Rezension: „Rondo brillante“ op. 62 von Carl Maria von Weber

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Rondo brillant per il Pianoforte, composto da Carlo Maria di Weber. Op. 62. Berlino, preßo A. M. Schlesinger. Preis 1 Rthlr.

„Würdig ehren wir den Meister,Bloße Namen sind uns Dunst. –“*Uhland.

Das muss man unserm achtbaren Weber eingestehen, daß in allen seinen Werken, die er dem Publikum übergiebt, ein schöner, frischer, geistiger Impuls hervorstrahlt. Er komponirt sicher nichts, oder lässt wenigstens nichts drucken, was nicht ein Ueberströmen seiner Empfindungen als ächten Stempel seines Künstlerberufs in sich trägt. Mögen immerhin bei einer solchen Menge von Kompositionen für Pianoforte, wie er bereits gegeben hat, einzelne davon, besonders frühere, von spärlicher Phantasie oder dürftiger Arbeit zeigen, namentlich mehrere seiner Variationen (obschon nonnullis excep|tis*); so sind doch andre Arbeiten von ihm, und zwar seine größeren, reich an Gedanken, nicht eben fühlbar arm an Arbeit, (seine Durchführungen gleichen allerdings mehr einem Festhalten einer einmal gefundenen Figur) und unleugbar herrscht in allen, ohne Ausnahme, ein schönes und dem Schönen eifrig nachstrebendes Gefühl, eine warme und herzliche Empfindung, die stets das Beste geben möchte und oft giebt. Möchten doch andre Komponisten, die sich dünken, wer weiß wie hoch in der Klassicität ihrer Klavierkompositionen zu stehen, ein Muster an unserm mit Recht hochgeachteten Weber finden, und nicht ihren hohen Beruf als Künstler dadurch gemein in den Staub herabziehn, daß sie dürftige Jugendübungen ins Publikum schicken, mit denen sie sich, ohne Nachtheil für die Kunst, besser die Tabackspfeife hätten anzünden mögen, als, auf die Halb-Blindheit des Publikums rechnend, ein armseliges Honorar von einem honetten Buchhändler dafür anzunehmen, der, um sie nur mit ihren bessern Arbeiten für sich zu gewinnen, ihnen spekulativ auch denn die Hände für jene füllt, oder am Ende denn doch nicht füllt. – Traurig genug, daß das Publikum dadurch genöthigt wird, erst zu untersuchen, ob das Kunstprodukt etwa eine Kuh sei, die ihren Herrn mit Butter versorgt, oder ob es einer höhern Weihestunde seinen Ursprung verdanke. Recens. macht absichtlich bei diesem Werkchen von Weber eine so unerfreuliche, aber leider nur zu wahre Bemerkung, weil, wie schon gesagt, unser K. in dieser Beziehung als Muster makellos dasteht.

Das Thema des vorliegenden Rondo koset überaus angenehm, und es schliesst sich in seinem heitern Charakter so etwa an die niedlichen Sachen zu Preziosa an. Besonders verdient das mezza voce in der dritten Zeile [T. 9ff.] ausgezeichnet zu werden, welches, leicht und sinnig für sich hinmurmelnd, mit einem düstern Fältchen an einer schönen Stirn zu vergleichen ist, unter welchem das schalkhafte Auge hervorlächelt. – Der erste Zwischensatz auf der andern Seite – in unsrer Edition schon Seite 5 – läuft unterhaltend fort, erhält unter Seite 6 eine zärtliche Cello-Melodie, (er) [T. 48ff.], die lieblich im Diskant wiederholt wird, (sie) [T. 52ff.]. Der Uebergang Seite 7 ist ein neckendes Haschen, und das eintretende Thema [T. 66] ein hätschelndes Haben. Der zweite Zwischensatz beginnt S. 8 [T. 80], im letzten Takte [T. 95 rH] offenbar mit einem rythmischen Fehler, der aber auf alle Fälle in der Absicht des genialen Tonsetzers zu suchen und zu finden ist, wie er denn das zuweilen liebt. Als Belag diene ein ähnlicher, sehr effektvoller Fall in dem Lachchore des ¦ Freischütz, der bekannte rückende Bass-Eintritt, welcher so recht eigentlich das „gleich auf der Stelle“ bezeichnet: Der Freischütz, Akt I, Nr. 1 Introduzione, T. 114 B. Chor.

Der Charakter will sich auch in unserm Seitensatze ändern, er dehnt sich, gleichsam des Scherzes überdrüssig, eine ganze Seite lang, müde fort. Die Komödie fängt aber Seite 10 erst recht an, und bearbeitet FF das Thema [T. 97ff.] bis zum molto tranquillo S. 12 [ resp="MB"T. 128], wo es sich wieder erschöpft dehnen will. S. 13 wieder das Thema [T. 142], ohne das niedliche murmurando. Statt dessen geht’s brillant von schon dagewesenen Liebkosungen unterbrochen, in der dritten kadenzirenden Durchführung zum Schlusse, und damit Punktum.

Rec. ist der Meinung, daß dieses Rondo jungen Liebenden, oder jungen Eheleuten, überaus wohlbehagen müsse. Es ist geistvoll, sprechend, phantasiereich und wahr, dabei fingerrecht, (etwas langfingerich), und wenn es con vivacita tüchtig vorgetragen wird, höchst dankbar. Auch der Druck ist deutlich und schön.

[Originale Fußnoten]

Apparat

Zusammenfassung

Rezension: „Rondo brillante“ (WeV S.6) von Carl Maria von Weber

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bandur, Markus

Überlieferung

  • Textzeuge: Berliner allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 1, Nr. 44 (3. November 1824), S. 379–380

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Namen sind uns Dunst. –““Das Zitat paraphrasiert Uhlands Gedicht „Freie Kunst“ (1813), wo die betreffende Strophe lautet: „Heilig achten wir die Geister, / Aber Namen sind uns Dunst; / Würdig ehren wir die Meister, / Aber frei ist uns die Kunst!“
    • zeigenrecte „zeugen“.
    • Belagrecte „Beleg“.

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