Aufführungsbesprechung Frankfurt am Main: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber am 17. Juni 1824 (Teil 2/2)
Frankfurter Volksbühne.
Am 17. Juni. Euryanthe, große romantische Oper in drei Abtheilungen, von Helmine von Chezy; Musik von Carl Maria von Weber.
(Fortsetzung.)
Aus der Kräfte schön vereintem Streben,
Erhebt sich wirkend erst das wahre Leben.*
Eine höchst gelungene, innige Darstellung fesselte heute die Aufmerksamkeit vom ersten bis zum letzten Augenblicke: alles bewegte sich in erfreulicher Harmonie, alles vereinigte sich zu einem gefälligen Gesammteindruck.
Madame Devrient, geb. Schröder, vom Hoftheater in Dresden, ein Schooßkind der Natur und Kunst, trat heute als Euryanthe auf: –
Der Mund ein blühend Paradies – Wo gäb’ es da noch Mängel! Und wenn sie sang, so klang’s so süß Als säng’ ein heil’ger Engel.*Wer sah sie, und stimmet nicht mit diesem poeti[s]chen Urtheil eines Kritikers*, nachdem die liebenswürdige Künstlerin zum erstenmal in Dresden als Euryanthe aufgetreten war, von Herzen ein? – Mit allen Reizen der Weiblichkeit, diesen mächtigen Talismanen, ausgestattet, besitzt sie eigentliches Künstlergenie, Künstlerinspiration, Schöpfungsgeist und wahrhaft klassischen Schönheitssinn; eine dramatische Sängerin in ganzem Sinne, verbindet sie mit einer starken, vollen, metallreichen Stimme von bedeutendem Umfange, von seltenem Wohllaut, und dem seelenvollsten Vortrage, das ausdrucksvollste, lebendigste, und durch diesen Ausdruck und diese Lebendigkeit hinreißendste Spiel, eine unnachahmliche Anmuth in Ton, Geberde und Bewegung, und die größte Mannigfaltigkeit und Natürlichkeit in den Stellungen. Und alle diese reizenden Eigenschaften stehen in der Kraft des schönsten Einklangs! – Wie trefflich und mit welchem feinen Gefühl, mit welcher richtigen Urtheilskraft versteht sie das abgestufte Ausbilden und Übergehn der wechselnden Gemüthszustände zur gehörigen Anschauung zu bringen! Mancher wünschte eine weniger verschwenderische Fülle des Spiels: wir aber glauben, daß eben diese Fülle Euryanthens Charakterentwicklung und der Tondichtung des Componisten völlig entspricht. |
Der Wunsch, nicht unwürdig neben einer Künstlerin wie Madame Devrient zu stehen, hatte Dem. Rotthammer (Eglantine) außerordentliche Anstrengung anwenden lassen, und ihre heutige Leistung verdient viel Lob.
[…] ¦ […]
J.
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Bandur, Markus
Überlieferung
-
Textzeuge: Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Jg. 2, Nr. 179 (27. Juni 1824), S. 3f.
Einzelstellenerläuterung
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„… wirkend erst das wahre Leben.“
Aus Friedrich Schillers Die Huldigung der Künste (Erstaufführung Hoftheater Weimar, 12. November 1804).
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„… Als säng’ ein heil’ger Engel.“
Aus Ludwig Höltys Leander und Ismene, 1. Ballade, 2. Strophe.
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„… s chen Urtheil eines Kritikers“
Vgl. Merkur. Mittheilungen aus Vorräthen der Heimath und der Fremde, für Wissenschaft, Kunst und Leben, Jg. 1824, Nr. 43 (8. April), S. 169–172.