Aufführungsbesprechung Mannheim: „Regulus“ von Heinrich von Collin am 26. Juli 1811 in Mannheim
Hof- und National-Theater in Mannheim.
Freitag, den 26. Juli: Regulus*, Trauerspiel in 5 Aufzügen, von Collin.
Regulus wurde zur allgemeinen Zufriedenheit des, freilich nicht zahlreich, anwesenden Publikums gegeben. Die Hitze des Tags und die oft ermüdende Gedehntheit des Stücks mochten wohl beide zu der kleinen Versammlung beigetragen haben. An dieser Gedehntheit leidet vorzüglich der erste Akt, welcher peinigend lang in lauter Klagen der Attilie hingebracht und dadurch sogar unrömisch wird; indessen ist das Stück reich an Schönheiten und voll herrlicher Sentenzen.
Hr. Prandt gab den Regulus recht brav, und sprach einzelne Stellen, besonders in der Szene wo er im Senat erscheint*, schön; so sagte er z. B. mit dem innigsten Ausdruck den Vers:
„sieh mich doch an, mein Sohn!“*als er den Publius bittet sein Wort zurückzunehmen; auch die überspannten Geberden, welche das Spiel dieses Künstlers so oft entstellen, waren heute weniger bemerklich. Mad. Nicola als Attilie, that, was in ihr war, eine Role zu geben, die außer ihrem Fache liegt; ihr Spiel war voll Gefühl; allein die Kraft versagte ihr, und ihr Organ taugt nicht für das Tragische –
Am meisten glänzte unstreitig Herr Eßlair als Metellus; diese Role gehört zu seinen vorzüglichern. Groß und kräftig, und doch so zart so theilnehmend war sein Spiel, und über das Ganze war eine hohe Würde, eine unerschütterliche Ruhe ausgegossen. Soll ich einzelne Stellen ausheben, wie sie mir das Gedächtniß liefert? wie vortrefflich sprach er gleich in der ersten Szene mit der Attilie die Verse:
„Ich achte nicht das Urtheil einer WeltSo sehr, als des Bewußtseyns stilles Zeugniß“*mit welchem tiefen Gefühle las er im 4ten Akte den Brief*, den er von Regulus erhält; wie groß war er endlich in der Szene mit Publius*! gerne glaubt man, daß einem Publius der Dolch entfällt, wenn ein solcher Metellus ihm die Brust darbeut. Und wie er ihm dann die Worte sagt:
„Was kümmerts Andre, ich verzeihe dir!“*und endlich
„Da denk’ ich nun, wie ich es wohl beginne,Daß ich an dir mir einen Sohn erobre.“*Wen ergriff es nicht, wen erschütterte nicht die zarte Größe? –
Herr Mayer als Publius war lobenswerth, allein Herr Kaibel als Bodostor befriedigte nicht; er hatte weder Anstand noch Kraft; auch scheint sich die Sphäre seines Spiels immer mehr auf das Niedrig-Komische zu fixiren.
Apparat
Generalvermerk
Zuschreibung nach Sigle.
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 126 (28. Juli 1811), S. 503–504
Einzelstellenerläuterung
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„Szene wo er im Senat erscheint“Szene II/2.
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„sieh mich doch an, mein Sohn!“Vgl. [Heinrich von] Collin, Regulus. Eine Tragödie in fünf Aufzügen,Berlin: Unger 1802, S. 74 (Szene II/2).
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„„Ich achte nicht … Bewußtseyns stilles Zeugniß““Vgl. a. a. O., S. 46 (Szene I/11).
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„im 4ten Akte den Brief“Szene IV/3.
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„Szene mit Publius“Szene IV/8.
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„Was kümmerts Andre, ich verzeihe dir!“Vgl. a. a. O., S. 127 (Szene IV/8).
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„„Da denk’ ich … einen Sohn erobre.““Vgl. a. a. O., S. 131 (Szene IV/8).