Aufführungsbesprechung München, Hoftheater: „Der Freischütz“ von Car Maria von Weber am 11. Juni 1825 (Teil 1 von 2)

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Correspondenz-Nachrichten.
Aus München.

(Fortsetzung.)

[…]

Nun aber den Hut ab, wenn ich bitten darf, denn ich spreche vom Freischütz des unsterblichen Weber, welcher seit der Eröffnung der königl. Hofbühne gestern zum erstenmale gegeben wurde. Gestern – verehrter Freund, wie wird Ihnen bei der in meinen Berichten sonst nicht gewohnten Bezeichnung einer solchen Nähe zu Muthe? ¦

Ja, gestern, den 11ten Junius! Die lieben Münchner waren von einer solchen Wuth ergriffen, den Freischütz zu sehen, daß alle Sitzplätze sich hätten verdoppeln dürfen. Bei dem ersten Zeichen der Ouverture trat eine heilige Stille ein. Noch war sie, unter der Direction des königl. Kapellmeisters Herrn Stunz, nicht zu Ende, als ein solcher da Capo-Sturm hervorbrach aus den Logen-Schlünden und emporbrausete aus dem Parterre, daß sie wiederholt werden mußte. Wiederholt mußte Agathen’s große Arie im zweiten Akte und zuletzt der Jägerchor werden; jene große Arie, den Max erwartend, trug Mad. Vespermann mit einem Zauber vor, der uns zu tosendem Beifalle hinriß; Aennchen, Dlle. Sigl, setzte durch ihre überaus liebliche Stimme Alles in rauschende Bewegung. Herr Staudacher trug, neben einem trefflichen Spiele, als Kaspar das Trinklied so charakteristisch und gediegen als möglich vor; doch als Bariton wird er von der gewaltigen Instrumentirung in der Schluß-Arie, trotz aller Anstrengung, beinahe erdrückt; hier, gerade hier, wäre Herr Fries an seiner rechten Stelle, der schon im Fidelio, in der Verzweiflungarie, bewiesen hat, daß sein Baß stark genug ist, auch die gewaltige Instrumentirung zu durchdringen. Ich spreche jedoch dadurch keineswegs ein allgemein vergleichendes Urtheil über den Werth dieser beiden Künstler als Sänger aus, sondern wünsche diese Andeutung nur für diesen einzeln gegebenen Fall gewürdiget. Hr. Fries, dessen Parthie als Erbförster, wegen Unpäßlichkeit, dießmal der wackere Herr Lenz übernommen hat, sollte sodann seine Rolle der Ausführung des Herrn Staudacher überlassen. – Herr Löhle sang den Max bei weitem besser, als er ihn spielte.

Die Wolfschlucht wurde mit rauschendem Beifalle aufgenommen, sobald der Vorhang oben war. Der Geisterspuk war trefflich geordnet; das wilde Heer erschien transparent, so daß man an den mondhellbleichen Gestalten, die mit den eilenden Wolken vorüber jagten, jede Linie unterscheiden konnte; in dem Momente, wo Alle Umgebung in Blutfarbe sich wandelt, gaukeln auch jene Gespenster, durch den blutrothen Wiederschein geröthet, vorüber, in allerlei Gruppen gräulicher Ungeheuer. Der natürliche Wasserfall rauschte gewaltig und bot in der blutrothen Beleuchtung einen herrlichen Anblick. Wildes Gevögel flatterte oben, unten stolperte ein gewaltiger Eber mit glühendem Rachen durch die Klippen, walzenartige, funkensprühende Feuerräder zischten an dem Beschwörer vorbei, und eine transparente Gespenstergruppe, silberbleich mitten in der allgemeinen Höllenröthe, bildete einen furchtbaren, schneidenden Contrast, während der Donner die Grundpfeiler der ganzen Schöpfung zu zerschmettern schien. – Der Vorhang fiel.

(Der Beschluß folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 9, Nr. 156 (1. Juli 1825), S. 624

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