Aufführungsbesprechung: „Makdonald“ von Nicolas Dalayrac am 25. Juli 1811 in München

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Dramaturgische Bruchstücke.

DonnerstagsΔ, den 25. July sahen wir die Oper Makdonald mit Musik von Dallayrac auf unserer Bühne*. Nächst dem Schloße Montenero ist diese Oper unstreitig zu den vollendetsten Arbeiten Dallayrac’s zu rechnen, indem sich darin sein sonst vorzüglich zum Naiven und Munteren neigendes Gemüth, zu einer ihm ungewöhnlichen Kraft emporschwingt, und kaum den Componisten einer Nina* etc. etc. wieder erkennen läßt. Es ist auch sehr charakteristisch, daß diese beyden obigen Opern in Frankreich nicht zu seinen Beßten gezählt werden und es hauptsächlich uns Deutschen vorbehalten war, sie gehörig zu würdigen, welches auch beynahe auf allen Theatern, besonders mit Makdonald (der an andern Orten unter dem Titel: Lehmann oder der Thurm bey Neu|stadt, auch als der Thurm von Gothenburg bekannt ist) der Fall war*.

Die Ouverture versetzt uns sogleich mitten in das Leben des Stücks, durch ihre herzlichen – spannenden und kräftig auflodernden Stellen, und wenn es an ihr etwas zu tadeln gäbe, so würde Ref. sie etwas fragmentarisch durch das öftere Unterbrechen des Tempos finden.

Die Romanze, „ein Pilger irrt“* wird besonders durch ihre innige Verwebung mit dem Gang der ganzen Handlung interessant. Bey den gespanntesten, entscheidendsten Szenen erscheint die freundliche Melodie, wie ein tröstender Stern, und verheißt den erwartungsvollen Zuhörern Rettung seiner Lieben. Solche Stücke sind die zarten Fäden im Gewebe einer Oper, die von einem wahren dramatischen Componisten so gesponnen, wie hier, unwiderstehlich die Herzen der Zuhörer fesseln müssen.

Nächst diesen sind alle Chöre in dieser Oper wirklich klassisch zu nennen; besonders der Trink-Chor im zweyten Akt*, der so populär und soldatisch kräftig gedacht ist, und in dem die sorglose Fröhlichkeit mit dem ängstlichen Flüstern Makdonald’s und seiner Tochter in so herrlichen Contrasten stehtΔ. Aber eben dieses Contrastes willen kann dieser Chor nicht kräftig genug gesungen werden, und ergreiffend muß jedesmal der Moment seyn, wo selbst nach der Ermahnung nicht so zu schreyen, der Frohsinn sie hinreißt, und Alles wieder in Jubel ausbricht. Es möchte dies einer der wenigen Fälle seyn, wo man beynahe Schreyen, statt singen dürfte.

Was die Darstellung heute selbst betrifft, so kann Ref. nicht läugnen, daß ihm eine gewisse Lethargie über das Ganze verbreitet schien; die Chöre etc. etc. griffen nicht recht in einander, und man fühlte sich nicht mit emporgezogen.

Hr. Muk gab den Makdonald im Einzelnen sehr brav, aber Ref. glaubt bemerken zu dürfen, daß der ganze Charakter etwas edler hätte gegeben werden sollen. Hr. Muk gab ihn im Geiste des Wasserträgers* ungefährΔ (einzelne Stellen abgerechnet), und doch sollte, selbst bey aller Verstellung, das Höhere in diesem Manne unverkennbar seyn. Auch wird ja so oft darauf in dem DialogeΔ selbst hingedeutet.

Fr. von Fischer spielte die Adeline mit gewohntem Fleiße, und Ref. hält diese Rolle für eine ihrer vorzüglichsten. Sie gab den Charakter durchaus gleich, und sang mit Feuer und Ausdruck.

Von unserm Orchester ist man gewohnt, es nur immer gut nennen zu hören. Das Duett–Quartett (so könnte man es nennen) im 2ten Akt*, wo sich Eduard und Adeline wieder sehen, hätte Ref. etwas lebhafter gewünscht, so wie den Anfangs-Chor des 3ten Aktes* etwas langsamer, weil er sonst leicht der vielen auszusprechenden Worte halber undeutlich wird.

Da nun am Ende der Oper noch recht viel Feuer sichtbar war, so glaubte das Publikum, und Ref.: eines in das andere rechnen zu müssen, und ein lautes Hände-Klatschen belohnte den feurigen Schluß.

Simon Knaster.

Apparat

Zusammenfassung

lobt die vortreffliche Komposition des Werkes, u.a. die spannende Ouvertüre und die klassischen Chöre; empfand die gesehene Aufführung allerdings weniger geglückt und etwas lethargisch

Generalvermerk

Zuschreibung: autographer Entwurf (s. Überlieferung); vgl. Bartlitz, S. 65; Sigle (Simon Knaster.); vgl. TB 26. Juli und Übersicht Juli 1811

Entstehung

26. Juli 1811 (laut TB)

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Gesellschaftsblatt für gebildete Stände, Jg. 1, Nr. 59 (27. Juli 1811), Sp. 478–479

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kaiser (Schriften), S. 113–115 (Nr. 31)
  • 2. Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (IV), Bl. 35a/r–35a/v

    Quellenbeschreibung

    • über dem Manuskript „Dramaturgische Bruchstükke.“; Incipit: „Donnerstag d. 25: July. sahen wir die Oper Makdonald mit Musik von Dalleyrak“; keine Datierung in A; nur Vermerk Webers über ED
    • auf Bl. 1 r und v von DBl. nach 1811-WeS-14 (Format 33,1x20,4 cm hoch, WZ: Lilienblüte, Gegenmarke: MH, Kettlinien 2,7–3 cm); Webers Pag. 51–52, Text mit Blei durchgestrichen

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • HellS II, S. 77–80
    • MMW III, S. 42–44

Textkonstitution

Einzelstellenerläuterung

  • „… von Dallayrac auf unserer Bühne“Weber vermerkte den Besuch der Oper; vgl. TB vom 25. Juli 1811. Besetzung der Vorstellung lt. Theaterzettel im Theatermuseum München: Tochtermann (Karl Eduard) / Muck (Macdonald) / v. Fischer (Adeline) / Franz (Makmor) / Schack (Gover) / Langlois (Haller) / Unhoch (Reinold) / Mittermayr (James) / Jost (Lovel).
  • „… kaum den Componisten einer Nina“Nina ou La Folle par Amour, Oper von Dallayrac auf einen Text von Marsollier, UA 15. Mai 1786 in Paris.
  • „… bekannt ist) der Fall war“Neben München, wo es unter dem neuen Titel herauskam, wurde das Werk in Wien (Mai 1803), Berlin (7. Juni 1803), Budapest (29. August 1803), Schleswig (1804) sowie St. Petersburg (27. September 1810) in deutscher Sprache aufgeführt.
  • „… Die Romanze, ein Pilger irrt“Im 1. Akt Romanze der Adeline „Ein Pilger irrt in düst’rer Nacht“ (Nr. 2 der Arien und Gesänge); vgl. Arien-Textbuch München 1803 .
  • „… der Trink-Chor im zweyten Akt“Chor der Trinker zu Beginn des II. Akts „Beym Schlafengeh’n und beym Erwachen“ (Teil der Nr. 7 der Arien und Gesänge).
  • „… im Geiste des Wasserträger s“Rolle: Mikelli bzw. Micheli, ein Savoyarde, der Wasserträger in Cherubinis Les Deux journées, den Alois Muck bei der Auffürhung am 30. Juni 1811 in München verkörperte, vgl. Aufführungsbesprechung.
  • „… es nennen) im 2ten Akt“„In deinem Arm, an deiner Brust“ (Nr. 8 der Arien und Gesänge).
  • „… den Anfangs-Chor des 3ten Aktes“Chor „Wenn düst’re Nacht die Fittige schwinget“ (Nr. 11 der Arien und Gesänge).

Lesarten

  • Textzeuge 1: Donnerstags
    Textzeuge 2: Donnerstag
  • Textzeuge 1: herrlichen Contrasten steht
    Textzeuge 2: herrlichem Kontraste stehen
  • Textzeuge 1: ungefähr
    Textzeuge 2: ohngefähr
  • Textzeuge 1: Dialoge
    Textzeuge 2: Dialog

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