Carl Gottlieb Reißiger an Christian Heinrich Stobwasser in Berlin
Dresden, Sonntag, 22. Februar 1824

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Hochgeehrter Herr Stobwasser!

Die Krankheit des hiesigen Musikd. Schubert, dem der Arzt keine Hoffnung der Genesung giebt, und die Abwesenheit des Kapell. Morlacchi haben einen Stillstand in die hiesige Oper gebracht und man ist eifrigst bemüht einen Musikdirector an Schuberts Stelle zu wählen, der König will eine baldige Entscheidung. Wie ich gehört habe, muß sich der neue Musikdirector bis zu Schuberts Tode zwar mit einem geringen Gehalte 600 bis 800 Thlr. begnügen, jedoch bekömmt er später das Ganze circa 1200 Thlr. –

Weber und mehrere hiesige bedeutende Männer bedauerten, daß ich zu spät nach Dresden gekommen war und gaben mir zu verstehen, daß ich vielleicht mit leichter Mühe reisirte. Der Minister v. Einsiedel hat Marschner diese Stelle versprochen und protegirt diesen sehr; jedoch ist Marschner gar nicht geliebt, sehr arrogant und roh u. H. v. Könneritz mag ihn nicht.

Gestern kam Theod. Hell zu mir und encouragirte mich, mich dem Director v. Könneritz zu dieser Stelle anzutragen; er vertraute mir, daß ich Könneritz sehr gefallen habe und er sein Bedauern geäußert, daß ich nicht früher gekommen sei, indem ich auf jeden Fall würdiger zu dieser Stelle wäre.

Sie wissen, daß ich mich lieber in Berlin versorgt sehe als hier, besonders da die Stelle hier mit vieler Arbeit verbunden ist. Ich sehe demnach in Berlin mit Sehnsucht einer baldigen Entscheidung entgegen. Da ich weiß, welchen thätigen und herzlichen Antheil Sie an meinem Schicksal nehmen, so wollte ich nicht verabsäumen Ihnen dies zu schreiben, um aber auch zugleich Ihren gütigen Rath in dieser Angelegenheit zu erbitten. Dürfte ich Sie bitten darüber mit H. Geh. Rath Frick* zu sprechen? jedoch muß die Sache sehr geheim gehalten werden. Gerne hätte ich meine Testimonia hier, allein diese werde ich schwerlich bekommen können, da sie in den Händen des H. Ministers sind. Oder soll ich vielleicht den H. Minister selbst um baldige Entscheidung bitten?

Sie sehen in dieser Sache immer weiter und klarer als ich und ich bitte Sie herzlich mir Ihren güthigen Rath darüber nicht zu versagen und was Ihnen gut (thut) dünkt für mich zu thun. Die herzlichsten Grüße Ihrer lieben Frau Gemahlin, Frl. Emilie, Doct. Natorps, Papa Natorp und der ganzen kleinen Familie. Der Himmel erhalte Sie Alle im besten Wohlsein. Erhalten Sie Ihr Wohlwollen

Ihrem
Ihnen ganz verbundenen dankbaren
Reissiger
breite Gasse 4 a, Rathskeller, hintenaus 3 Treppen.

Die schönsten Grüße an Mad. Weiße und die Eltern. Auerswalds und Nowaks bitte ich gleichfalls zu grüßen.

Apparat

Zusammenfassung

Krankheit Schuberts u. Abwesenheit Morlacchis hätten Stillstand in die Oper gebracht, sodass man dringend eine neuen Musikdirektor suche; Weber u. andere hätten bedauert, dass R. zu spät nach Dresden kam, denn die Stelle sei Marschner schon versprochen; Hell habe ihn aber ermuntert, sich dennoch Könneritz vorzustellen; er würde lieber nach Berlin kommen u. hofft dort auf schnelle Entscheidung

Incipit

Die Krankheit des hiesigen Musikd. Schubert, dem der Artzt

Generalvermerk

Textwiedergabe noch nach dem Erstdruck

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 125,3

    Provenienz

    • 1910 in Familienbesitz Stobwasser

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kohut, Adolph, „Karl Gottlieb Reissiger. Zu seinem 50. Todestag, am 7. November 1909“, in: Neue Musik-Zeitung (Grüninger), Jg. 31, Heft 4 (1910), S. 77
    • Kurt Kreiser, Carl Gottlieb Reissiger. Sein Leben nebst einigen Beiträgen zur Geschichte des Konzertwesens in Dresden, Diss. Uni Leipzig, Dresden: Päßler 1918, S. 23 - Teilkopie unter Lit. Personen

    Einzelstellenerläuterung

    • „… mit H. Geh. Rath Frick“Georg Friedrich Wilhelm Frick (1783–1834), Geheimer Oberregierungsrat; er wechselte 1824 vom preußischen Kultus- ins Finanzministerium.

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