Notiz zur „Euryanthe“ (München November 1841)
Der Dichter einer deutschen Oper wird in Deutschland‡ zwar nur für die zufällige Veranlassung gehalten, daß der Componist sie schreibt‡ geschrieben, allein das hindert mich nicht, als Dichterin der Euryanthe, u nicht allein, als diese, auch im Namen eines verehrten Todten, anzufragen, warum immer vergessen bleibt‡ in den Wünschen der Theaterfreunde: Carl Maria von Webers vollendetste, grosartigste Composition, an welcher meine Dichtung denn doch wahrscheinlich‡ nichts verdorben hat?* Zugleich der herrlichen Stöckl-Heinefetter* brillanteste Rolle, wie sie‡ der Triumph der entzückenden Minna Schroeder-Devrient auf allen Hauptbühnen‡ Deutschlands Englands u Frankreich’s (einst der einer Sigl-Vespermann), aller übrigen großen deutschen Sängerinnen‡, u der‡ Eglantinen wie einer Metzger Vespermann Schechner-Waagen u. andere, nicht zu gedenken! Man lese nur die Pariser | […]‡ Zeitschriften von 1831 die Londoner von allen deutschen O. Th.‡ Saisons seit‡ welchen letzthin vieles in die Augsb. Allg. Zeitung [u] in‡ deutsche Zeitschriften hinübergekommen, so wird man finden, daß die Euryanthe nicht blos von Webers Oper in Paris u London‡ den gewaltigsten Erfolg gehabt, sondern mit Beethovens‡ Fidelio u. a. der vollendsten Meisterwerke in der Gunst des herbeiströmenden Publikums‡ al pari gestanden, u, wie in Obenbenannten Zeitungen zu lesen, noch besonders der Dichtung wegen. 1823 äußerte einer der beliebtesten trefflichsten‡ Dichter Oestreichs: „Worte u. Musik‡ der Euryanthe seyn um 50 Jahre zu früh gekommen“ – von diesen 50 hätten wir nun schon 18 überstanden, in welchen Meyerbeer durch seine unergründlichen Werke‡ bewiesen hat daß die Zeit, die Gluck, Mozart, Beethoven Kränze windet, die Sponitini’s Vestale, Olympia u. Cortez liebt u versteht,‡ für ernste, gediegene, grosartige, zarte, vollendetschöne Opern-Compositionen die Rechte sey. Warum nun Meyerbeer statt deutsche Opern zu schreiben, sich für sein deutsches Vaterland mit Uebersetzungen behilft, u warum der rühmlich thätige‡ Hoftheater-Intendant von Küstner dem hiesigen Hoftheater-Capellmeister I. Lachner eine französische Oper mit großen Aufopferungen schreiben ließ u. s. w.‡, das rührt nicht von‡ Mangel an deutschen‡ vortrefflichen Dichtern, sondern von ganz‡ andern Mängeln her die ich gern auf sich beruhen lasse. Es sey mir auch vergönnt die hiesigen Musikfreunde […]‡
Helmina verwittwete v. Chezy.geb. Freiin Klencke.[…]‡ Nov. 1841
[Originale Fußnoten]
- Anmerkung. der große Tondichter‡ Felix Mendelsohn Bartholdy u der‡ der geniale Jüngling Peter Cavallo* haben ganz entzückende Lieder ohne Worte geschrieben, bis zu einer Oper ohne Worte sind wir noch nicht gelangt, man müßte denn solche dafür nehmen, die so gesungen werden‡, […]‡ [daß] man [kaum] vom Gesang versteht‡ kann‡.
Apparat
Zusammenfassung
resümiert, dass ihre Dichtung die Oper „Euryanthe“ von Weber nicht „verdorben“ habe
Entstehung
November 1841
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Waidelich, Till Gerrit; Veit, Joachim
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
Signatur: NL H. von Chézy 100Quellenbeschreibung
- 1 Bl
- am rechten Rand schadhaft
- mit Fußnote der Verfasserin; vgl. Waidelich (s.u.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Wiedergabe in: Till Gerrit Waidelich, „Durch Webers Betrügerey die Hände so gebunden“. Helmina von Chézys Kampf um die Urheberrechte an ihrem Euryanthe-Libretto in ihrer Korrespondenz und Brief-Entwürfen, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 18 (2008), S. 68 (nur Beginn bis Fußnote)
Textkonstitution
-
„in Deutschland“über der Zeile hinzugefügt
-
„schreibt“durchgestrichen
-
„vergessen bleibt“über der Zeile hinzugefügt
-
„wahrscheinlich“„wol“ durchgestrichen und ersetzt mit „wahrscheinlich“
-
„Tondichter“„Componist“ durchgestrichen und ersetzt mit „Tondichter“
-
„der“durchgestrichen
-
„die so gesungen werden“über der Zeile hinzugefügt
-
„[…]“gelöschter Text nicht lesbar
-
„t“„en“ überschrieben mit „t“
-
„kann“durchgestrichen
-
„sie“durchgestrichen
-
„bühnen“„bühnen“ durchgestrichen und ersetzt mit „bühnen“
-
„Sängerinnen“gelöschter Text nicht lesbar
-
„der“„solcher“ durchgestrichen und ersetzt mit „der“
-
„[…]“gelöschter Text nicht lesbar
-
„allen deutschen O. Th.“„drei“ durchgestrichen und ersetzt mit „allen deutschen O. Th.“
-
„O. Th.“unsichere Lesung
-
„seit“unter der Zeile hinzugefügt
-
„in“über der Zeile hinzugefügt
-
„Beethovens“„dem“ durchgestrichen und ersetzt mit „Beethovens“
-
„in der Gunst des herbeiströmenden Publikums“über der Zeile hinzugefügt
-
„trefflichsten“durchgestrichen
-
„Musik“„Text“ durchgestrichen und ersetzt mit „Musik“
-
„seine unergründlichen Werke“über der Zeile hinzugefügt
-
„die Sponitini’s Vestale, … liebt u versteht,“über der Zeile hinzugefügt
-
„rühmlich thätige“„geistvolle“ durchgestrichen und ersetzt mit „rühmlich thätige“
-
„u. s. w.“über der Zeile hinzugefügt
-
„von“„aus“ durchgestrichen und ersetzt mit „von“
-
„deutschen“„Dicht“ durchgestrichen und ersetzt mit „deutschen“
-
„ganz“durchgestrichen
-
„Es sey mir auch vergönnt die hiesigen Musikfreunde […]“durchgestrichen
-
unleserliche Stelle
Einzelstellenerläuterung
-
„… der geniale Jüngling Peter Cavallo“Johann Peter Cavallo (1819–1892), deutscher Organist, Pianist und Komponist italienischer Herkunft, der hauptsächlich in Frankreich wirkte.
-
„… . Zugleich der herrlichen Stöckl-Heinefetter“Clara Maria Stöckl-Heinefetter (1813–1857), Sängerin u.a. an der Wiener Hofoper.