Aufführungsbesprechung Dresden: Gastrollen von Julie Schwarz im Juni 1818
Gastrollen der Dlle. Schwarz in Dresden.
Diese hoffnungsvolle Schülerinn der großen Schröder, – als solche debutirte sie wenigstens vor 2 Jahren auf der Wiener Hofbühne, und wenn sie gleich jetzt längere Zeit von ihrer Meisterinn entfernt ist, so ist doch an ihr wahzunehmen, daß eine denkende Künstlerinn ihre ersten Schritte auf dem Wege der Kunst geleitet habe, deren Anweisung sie Ehre macht – erschien am 7. Juny das erste Mahl auf unserer Bühne als Tony in dem Körnerschen Drama gleiches Nahmens, und führte diesen Charakter mit viel Kraft und Wahrheit durch. Das hiesige Publicum, welches im Ganzen nicht leicht enthusiasmirt wird, empfing sie so freundlich, als man nur hoffen durfte, und gab ihr deutliche Zeichen des lebhaftesten Beyfalls. Ihre zweyte Rolle war das Fräulein, im Kotzebue’schen Taschenbuch*, worin sie vorzüglich in leidenschaftlichen Scenen großen Effect machte; doch zeigte es sich hier aufs Neue, daß diese Rolle wohl unter die dankbaren gehört, wo man sie als engagirtes Mitglied gibt, aber als Gastrolle doch allzu sehr untergeordnet ist. Ihre dritte Rolle war Donna Diana*; – eine schwere Aufgabe, da sie gewöhnlich von Mad. Schirmer mit unnachahmlicher Grazie gegeben wird; – zudem schien die Stimme der Dlle. Schwarz durch einen heftigen Schnupfen geschwächt, was ihr hier sehr hinderlich wurde, und diese Rolle glückte ihr (besonders anfangs) viel weniger als die beyden vorigen. Es scheint, daß sie den Charakter mit seinen Nuancen sehr gut studiert hat, nur vermißten wir die fürstliche Grazie, den höheren Conversationston, der diesem Charakter den äußern Anstrich geben muß. Das Publicum war in den ersten beyden Acten auch ganz still, und erst im 3. Act, wo Diana’s Leidenschaft die Fesseln ihres Stolzes sprengt, und sie als gefühlvolles Mädchen erscheint, da wußte sie zu ergreifen, und wurde lebhaft beklatscht. Am 14. Juny spielte sie zur 4. Gastrolle die Louise in Kabale und Liebe*, und umging glücklich die Klippen der matten Weinerlichkeit, an der die meisten Schauspielerinnen in dieser nicht eben sehr dankbaren Rolle scheitern. Hr. Schwarz hatte den Stadtmusicus Miller übernommen, und gefiel sehr in dieser Rolle; schon im ersten Acte reitzte er die Aufmerksamkeit des Publicums, und in der Scene mit dem Präsidenten unterbrach ihn ein stürmischer Beyfall. Man muß gestehen, daß er in diesen von dem Dichter etwas schwankend gezeichneten Charakter viel Gleichheit gebracht, und einer Rolle, die gewöhnlich unter die untergeordneten gezählt wird, ein großes Interesse verlieh. Ihren schönsten Triumph feyerte Dlle. Schwarz als Johanna, in Schillers Jungfrau*, die sie außerordentlich gut darstellte. Sie wurde so heftig applaudirt, als es hier nicht gewöhnlich ist, und wir wundern uns, daß sie nicht diese Rolle zur ersten Erscheinung wählte, da sie doch bey weitem mehr als Tony zu imponiren geeignet ist.
Hr. und Dlle. Schwarz sind nach Leipzig abgereist*, aber wir hoffen letztere bald die Unsrige nennen zu können, da die fortdauernde Krankheit der vortrefflichen Mad. Schirmer die Direction zwingt, darauf bedacht zu seyn, daß sie eine junge Künstlerinn für dieses Fach gewinne.
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Überlieferung
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Textzeuge: Der Sammler, Jg. 10, Nr. 80 (4. Juli 1818), S. 324
Einzelstellenerläuterung
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„… Fräulein , im Kotzebue'schen Taschenbuch“Am 9. Juni 1818.
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„… dritte Rolle war Donna Diana“Die Aufführung des gleichnamigen Lustspiels fand am 11. Juni 1818 statt.
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„… Louise in Kabale und Liebe“Am 14. Juni 1818.
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„… Johanna , in Schillers Jungfrau“Am 18. Juni 1818.
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„… Schwarz sind nach Leipzig abgereist“In Leipzig gastierte Julie Schwarz am 21., 24., 28. und 29. Juni sowie 3. Juli 1818, ihr Vater am 24. Juni und 3. Juli 1818.