Franz Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
London, Dienstag, 7. Dezember 1880
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Zwei Ihrer geschätzten Briefe, von sehr weit auseinanderliegendem Datum, habe ich vor mir, unbeantwortet, und ich muß erwarten daß Sie mich schon lange als einen recht unhöflichen, nachlässigen Menschen ansehen. Ich will auch gar nicht den Versuch machen mein langes Schweigen zu entschuldigen, denn bei aller Arbeitslast die mir besonders im Laufe dieses Jahres aufgebürdet wurde hätte ich doch für Sie, geehrter Herr Professor, die Zeit zur Beantwortung Ihrer Briefe längst erübrigen sollen. Doch was nützt dieses Bekenntniß nun! ─ Pater peccavi ─ ich denke vielleicht ist Ihre bekannte Güte elastisch genug mir auch jetzt, in dieser späten Stunde, noch zu vergeben.
Ja und dieses hoffe ich um so mehr da ich heute immer noch mit leeren Händen komme. Die Aufführungsfrage, selbst des „Freischütz“, bietet wegen des völligen Mangels an registrirten Angaben von Seiten der hiesigen Theater geradezu unglaubliche Schwierigkeiten. Ich hatte mich an Benedict und den jetzt dahingeschiedenen Planché in dieser Hinsicht vergebens um Notizen gewendet; es giebt so wenige Menschen die für das trockene und doch so wichtige Fach der Statistik den rechten Sinn haben. Es gehört ein gewisser Enthusiasmus dazu, den man freilich von einem Schüler Weber’s, wie Benedict, hätte erwarten können. Ich sehe noch einen, allerdings etwas mühevollen, Weg vor mir, wenigstens die „Freischütz“-Aufführungen einigermaßen befriedigend festzustellen, und womöglich die beiden anderen Werke noch damit zu verbinden. Bitte lassen Sie mich wissen wie lange oder kurze Zeit Sie mir damit gönnen können ohne dem Fortgang Ihrer unschätzbaren Arbeit Eintrag zu thun. Falls die Zeit drängt, kann ich Ihnen sogleich das wenige Material was ich über des verehrten Meister’s Ersten Auftritt in London u. s. w. gesammelt habe übersenden. Verfügen Sie ganz über mich, und jedwede Frage die sich im Verfolg Ihres Werkes aufdrängt will ich versuchen nach meinem besten Wissen und Können zu lösen, in Bezug auf Weber’s Aufenthalt und Werthschätzung in England.
Ihr aufrichtig Ergebener
Franz Weber
NB. Ihre Photographie hat mir das größte Vergnügen bereitet. Haben Sie besten Dank! Ich schließe die Meinige hier ein, als Vorläufer eines persönlichen Besuches in Berlin der mir hoffentlich einmal vergönnt wird! ─
Apparat
Zusammenfassung
Recherchen wegen Freischütz-Aufführungen erweisen sich als äußerst kompliziert, auch Benedict und Planché konnten nicht helfen; bittet um Nachricht, wieviel Zeit er noch hat, ohne die Arbeiten am Nachtrag zu verzögern, wenn keine Zeit mehr ist, könnte er das wenige Material zu Webers Aufenthalt in London, das er gesammelt hat, senden
Incipit
„Zwei Ihrer geschätzten Briefe“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 654Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- am oberen linken Rand Bl. 1r Briefnumerierung von F. W. Jähns (rote Tinte): „4.)“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Tv in: Weberiana 18 (2008), S. 100 (Auszug)