Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 10. September bis 24. Oktober 1813
Prag.
Am 10ten September waren hier zum ersten Mahle: die vornehmen Wirthe. Da der Inhalt dieser Oper den Lesern unserer Blätter schon bekannt ist, so wollen wir uns nur auf die Aufführung beschränken, die wohl nicht anders als sehr vorzüglich genannt werden kann.
Herr Mohrhardt gab seine Rolle als Marquis von Ravannes in Hinsicht des Gesangs und Spiels sehr brav, und gewann dadurch vollends die Gunst des Publikums. Herr Grünbaum machte Alles, was aus seinem Chevalier de Villeroi zu machen war, Madame Grünbaum braucht man nur in einer Rolle anzuzeigen, um damit zu sagen: daß sie auch das Höchste darinn erreicht habe, und Herr Allram darf als Kommandant der Maré-Chaussée gewiß Herrn Scholz in Wien an die Seite gesetzt werden, die übrigen Parte wurden brav durchgeführt, | Dekorationen und Kastumes‡ waren sehr schön. Die Oper gefiel außerordentlich, und wird bei jeder Vorstellung häufig besucht.
Der Russe in Deutschland, Lustspiel in vier Aufzügen von Kotzebue konnte hier nicht gefallen, da die Handlung des Stückes zu sehr ausgesponnen ist. Wir müssen bei dieser Aufführung Herrn Brand nennen, der nach einer langen Krankheit als Graf Schlamm wieder auftrat, und alle Zuschauer durch sein durchdachtes, so durchaus motivirtes Spiel entzückte. In dem Fache der alten französischen Gecken ist er ganz einzig. Möge seine Gesundheit vollkommen hergestellt seyn! Herr Polawsky als Fedor, und Madame Junghanns als des Grafen Schwester, verdienen die ehrenvollste Erwähnung.
Am 25ten September sahen wir hier die Verschreibung, Lustspiel oon‡ Passy. Dieß Lustspiel ward von Madame Brede, Herrn Polawsky, und Herrn Löwe mit Fleiß und Liebe dargestellt. Eine sehr reine, gefällige Versifikation und ein angenehmer, witziger Dialog herrschen darinn.
Am 26ten September war Jakob und seine Söhne. Herr Mohrhardt als Joseph zeigte die Vielseitigkeit seines Talents, so vortrefflich als er den leichtsinnigen beweglichen Marquis de Ravannes gegeben hatte, so schön gab er auch den ernsten besonnenen Joseph. Alle seine Musikstücke trug er mit Auszeichnung vor. Neben ihm zeigte sich Herr Kainz (Simeon) im vortheilhaften Lichte. Herrn Sieber[t] bitten wir für die Zukunft den Jakob etwas älter zu nehmen. Den Benjamin spielte ein junges Mädchen, Demoiselle Leutner, die zu sehr großen Hoffnungen für die Zukunft berechtigt. Auch die¦se Oper gefiel, und mit Recht. Prags Musikfreunde finden den Werth dieser Oper vor vielen französischen darinn: daß die Musik so durchaus charakteristisch ist.
Am 3ten Oktober war die Vestalinn, worinn Demoiselle Vliegen als ihren ersten theatralischen Versuch, den Part der Oberpriesterinn ausführte. Demoiselle Vliegen war dem Publikum schon früher durch ihre Gefälligkeit, im Redoutensaale für eine wohlthätige Anstalt zu singen, sehr vortheilhaft bekannt, wo sie alle Zuhörer durch die große Arie aus dem Titus: non piu dei fiori, zum stürmenden ungetheilten Beifall hingerissen hatte. Die sehr gute Meinung von ihr ward vollkommen bestättigt‡. Sie sang die schwierigsten Stellen mit der größten Kraft und Leichtigkeit, als Schauspielerinn übertraf sie die kühnsten Erwartungen, da sie sich durchaus mit Adel und Grazie auf der ihr noch ganz fremd seyn sollenden Bühne bewegte. Die hiesige Oper kann sich Glück wünschen, diese glänzende Acquisition gemacht zu haben. – Herr Grünbaum als Licinius gibt diesen Part ganz vorzüglich, Madame Grünbaum als Julia wird wohl überall in dieser Rolle, in Prag wie in Wien, außerordentlich gefallen. Wir sahen diese Oper mit Ballets, die aber nicht vorzüglich waren, und füglich, wie sonst, hätten ausgelassen werden können. Die Schwäche des weiblichen Chor-Personale ward in dieser Oper besonders fühlbar, auch dürfte die erste Dekoration wohl im zu neu römischen Style seyn.
Am 17ten Oktober waren die Tage der Gefahr. Herr Kainz, der eigentlich in dieser Oper den ersten größern Part als Wasserträger hatte, empfahl sich dadurch sehr der Gunst des Publikums. Er gab seine Rolle, vom ersten Eintreten zu seinen Kindern bis zu dem letzten athem|losen Herbeistürzen, wahr, durchdacht und schön. Im Gesange befriedigt er jede billige Forderung. Herr Mohrhardt hatte wegen Krankheit des Herrn Grünbaum den Grafen Armand, und Herr Manetinsky den Antonio, (den Herr Mohrhardt hätte spielen sollen) übernommen. Herr Mohrhardt war wieder sehr lobenswürdig, Herr Manetinsky that, was in seinen Kräften war. Diese Oper, die früher nicht gefallen hatte, erhielt bey der würdigen Darstellung sehr großen Beifall. So kann das größte Meisterwerk durch eine schlechte Aufführung verdorben werden.
Am 9ten Oktober war Uthal, und ein Lustspiel in einem Akt von Schall: Trau, schau, wem! Demoiselle Vliegen hatte als Malvina in Uthal ihr zweites Debut. Nicht leicht wird man bei einem Frauenzimmer, das zum zweiten Mahl die Bühne betritt, solch eine Sicherheit in Ausführung der schwierigsten Kunst-Forderungen finden. Außer ihrem vortrefflichen Gesange, überraschte uns noch Demoiselle Vliegen, durch die durchaus schöne, richtige Deklamation der Prosa, die in der Oper vorkömmt. Herr Kainz als Uthal sang seine erste Arie und das Duett mit Malvina sehr schön, er war herrlich kostumirt, Herr Siebert als König hätte etwas mehr Anstand haben können, die Chöre wurden in dieser Oper sehr brav ausgeführt. Das kleine Lustspiel von Schall ist allen Bühnen zu empfehlen. Herr Bayer und Madame Brede sind unter den darstellenden Personen vorzüglich darinn zu nennen.
Am 21ten Oktober erschien hier das merkwürdige Extrablatt von dem großen Siege der Alliirten, und am 22ten war ein analoges Stück in einem Akt, der Tag des Schlacht. Es ward ¦ mit vielem Beifall aufgenommen, es schildert die Hoffnungen und die ängstlichen Besorgniße der Einwohner eines Dorfes bis zu der Ankunft eines durchreitenden Kouriers, der überall Freude und Jubel verbreitet. Den Kourier gab Herr Bayer, er las zugleich das zweyte Extrablatt ab, das mit gewaltigen Aeußerungen des Enthusiasmus begleitet wurde. Am Ende wurde das Volkslied: Gott erhalte Franz den Kaiser! abgesungen, das Ganze beschloß: das Lustspiel von Kotzebue: der Leibkutscher Peter des Dritten.
Am 24. Oktober war hier das österreichische Feldlager, bey übervollem Hause. Dieß Stück in Stücken, dieß Gemengsel von so vielen heterogenen Scenen, die aber bei Schiller zu einem großen Ganzen verbunden sind, ward wohl bey allen patriotischen Aeußerungen mit Beifall begleitet, mißfiel aber dennoch dem Publikum. Kein Schauspieler hatte Gelegenheit sich darinn auszuzeichnen, den größten Applaus erhielten die braven Russen, von denen ungefähr 30 Mann in Wirklichkeit in voller Rüstung über die Bühne zogen. Auch ein Kosak, der zu Pferde herein sprengte, ward lebhaft empfangen. Der Anblick des Lagers machte ein interessantes Tableau.
Der würdige Veteran der hiesigen Gesellschaft, Joseph Andreas Schopf ist nicht mehr. Er starb hier im 65sten Jahre seines Alters, an Folgen eines Schlagflußes. Noch bis in sein spätes Alter riß er die Zuschauer durch die Wahrheit und Natur seines Spieles unwiderstehlich hin. Sein bürgerlicher Charakter war untadelhaft, er war ein sehr gebildeter Mann, mit mehreren fremden Sprachen vertraut, besaß er außerdem noch sehr schöne Kenntniße. Sein Verlust wird hier allgemein betrauert.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
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Text Source: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 6, Nr. 131 (3. November 1813), pp. 512–514