vor ohngefähr 6 Wochen 800 Kronen als Extra Honorar bewilligt, aber die von mir beanspruchte Entschädigung v. 600 Kr: habe ich noch nicht erhalten. Es war nämlich eine Entschädigung für meine Informationsstunden die ich in al der Zeit das die Auslieferung der Archive vor sich ging verlor u so ich ersetzt verlangte. Es dauerte diese Arbeit, 3 Jahre, doch mit einigen Zwischenräumen wo nicht gearbeitet wurde. Sie können sich wohl denken daß mir diese Aufmerksamkeit von Seiten des Fürsten Bismark sehr gefreut hat. — Hier auf „Nörregade“ geht das Lotteri Geschäft leider nicht nach Wunsch, weshalb ich zu Octbr eine andere Wohnung, mehr in der Mitte der Stadt gelegen, beziehe. Die Lotteri-Kollektion gibt mir nur so viel an Ausbeute, daß ich damit meine Hausmiethe bezahlen kann; alles übrige zur Nahrung u Kleidung für 8 Individen muß durch’s Honorar für Informationen herbeigeschafft werden. Das fält schwer. Das Informiren drückt nicht wenig denn auch ich „werde teglich älter“.

Mein Schwager, Kürschner Bang, hieselbst, Bruder meiner Frau, reiste d. 25 April d. J. über Hamburg u. Berlin nach Leipzig zur Messe. Ich gab ihn einen Brief mit für Sie, u. versprach er ihn selbst persönlich zu überbringen u. von meiner Frau u. mich zu grüßen. Er war auf den Weg nach Ihrer Wohnung konnte den Brief aber nicht finden, und erst nach seiner Zurückkunft in Copenhagen fand er ihn im Koffer. Es hat mir dieser Unfall sehr leid gethan.

Der alte Berggreen kränkelt ab und zu. Am 2 März d. J. wurde er 75 Jahr alt. Das Gerücht geht daß er seine Stellung als Organist an der „Trinitatis Kirche“ verläßt; bleibt aber in seiner Function als Gesang-Inspector der Schulen.

Da er nun in einem halben Jahrhundert für den Volks-Schul- u. Kirchen Gesang in Dänemark gewirkt hat so haben sich deshalb eine Anzahl von 44 anerkannten Männern (darunter d. Cultusminister, der Bischof v. Seeland, Stiftspröbste, Pröbste Prediger Professoren, Organisten etc) vereinigt u. ein Circulair erlassen, um Beiträge zu einem Ehren Geschenk für Berggreen einzusammeln; auch um ein Legat zu stiften, welches seinen Namen tragen soll, u. worüber Berggreen zu verfügen habe. —

Ja! mein theurer Freund Jähns, „es wäre gar zu schön“ Sie mal wieder in Copenhagen zu sehen. Glauben Sie denn wirklich daß die See stets so unruhig ist, als wie Sie sich letzt derselben anvertrauten? Jetzt macht man eine noch kürzere u. schnellere Reise, wie früher, nemlich über Stettin nach Nykjöbing auf Falster, u. von da durch Seeland p. Eisenbahn nach Kopenhagen.

Gott gebe daß Sie nach vollbrachter Brunnen Cuur in Teplitz u. Marienbad von Ihrem „Rheuma“ u. „Steinleiden“ gänzlich befreit werden möchten. Ich kann mir nichts schrekliches denken als die letztgenannte Plage.

Durch diese Zeilen werden Sie ersehen, daß ich nicht „Böses mit Bösem“ vergelte, und hoffe ich daß Sie mir durch einige baldige Zeilen beweisen, daß Sie mir nicht böse sind weil dieser Brief den „22 Juni“ als Datum trägt. Das ich hauptsächlich eine Nachricht entgegensehe über Ihren Gesundheits Zustand ist ja klar.

Und nun muß ich schließen.
Empfangen Sie die herzlichsten Grüße von meiner Frau, meinen Kindern und Ihrem allzeit treu ergebenen Freund
Carl Klein

Apparat

Zusammenfassung

vermerkt, dass Weber 1820 die Freischütz-Ouvertüre nicht selbst dirigiert habe, sondern der Capellmeister Prof. Schall, dem er auch die Partitur schenkte; Berggreen kaufte sie dann auf der Schall’schen Auktion; weist darauf hin, dass das Hoftheater sich in einem Seitengebäude des Christiansburger Schlosses befindet; erwähnt Abschriften von zwei Briefen Webers an Prof. Zink u. Prof. Weyse; folgen noch persönliche Mitteilungen und biogr. Details über Berggreen, Organist an der Trinitatis Kirche in Kopenhagen

Incipit

Es fällt schwer Zeit zu gewinnen um einen Brief

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 326

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl., 1 Bl. (6 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „Juli“sic!
  • „die“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… s. Z. einige photographirte Abdrücke“Foto in D-B, Weberiana Cl. VIII, H. 3, Nr. 17.
  • Octbrrecte „Dezember“.

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