Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Montag, 3. Dezember 1821

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Wie viel muß man wohl zu thun haben, mein herzlieber Bruder, wenn man nicht einmal dazu komen kann die freudigsten Ereigniße denen zu erzählen von deren wahrer Theilnahme man überzeugt ist.       die Wiener Korrespondenz hat sich wie eine Meeresfluth über mich ergoßen, und alle andern vor der Hand verschlungen. Ich spare mir alles erzählen und lege dir hier Originalbriefe bei, /: die ich mir zurük erbitte. :/ aus denen du, und die denen du es mittheilen willst, alles am besten ersehen könnt. ich füge nur hinzu, daß die Oper bis jezt 7 mal bei gleich gefülltem Hause und jedesmaliger Wiederholung anderer Musik stükke gegeben ist*.       Ich schikke dir Spaßes halber Briefe der verschiedensten Art mit.       Von dem neuen Pächter Barbaja bekam ich schon nach den 1t 3 Vorstellungen den Antrag eine Oper eigends für Wien zu schreiben, und sie im Laufe dies künftigen Sommers da aufzuführen.       Nun schenke nur Gott Kraft, und es geht alles gut, fast zu gut um mich nicht zu ängstigen.       Briefe wie dein lezter sind mir wahre Herzstärkung und Beruhigung: ich faße dadurch Vertrauen zu mir selbst, und gehe meinen Weg fort ohne mich durch das was links und rechts geschieht irren zu laßen. Habe innigen Dank dafür.

Bernhard Romberg war 2 Tage hier*. geht nach Wien, Polen pp kömt in einigen Monaten nach Berlin*.

Meine Lina hatte vor 14 Tagen einen tüchtigen Schrek, wurde darauf sehr krank*, und ich stand viele Angst aus. Nun ist Sie aber Gottlob recht wohl, im 4t Monate* sind wir, also ist die gefürchteste Periode vorüber. Gott helfe weiter.

Die Koch grüße bestens. das Bild* ist wohlbehalten angekommen und wird sehr ähnlich gefunden. ich werde ihr nächstens schreiben.       Endlich fangen die Leute hier auch an stuzzig zu werden, und ich muß Allerhöchstem Willen gemäß den Freyschützen aufführen*.       Er soll die erste Oper nach | Neujahr sein. ich wollte der Kelch wäre schon an mir vorbeigegangen. – nun, ich konnte nicht länger ausweichen.       Nun lieber Bruder bitte ich dich Namens unserer Direktion um einen solchen Adler*, mit Flügeln zum an und abmachen, wie der lezte in Berlin. aber so bald als möglich. auch habe die Güte mir den Preiß bald wißen zu laßen.

Spohr lebt seit 4 Wochen hier und will ein Jahr bleiben um seine Töchter in Gesang zu bilden*.       im lezten Abbonement Concert* der Kapelle spielte ich mein neues Konzertstük mit ungeheurem BeyfallT.      da geben wir nun recht ordentlich ganze Simphonien* pp

Wie eigentlich in Berlin nun die Theater Verhältniße stehen, kann ich noch nicht recht erfahren. ich glaube die Betheiligten wißen es selbst nicht recht woran sie sind.

Verzeihe mein konfuses Geschreibsel. Grüße deine liebe gute Victoire herzlichst von meiner Lina und mir, auch alle unsere Freunde, und behalte lieb deinen alten treuen
Weber

Schikke mir doch die Adresse von dem guten Bier*.

Apparat

Zusammenfassung

über seine Korrespondenz mit Wien und die dortige Freischütz-Auff. sowie Barbajas Auftrag; erwähnt Anwesenheit Rombergs und Spohrs, Krankheit seiner Frau, Erhalt des Bildes durch Vermittlung F. Kochs, geplante Freischütz-Auff. in Dresden und Aufführung seines Konzertstücks im Abonnement-Konzert

Incipit

Wie viel muß man wohl zu thun haben

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37, Nr. 33

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 175–176
    • Rudorff 1900, S. 103–107
    • tV: MMW II, S. 364–365

Textkonstitution

  • „dies“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „bis jezt 7 … stükke gegeben ist“Die Wiener Premiere des Freischütz fand am 3. November 1821 statt; die von Weber erwähnten sechs weiteren Vorstellungen folgten am 4., 6., 12., 18., 20. und 24. November; vgl. Michael Jahn, Die Wiener Hofoper von 1810 bis 1836. Das Kärnthnerthortheater als Hofoper, Wien 2007, S. 275.
  • „Bernhard Romberg war 2 Tage hier“Vgl. Tagebuch, 28. und 29. November 1821.
  • „… in einigen Monaten nach Berlin“Die Allgemeine musikalische Zeitung weist als Reisestationen Prag und Wien aus; vgl. Jg. 24, Nr. 3 (16. Januar 1822), Sp. 50 und Nr. 9 (27. Februar 1822), Sp. 146. Im April 1822 hielt sich Romberg bereits wieder in Hamburg auf (vgl. seinen Brief vom 15. April in D-B, Mus. ep. B. H. Romberg 25), im Dezember 1822 dann in Berlin (vgl. seinen Brief vom 24. Dezember in D-LEu, Slg. Kestner/I/C/II/352/Nr. 2, Mappe 352, Blatt Nr. 2 ).
  • „… Schrek, wurde darauf sehr krank“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 13. und 14. November 1821.
  • „im 4 t Monate“Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren, vgl. Tagebuch.
  • „das Bild“Das von Caroline Bardua gemalte Portrait Webers, vgl. Kom. in Briefen von Weber an Friederike Koch vom 21. September 1821 und 5. November 1821.
  • „… Direktion um einen solchen Adler“Bitte um ein Präparat aus dem Doublettenbestand des Berliner zoologischen Museums als Requisit für die Dresdner Freischütz-Einstudierung, wie bereits bei der Uraufführung in Berlin; vgl. dazu Weber Bemerkungen zur szenischen Anordnung.
  • „Spohr lebt seit … Gesang zu bilden“Zum Dresdner Aufenthalt von Louis Spohr vgl. Kom. im Brief von Weber an Karl Feige vom 12. November 1821.
  • „… . im lezten Abbonement Concert“Am 30. November 1821; vgl. Tagebuch.
  • „ganze Simphonien“Zum Programm der Abonementskonzerte vgl. AmZ, Jg. 24, Nr. 19 (8. Mai 1822), Sp. 310–314.
  • „… Adresse von dem guten Bier“Hier bleibt unklar, ob Weber das Getränk Bier meint (also die Adresse einer Brauerei, um ggf. dort Bier bestellen zu können) oder eine gleichnamige Person. In den Berliner Adressbüchern der Zeit (1820, 1823) sind u. a. der Universitätspedell F. M. Bier (nur 1820) und der Kanzleidiener in der Universität M. Bier genannt (auch Lichtenstein wohnte als Professor im Universitätsgebäude), aber auch der Haus- und Brauereibesitzer A. W. Bier in der Stralauer Straße 5 und 6 (1820) bzw. Oranienburgerstr. 74 (1823) und unter denselben Adressen der Particulier A. L. Bier.

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