Aufführungsbesprechung: „Max Helfenstein“ von A. von Kotzebue und „Der Dichter Geßner“, Ballett von Crux mit Musik von Neuner am 21. Juli 1811 in München
Sonntag den 21. July. Max Helfenstein von Kotzebue*, und der Dichter Geßner, Ballet in 1 Akt von Hrn. Crux, mit Musik von Hrn. Neuner*.
Ref. hat schon mehrere Ballette mit der Comp. des Hrn. Neuner gehört, aber keines gefiel ihm durchaus so wohl als dieses. Hr. Neuner hat sich dem lieblichen Idyllen-Charakter, und dem durchaus gemüthlichen Wesen, das in dieser schönen Dichtung unseres Crux liegt, ungemein glücklich angeschmiegt, eine gleiche Haltung durchaus beobachtet ohne monoton zu werden, und einen Reichthum von Melodie entwickelt, der durch gute Instrumentation erhoben wird.
Ref. kann den Wunsch nicht unterdrücken, daß Hr. Neuner sein schönes Talent einmal an etwas Bedeutenderem versuchen möge, da es ihm an keiner Erforderniß zu einem guten Opern-Componisten zu fehlen scheint*. In dem Ballett Faust* sind einzelne herrliche kräftige Züge, und in dem Entre Akt, der zwischen dem Stückchen und dem Ballet gegeben wurde, ist ein so reges muthiges Leben, daß man sich in jeder Gattung von ihm etwas versprechen darf.
Ref. weiß wohl, daß wenn man stets nur in einem bestimmten genre gearbeitet hat, alle Ideen bloß die dahin gehörige Form unwillkührlich annehmen, aber es wird Hr. Neuner gewiß nur wenige Überwindung kosten, diese Gewohnheits-Fesseln abzuwerfen und seinem Talent einen höhern allgemeinern Wirkungskreis anzuweisen.
Max Helfenstein wurde dargestellt wie gewöhnlich. Hr. Flerx gab seine Rolle mit ächt komischer Laune; M. Helfenstein selbst aber hätte nach Ref. Bedünken etwas munterer, lebendiger gegeben werden dürfen. Das ganze Stückchen gehört wohl übrigens zu den Eintags-Fliegen.
Simon Knaster.Apparat
Zusammenfassung
erhofft sich aufgrund des vortrefflichen Balletts bald eine Opernproduktion des Komponisten Carl Neuner
Generalvermerk
Zuschreibung: autographer Entwurf (s. Überlieferung); vgl. Bartlitz, S. 65; Sigle (Simon Knaster.); vgl. TB 23. Juli und Übersicht Juli 1811
Entstehung
23. Juli 1811 (laut TB)
Überlieferung
-
Textzeuge: Gesellschaftsblatt für gebildete Stände, Jg. 1, Nr. 58 (24. Juli 1811), Sp. 471
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (IV), Bl. 35a/rQuellenbeschreibung
- Entwurf stimmt mit ED überein
- über dem Manuskript „Dramaturgische Bruchstükke.“; Incipit: „Sonntag d. 21. July: Max Helfenstein von Kozebue und Der Dichter Geßner Ballet in 1 Akt von H: Crux mit Musik von H: Neuner“; keine Datierung in A, nur Vermerk von Weber über ED
- auf Bl 1 r von DBl. (Format 33,1x20,4cm hoch, WZ: Lilienblüte, Gegenmarke: MH, Kettlinien 2,7–3 cm); Webers Paginierung S. 51; Text mit Blei durchgestrichen
-
HellS II, S. 76–77
-
MMW III, S. 41–42
-
Kaiser (Schriften), S. 112f. (Nr. 30)
-
Einzelstellenerläuterung
-
„… mit Musik von Hrn. Neuner“Weber vermerkte im TB unter 21. Juli 1811 nur „Ballet Gesner.“
-
„… guten Opern-Componisten zu fehlen scheint“Neuner vertonte kurze Zeit später die Romantische Tragödie Der Freyschütze auf ein Libretto von Franz Xaver von Caspar gleich zweimal (in 4 Akten mit glücklichem Ende 1812 sowie fünfaktig tragisch endend 1813). Die Caspar/Neuner-Fassungen wurden jedoch nicht aufgeführt.