Karl Emil von Schafhäutl an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
München, Mittwoch, 16. Oktober 1867
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- 1868-06-03: an Jähns
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Eine Ferien-Reise war Schuld, daß ich Ihren freundlichen Brief nicht früher beantwortete und meinen Dank aussprach für die gütige Übersendung der Musik zu Voglers Geburtstag. Ihre Anmerkung für Ihr Werk über Weber ist höchst interessant und nur auf der letzten Seite wäre etwas zu berichtigen, wo Sie sagen: „Er (Vogler) hat eine ganze Symphonie über die Scala geschrieben.“ Es ist indessen nur das Finale der Cdur Symphonie aus dem Jahre 1799 nach Voglers Tode herausgegeben von Andre. Das Thema das die Violinen pp anschlagen, ist: [Notenbeispiel: Notenbeispiel] es nehmen dann die sämmtlichen Instrumente ffo dasselbe Thema auf, auch die Hörner nemlich die einen aus F die andern aus G welche abwechselnd die Scala bis auf e geben, das die Trompete übernimmt. So wird das Thema in außerordentlicher contrapunktischer Mannigfaltigkeit vorwärts und rückwärts per augmentationem, Abbreviationem, Diminutionem, Synkopen, Restrictionem durchgeführt und zwar durch 378 Tacte. Aber auch schon in den Betrachtungen der Mannheimer Tonschule Mai 1781 gibt er ähnliche Beispiele, wo er vom Canon handelt und die Scala wieder als Thema nimmt. Ich lege Ihnen, um sich von dem Gesagten zu überzeugen eine Copie aus oben citirtem Werke bei; im Canone chiuso ed infinito gibt er gleich darauf dieselbe Scala: [Notenbeispiel: Notenbeispiel]
Sie sehen, wie nahe dieses Beispiel dem besprochenen Weberschen Canon liegt*.
Das von Ihnen beigelegte Blättchen habe ich an seine Adresse befördert; es wird einem von uns wohl gelingen, Ihre Fragen zu beantworten. Indem ich, Ihrer gütigen Erlaubniß zufolge, den kleinen für Ihr Werk bestimmten Aufsatz als Andenken von Ihnen behalte, sende ich Ihnen die 3 andern Bogen mit „zu 5“ bezeichnet wieder zurück und möchte Sie bitten, wenn irgend etwas in irgend einer Zeitschrift erscheint, mich darauf aufmerksam zu machen, damit es mir in keinem Fall entgehen kann.
Indem ich mich auf Ihre Arbeiten [über] Weber recht sehr freue, mich sehr danach
sehne, habe ich die Ehre Ihnen mich freundschaftlichst zu empfehlen und verharre mit
ausgezeichneter Verehrung als
Ihr
ergebenster
Prof. Dr. Schafhäutl
Für den Geist gibt es keine politische Grenze, die von dem Messer nur in die schwere Erde eingefurcht wird, und von der
Kunst gilt noch mehr, als von der Freude:
„Alle Menschen werden Brüder
Wo dein sanfter Flügel weilt!“
Apparat
Zusammenfassung
verbreitet sich ausführlich über das Finale der C-Dur-Sinfonie von Vogler (1799) und schickt als Beilage einen von ihm abgeschriebenen Canon aus Voglers Betrachtungen der Mannheimer Tonschule (1781)
Incipit
„Eine Ferien-Reise war Schuld, daß ich Ihren freundlichen Brief“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 546Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
- Auf Bl. 2r hat J. mit Blei den Brief seiner schlechten Lesbarkeit wegen übertragen; dem Brief beigegeben war in der Handschrift von Schafhäutl ein Canon aus Voglers Betrachtungen der Mannheimer Tonschule (1781), der jetzt auf Bl. 2v angeklebt ist.
- Auf Bl. 2v quer am unteren rechten Rand von Jähns: „Professor Dr: Schafhäutl in München 16. Oct. 1867. An F. W. Jähns in Berlin“
Einzelstellenerläuterung
-
„… dem besprochenen Weberschen Canon liegt“Jähns übernahm Schafhäutls Hinweise in das Werkverzeichnis (vgl. S. 112).