Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Hosterwitz, Mittwoch, 24. und Donnerstag, 25. Mai 1826

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hab schon wieder ein liebes Briefel von dem Muks gekriegt (No 27) da muß ich auch heute wieder mir die Freude machen gleich zu antworten wenn auch am Ende die Männe bös’ wird über die vielen Briefe. Deine Briefe komen jetzt recht schnell hintereinander, da werden wohl die meinen recht langsam komen — nun Du weist ja auf jeden Fall woran das liegt.      Daß Du mit Kembel in freundlichen Vernehmen bist, als nicht ganz unzufrieden mit ihm, freut mich, auch steht das, als etwas Besonderes in der Zeitung, wie mir heute Böttiger sagen lies.      Den englischen Brief solltest Du allerdings weiter benutzen dachte es aber gleich daß Du es nicht thun würdest. Auf dem Platz selbst, sehen die Sachen auch ganz anderst aus als so ein hundert meilen davon, und die Männe kann sich schon selbst helfen. Gestern war in der Stadt Euryanthe, und Rothe fuhr hinein es mit an zu sehen. Es soll sehr gut gegangen sein, sehr voll gewesen, und sehr lebhaft aufgenomen worden sein. Marschner ist vor Ärger das seine Braut nicht angestellt werden soll, ganz krank und konnte nur sich im Orchester leident verhalten (darum gings auch gut). Mell Wollbrük ist wieder als Anna im Don juan auf getreten und ausgezischt worden*. trotz dem will es der tolle Mensch erzwingen, sie mit einer großen Gage zu engagieren. wenn nur diesmal der Intentant standhaft bleibt. Mit den Reisekosten für Fürstenau mache das ganz nach Deiner Einsicht und Deinen Herzen. Du böse Männe! also meinst Du, ich hätte nur das Angenehme von Deinen Reisen, und Deinen Arbeiten und Plagen? Das […] ist recht schlecht von Dir! — ach Gott weiß es! wie ich ohne Dich lebe — doch ich will Dir heut den Kopf über diese Aeeuserung nicht weiter waschen, aber kom nur nach haus, da sollst Du Haue dafür haben. Also immer noch schöner rother Nebel? ihr armen Leute! wir haben seit gestern pasabel Wetter nur ist’s sehr windig. Auf den schönen Opern guker freue ich mich, der soll zuerst im Oberon paradieren. Also die Haar schneiden hat sich die Männe laßen? oh weh! wieder ein Verdienst | weniger, und gewiß hat der Herr nicht so gut bedient wie ich? aber für 8 gr thue ich es auch nicht, das kan nur ein Pfuscher gewesen sein. Mosje Beral! ey ey, der gute Mann! Prügel hat er um Dich verdient aber kein Geld. Du wirst ihm doch nichts schiken?

So weit war ich gestern als die ganze Familie Rothe und die Fürstnau uns überraschte da war denn ans Schreiben weiter nicht zu denken, sondern an’s Eßen. Deßhalb komt mein Briefel nun auch erst morgen fort[.] Wir haben heut Morgen, weil das Wetter sehr schön war, einen großen großen Spaziergang gemacht: den Friedrichs Grund hinauf bis zum Neuen Haus, dann zurük bey der Ruine vorbey. Diese ganze Tour hat Max mit gemacht ohne über Müdigkeit zu klagen, und als wir nach hause kamen und Rothe und ich ganz hin waren, fingen die Kinder erst recht zu spielen an. Ja Gott lob! Die Buben sind prächtig! Du wirst Dich sehr freuen wenn Gott sie so gesund erhält. Alex hat auch wieder ein Bakzänchen bekomen, nun bekomt er nur noch 4, dann hat ers überstanden.      Heut Nachmittag kamen Hausers heraus gefahren; der klagt sehr über Lüttigau daß er ihm 200 Thaler abziehen will. Wenn man die Leute hört haben sie alle Recht. Aber mir scheint würklich als habe Lüttigau im Stinn die große Oper ganz einschlafen zu laßen Gott gebe es!!!      Dann habe ich heute noch eine Freude gehabt die sich aber bey näherer Betrachtung etwas verlor. Winkler schikte mir den gedrukten Oberon* — So unentlich lieb es mir ist ihn nun noch einmal recht lesen zu können, so kömt es mir doch vor als wäre es viel zu früh ihn zu druken es wird den Dieben so gar zu leicht gemacht. beym Freischütz, dünkt mich, war es nicht der Fall? warum kann es den[n] Winkler nicht erwarten?      Morgen ist nun Dein Conzert, und wenn ihr Wetter habt wie wir, so ist das wieder ein Spuk von Deinen Stern, daß er grade jetzt das schöne Wetter schikt, wo Dir gewiß das trübe Wetter manchen Spaziergänger zugeführt hätte. Bin doch sehr begirig wie es ausfallen wird. Morgen von 7 Uhr an werde ich wieder einmal mit ganzer Seele bey Dir sein |

Ich habe mir eine Idee gemacht, was Du giebst, ob ich es wohl errathen habe? im ersten Theil spielst Du Dein Conzert Stük und im zweiten giebst Du die Jubelcandate, nicht wahr? —*

Wenn die Tage so schön sind wie heute, dann wünschen wir Dich recht hieher, mein geliebter Muks — ach es ist doch gar schön hier! giebt der Himel schön Wetter, dann wirst Du hoff’ ich wieder recht aufleben. Rothe quelt mich recht zum laufen, aber er hat ganz Recht! hinterher, wenn ich auf den Beinen bin, danke ich es ihm. Wir wollen auch miteinander herum schlendern mein Alter, und da sollst Du mir viel viel erzählen. Ich habe Dir nichts zu berichten denn was in unsern einfachen Leben pasiert, daß schreibe ich Dir alles. Eine Bank habe ich heute auch unter den Kirschbaum machen laßen, nehmlich auf die andere Seite, damit man der schönen Aussicht nicht den Rüken kehrt. Felsners sind sehr gefällig und artig, die Leute halten sich bis jetzt auch gut. Johan ist von seinen Kreuzschmerzen ziemlich wieder befreit. Der arme Narr sah ganz posierlich aus wie er so ganz krum ging. Seine Pferde hat er aber doch auf’s beste versorgt. Er steht sich hier aber auch ganz vortrefflich, denn er hat schon über 3 Thaler Trinkgeld bekomen, und das Eßen hat er doch auch frey, überhaubt  haben es die Dienstboten zu gut. — Morgen wollen wir einmal nach Wesenstein fahren und, während die Männe für uns arbeitet, haben wir Vergnügen — — glaubst Du wohl mein Leben, das der Gedanke mich abhalten könnte weg zu fahren? es kömt mir wie eine Sünde vor — lache nicht darüber; ich habe das Gefühl schon oft gehabt wenn ich ohne Dich fröhlich sein wollte — ich bin auch noch nicht fort.

Die Winkler ist in ihren Wochen* sehr krank gewesen, aber er schrieb mir, daß es beßer ginge, auch trägt er mir auf, Dich vielmal zu grüßen.      Nun weiß ich auch weiter nichts zu schreiben, als daß wir alle die Tage und Stunden zählen bis die trauriche Trennung überstanden ist. Ach wie glüklich werde ich sein wenn ich meine gute gute Männe wieder habe!!!!

Gott segne Dich Du Theurer, und erhalte dich für Deine Kinder und Deine Dich unentlich liebende Lina. ich gebe Dir gute gute + + +.

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über eine Euryanthe-Aufführung, die Roth besucht hat und die sehr gut war; Klatsch über Marschner/Wohlbrück; gedenkt seines Konzertes, das er am 26. Mai geben will, und rätselt über das Programm; Persönliches

Incipit

hab schon wieder ein liebes Briefel von dem Muks gekriegt

Generalvermerk

Dieser und die folgenden Briefe Caroline von Webers erreichten den am 5. Juni verstorbenen Weber nicht mehr.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Caroline von Weber 29

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt.: a) DRESDEN | 26. Mai 26 b) F P O | JU - 5 | 1826

Textkonstitution

  • „… No 24“mit Bleistift von fremder Hand gestrichen und darüber 27 notiert
  • Ä„E“ überschrieben mit „Ä
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „die Haar“über der Zeile hinzugefügt
  • „… paradieren. Also die Haar schneiden“zuvor: haarschneiden geschrieben, dann „haar“ gestrichen und „die Haar“ über der Zeile ergänzt
  • „und die Fürstnauüber der Zeile hinzugefügt
  • N„n“ überschrieben mit „N
  • „Stinn“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… auf getreten und ausgezischt worden“Die Gastauftritte als Agathe (27. April), Myrrha (16. und 28. Mai), Donna Anna (21. Mai) und Königin der Nacht (4. Juni) wurden in der AmZ (Jg. 28, Nr. 29 vom 19. Juli 1826, Sp. 477) etwas positiver besprochen; dort heißt es: „Ihre Stimme ist rein und angenehm, die Höhe leicht.“ Allerdings schränkt der Berichterstatter ein: „Sie schien dem Publikum nicht ganz zu gefallen, weil ihre Aussprache durch das Anstossen der Zunge etwas Fremdartiges erhielt, welches zum Theil auch auf den Gesang überging.“
  • „… schikte mir den gedrukten Oberon“Deutschsprachiger Librettodruck (Übersetzung von Winkler), Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung.
  • „… Jubelcandate , nicht wahr? —“Auf dem Programm des Konzerts am 26. Mai 1826 in den Argyll Rooms in London standen nach der englischen Version der Jubel-Kantate (The Festival of Peace) noch: Overture to Oberon, Scena ed Aria (Atalia), New Air from Lalla Rookh, New Fantasia (MS.) with Variations on a Theme in Oberon for the Flute (Mr. Fürstenau), Scena in Der Freischütz („Oh! I can bear my fate no longer!“) und Overture to Euryanthe.
  • „… Winkler ist in ihren Wochen“Geburt von Camilla Winkler am 17. Mai 1826.

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