Aufführungsbesprechung Berlin, Schauspielhaus: Konzert der Familie Sigl mit Carl Maria von Weber und Friedrich Berner am 31. Mai 1812
Das Sonntags in der Mittagsstunde gegebene Concert der Siglschen Familie aus Passau war dem Ref. um so merkwürdiger, weil es ihm eine völlig erfüllte und eine frohe Aus-Aussicht‡ einer zu erfüllenden Hoffnung gab. Vor 16 Jahren war Ref. in Breslau. Nachdem er die so schöne Orgel in der Marien Magdalenen Kirche versucht und gehört hatte, nahm ihn der Vater des jetzigen Ober-Organisten Berner daselbst mit sich zu‡ Hause, und er hörte den 12 bis 13 jährigen Knaben ein Concert von Mozart, auf dem eigentlichen bekielten Flügel mit vieler Präcision spielen. Wer das Spiel auf diesem Federn schnellenden Instrument kennt, wird wissen, daß die Präcision darauf weit mehrere Schwierigkeiten als auf dem Pianoforte hat, denn Mozart selbst, um diese zu zeigen, spielte bei seinen Concerten gewöhnlich eins auf dem Flügel. In Leipzig, wo ihn Ref. im Jahr 1788 hörte, spielte er zwei verschiedene Concerte an einem Abend auf diesem Instrumente. Dieser 13jährige Knabe ist nun der jetzige Ober-Organist Berner, welchen das Publikum das Vergnügen hatte, in Gesellschaft des mit ihm wetteifernden Hrn. M. v. Weber ein Mozartsches Doppelconcert auf zwei Fortepiano’s in hoher Vollkommenheit [spielen] zu hören. Das Concert an sich ist nicht schwer, aber die Doppelkadenzen und sonstige Veränderungen, welche beide talentvolle Komponisten und Klavierspieler darin verwebt hatten, machten es zu einer Ausführung für Meister. Da Ref. vorigen Sommer wieder nach Breslau kam, hörte Ref. Hrn. Berner als einen der besten Orgel|spieler, und es wäre zu wünschen, daß ihn Berlin auch als solchen kennen lernte. Dies war die erfüllte Hoffnung. Die zu erfüllende erlebt vielleicht Komponist‡ nicht; doch prophezeiht er in dem jungen Sigl von 11 Jahren einen ganz vorzüglichen Violoncellisten, nicht wegen der Schwierigkeiten allein, dies ist eine Mechanik welche der Fleiß überwinden kann, sondern wegen der Reinheit, die selten ist[,] und wegen sicherer Geschmack-Spuren. Schlimmer und unsicherer ist es, das Prognostikon über eine Stimme zu stellen. Hier ist dem Erzieher und Singmeister für die Gesundheit und das Wohl des ganzen Lebens der kleinen Sängerin anzurathen, nichts zu erzwingen, der Natur bis ins vierzehnte Jahr ihren ruhigen Gang zu lassen, der Kleinen Klavier und Harmonie lehren zu lassen, dann ist das Studium des Gesanges bald vollendet. Bei einem Instrument, hilft der Fleiß, der Mechanik der Hände. Hier hat man nur mit der Brust zu thun, und kein Werkzeug, wie doch bei Blas-Instrumenten geschieht, erleichtert die Uebung. Für das Alter von 7 Jahren leistete das kleine niedliche Kind sehr viel im Gesange.
J. C. F. R.Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler
Überlieferung
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Textzeuge: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 67 (4. Juni 1812)